Jair Bolsonaro steht in Brasilien vor dem Wahlsieg
Bei der Nennung seines Namens läuft es den einen eiskalt den Rücken herunter, andere heben bewundernd die Augen zum Himmel: Jair Bolsonaro.
Das Wichtigste in Kürze
- Jair Bolsonaro steht kurz davor, der neue Präsident Brasiliens zu werden.
- Der Verherrlicher der früheren Militärdiktatur liegt bei den Umfragewerten vorn.
Am rechtsextremen Jair Bolsonaro, der in letzten Umfragen vor der Stichwahl um das brasilianische Präsidentenamt klar vorne liegt, scheiden sich die Geister. Gegner des langjährigen Abgeordneten verweisen auf seine rassistischen, frauen- und schwulenfeindlichen Äusserungen und sein Lob für die Militärdiktatur der Jahre 1964 bis 1985. Für seine Anhänger ist er der Retter des Vaterlandes. Seine glühendsten Fans nennen ihn schlicht «o mito» (der Mythos).
Der Hauptmann der Reserve, der sich angesichts der Korruptionsskandale im grössten Land Lateinamerikas als «Saubermann» profilierte, nimmt mit Vorliebe bei Auftritten in Flughäfen ein Bad in der Menge – eine riskante Angelegenheit: Am 6. September wurde er Opfer einer Messerattacke in der Kleinstadt Juiz de Fora.
Zum «Mythos» kam nun das Image des Märtyrers hinzu. Bolsonaro konnte wegen seines Krankenhausaufenthalts drei Wochen lang weder am Strassenwahlkampf noch an Fernsehdebatten teilnehmen. In den sozialen Medien blieb er hingegen sehr aktiv. Bei Facebook, Twitter und Instagram folgen ihm knapp 14 Millionen Nutzer.
Kein grosser Redner
Das Internet ist Bolsonaros bevorzugtes Medium, ein grosser Redner ist er nicht. Ein klares politisches Programm ist bei Bolsonaro schwerlich auszumachen. Kein Wunder, dass der Mann, der seit 27 Jahren im Abgeordnetenhaus sitzt, mehrmals die Parteien wechselte.
Dass er von Wirtschaft nichts versteht, bekennt Bolsonaro selbst. Das Vertrauen der Märkte gewann er, indem er den Wirtschaftswissenschaftler Paulo Guedes in sein Wahlkampfteam nahm. Ihn will er zum «Superminister» machen.
Letzte Umfragen kurz vor der Stichwahl sahen Bolsonaro bei 59 Prozent. Entgegen seiner bisherigen Gewohnheit bemühte sich der 63-Jährige nun um einen konzilianteren Ton. Nach seinem Wahlsieg werde er «Sklave der Verfassung» sein und «mit Autorität, aber ohne Autoritarismus» regieren.
Zu Bolsonaros Unterstützern zählen mächtige Lobbyisten etwa aus der Agrarindustrie und die einflussreichen evangelikalen Kirchen. Der Politik-Veteran Bolsonaro stilisiert sich zum Anti-Establishment-Politiker, der mit «denen da oben» aufräumen werde.
Kampf gegen Kriminalität und Korruption
Der grassierenden Kriminalität und Korruption sagte er einen gnadenlosen Kampf an. Den Bürgern will er in diesem Zusammenhang das Tragen von Waffen erlauben. Häufig wird Bolsonaro als «Brasiliens Donald Trump» bezeichnet. Doch einige politische Beobachter sehen eher Parallelen zum philippinischen Staatschef Rodrigo Duterte.
Geboren wurde Bolsonaro 1955 in Campinas bei São Paulo in einer italienischstämmigen Familie. Während seiner Zeit in der Armee galt er als aufmüpfig. In den 80er Jahren wurde ihm sogar ein versuchter Bombenanschlag zur Last gelegt, mit dem er einen höheren Sold erreichen wollte.
Der Grossteil seiner politischen Karriere spielte sich in Rio de Janeiro ab. Dort wurde er 1988 zum Gemeinderat und 1991 zum Abgeordneten im Bundesparlament gewählt.
Zwei Initiativen in 30 Jahren
Im Parlament tat er sich weniger durch Gesetzesinitiativen hervor – in fast drei Jahrzehnten brachte er nur zwei Initiativen durch – als vielmehr durch verbale Provokationen. Zur linken Abgeordneten Maria do Rosario sagte er einmal: «Ich würde Sie nicht vergewaltigen, Sie verdienen es nicht.» Darauf angesprochen, bekräftigte Bolsonaro in einem Interview 2014, sie sei «hässlich» und «nicht sein Typ».
Herablassend äussert sich Bolsonaro auch über Schwarze und Homosexuelle. Einen schwulen Sohn würde er «nicht lieben können», sagte er 2011 in einem Interview mit dem «Playboy» und fügte hinzu: «Mir wäre lieber, er würde bei einem Unfall sterben.» Auch Folter während der von ihm verherrlichten Militärdiktatur rechtfertigte der 63-Jährige. Deren Fehler sei es gewesen, «zu foltern, aber nicht zu töten», befand Bolsonaro 2016 in einem Radiointerview.