Verfassungsgericht prüft kritische Äusserung Seehofers über AfD
Eine heftige Kritik von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an der AfD hat das Bundesverfassungsgericht beschäftigt.
Das Wichtigste in Kürze
- Innenminister bezeichnete AfD-Fraktion als «staatszersetzend».
Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe verhandelte am Dienstag über ein auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlichtes Interview, in dem Seehofer das Verhalten der AfD-Bundestagsfraktion unter anderem als «staatszersetzend» bezeichnet hatte. Die AfD wirft ihm deshalb vor, seine Neutralitätspflicht verletzt zu haben. (Az. 2 BvE 1/19)
Zentraler Aspekt in der zweistündigen Verhandlung war, dass das Ministerium das Presseinterview im September 2018 auf seiner Website veröffentlicht hatte. Darin sagte Seehofer über die AfD-Fraktion unter anderem: «Die stellen sich gegen den Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten.» Das sei bei einem «Frontalangriff auf den Bundespräsidenten» im Bundestag mitzuerleben gewesen. «Das ist für unseren Staat hochgefährlich», sagte Seehofer. «Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend.»
Die AfD macht geltend, der Minister habe durch diese Veröffentlichung ihr Recht auf Chancengleichheit der Parteien verletzt. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte nach der Verhandlung, Seehofer habe seine Amtsautorität für eine «Beschimpfung der AfD» in Anspruch genommen. Der Bundesinnenminister war nicht nach Karlsruhe gekommen.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), verteidigte dort die Veröffentlichung auf der Ministeriumsseite. Wenn zu enge Massstäbe an die Neutralitätspflicht an Minister angelegt würden, stelle dies eine «eklatante Benachteiligung» von Regierungsparteien dar, sagte Krings in der Verhandlung. Es reiche nicht, «Politik technokratisch zu erklären».
Krings warf zudem der AfD vor, durch ihren Einzug in den Bundestag sei der Ton dort «deutlich rauer» geworden. Dieser veränderten politischen Situation müsse auch Rechnung getragen werden.
Der Berichterstatter in dem Verfahren, Peter Müller, hob in der Verhandlung die begrenzten Äusserungsbefugnisse von Ministern hervor. Die amtliche Tätigkeit unterliege dem Gebot strikter Neutralität, sagte Verfassungsrichter Müller. Es müsse nun in diesem Fall geprüft werden, ob diesem Neutralitätsgebot Rechnung getragen worden sei.
Das Bundesverfassungsgericht befasst sich nicht zum ersten Mal mit der Frage, wie weit Regierungsmitglieder die AfD attackieren können. Im Februar 2018 entschieden die Verfassungsrichter im Streit um eine Pressemitteilung der früheren Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) gegen eine AfD-Demonstration, dass die Ministerin damit deren Recht auf Chancengleichheit verletzt habe.
Im Jahr 2014 war dagegen eine Klage der rechtsextremen NPD gegen die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) gescheitert, die in einem Landtagswahlkampf in Thüringen das Ziel ausgegeben hatte, dass die NPD nicht in den Landtag komme. Die Verfassungsrichter machten aber auch in dem Fall deutlich, dass es für die Zulässigkeit kritischer Äusserungen darauf ankommt, in welcher Rolle Politiker sprechen: Als Minister sind sie zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet, anders sieht das bei Äusserungen als Parteipolitiker aus.
Mit der Auseinandersetzung zwischen AfD und Bundesinnenminister Seehofer musste sich das höchste deutsche Gericht aufgrund der Art dieses Verfahrens in einer seiner seltenen mündlichen Verhandlungen beschäftigen. Organstreitverfahren seien «grundsätzlich mündlich zu verhandeln», sagte Verfassungsgerichtspräsident Andreas Vosskuhle. Der Fall sei aber in «seiner rechtlichen Dimension überschaubar». Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet.