Seidenberg als Tribünengast: Ende der NHL-Karriere oder WM?
Dennis Seidenberg ist einer von vier deutschen Eishockey-Profis, die den Stanley Cup geholt haben. In dieser Saison steht der Routinier sportlich im Abseits. Dennoch schliesst er eine WM-Teilnahme nicht aus. Ansonsten dürfte seine Karriere ganz still enden.
Das Wichtigste in Kürze
- Sollte Dennis Seidenberg nicht noch überraschend in der kommenden Woche zur Eishockey-WM reisen, könnte eine sehr erfolgreiche Karriere fast unbemerkt und ungewöhnlich enden.
Nur wenn seine New York Islanders in den kommenden Tagen in den Playoffs der nordamerikanischen Profiliga scheitern und Bundestrainer Toni Söderholm den Routinier auch ohne monatelange Spielpraxis bei der WM dabei haben will, könnte der Stanley-Cup-Sieger von 2011 noch einmal ins Rampenlicht zurückkehren. «Spielen könnte ich, glaube ich», sagte der 37-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Eine Anreise zur Weltmeisterschaft in der Slowakei (10. bis 26. Mai) hielt sich der Verteidiger offen. Dies mag für den langjährigen NHL-Profi, besten Verteidiger der WM 2017 und Schlüsselspieler für Söderholms Vorgänger Marco Sturm selbstverständlich klingen, wäre in diesem Fall aber höchst ungewöhnlich. Denn Seidenberg hat seit dem 15. Mai 2018 kein Pflichtspiel mehr bestritten - seit dem 0:3 im letzten Gruppenspiel der WM in Dänemark gegen Kanada. Sein bislang letztes NHL-Spiel ist sogar mehr als ein Jahr her.
Seit dem vergangenen Sommer trainiert Seidenberg nur. Zunächst kämpfte er bei den Islanders um einen letzten Vertrag, der ihm erst verwehrt blieb. Wegen seiner überzeugenden Fitnesswerte bekam er Ende Februar für die beste Liga der Welt doch noch einmal einen Kontrakt bis zum Saisonende - als Backup-Profi. Einsätze? Fehlanzeige.
«Ich mache alles, was die anderen machen - ausser spielen», sagte er und lachte. Nur wenn drei Verteidiger ausfallen, würde Seidenberg in die Aufstellung rutschen, das passierte bis zuletzt nicht. 928 NHL-Spiele hat der ältere Bruder von Olympia-Silbermedaillengewinner Yannic Seidenberg absolviert, nur der frühere Bundestrainer Sturm hat als deutscher Profi mehr (1006). Für die WM fühlt er sich trotz der schwierigen Lage bereit und würde es geniessen, mit seinem Bruder noch einmal zusammenzuspielen.
Mitte März sass Seidenberg mit dem neuen Bundestrainer Söderholm beim Mittagessen zusammen und gewann einen «sehr, sehr guten» Eindruck. «Alles ist möglich, aber im Fall von Dennis ist es nicht die optimalste Ausgangslage», sagte Söderholm zuletzt. «Da müssten wir dann analysieren, ob er uns hilft oder nicht.»
Seidenberg selbst wirkt entspannt. Zum ersten Mal in seiner Karriere hatte er Zeit, einfach mal Vater zu sein. Weihnachtsfeiern, Chor- und Theateraufführungen seiner Kinder in der Schule fanden endlich einmal mit ihm statt. Zudem hat er einfach Spass daran, sich fitzuhalten. Ob er sich die Backup-Rolle im nächsten Jahr allerdings noch einmal antut, bezweifelt er. «Im Moment eher nicht», sagte Seidenberg. Seine Frau und seine Kinder fühlen sich in New York wohl, deswegen hält er auch eine Rückkehr nach Deutschland für unwahrscheinlich.
Ein neues Leben nach dem bisherigen, von Eishockey dominierten, hat er noch nicht geplant. «Das frage ich mich auch jeden Tag. Ich bin bisher zu keinem Entschluss gekommen», antwortete er auf die Frage, wie es denn nach seiner Laufbahn weitergehen könne. Dass seine Karriere ziemlich unbeobachtet auf der Tribüne austrudelt, störe ihn nicht. «Ich finde das für mich persönlich eigentlich besser, denn so habe ich langsam aufgehört. Nicht mehr gespielt, aber ich war einfach mit dabei», sagte der Stanley-Cup-Sieger von 2011. «Ich kann alles machen ohne Stress, zum ersten Mal in meiner Karriere. Deswegen geniesse ich es im Moment.»