Zauberer und Zauderer: Wichtige Wochen für BVB-Coach Favre

Trainer Lucien Favre hat Borussia Dortmund in der vergangenen Saison schneller als erwartet wiederbelebt. Doch im gesamten Kalenderjahr 2019 läuft es nicht für den BVB. Und damit kommt wieder die Frage hoch: Kann der als Zauderer bekannte Favre auch Krise?

Wohin geht's für BVB-Trainer Lucien Favre?. Foto: Uwe Anspach/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Meinungen der Dortmunder Fans über Lucien Favre sind schon seit längerem sehr gespalten.

Kaum ein Trainer hätte den BVB nach der frustrierenden Saison 2017/18 mit den Nachwehen des Busanschlages als zusätzlicher Belastung so schnell wieder in die Spur gebracht - da sind sich die meisten Anhänger einig. Doch nicht wenige glauben auch: Mit einigen anderen Trainern als dem Schweizer wäre der BVB nach neun Punkten Vorsprung auch Meister geworden.

Dass Lucien Favre Lucien Favre ist, kann man ihm nicht vorwerfen. Und wer den 61-Jährigen holt, der weiss, was er bekommt. Am Ende passte Favres erste Saison bei der Borussia aber nur zu gut in das vorherrschende Bild des Zauberers und Zauderers in einer Person. Das des Taktik-Genies, das sie in der Schweiz schon früh «Super-Hirnli» nannten. Aber auch des Kauzes, der bei seiner ersten Bundesliga-Station bei Hertha BSC schon nach dem ersten Pflichtspiel wegen mangelnder Perspektiven laut über einen Rücktritt nachgedacht haben soll.

So jemand wird gerade an einem Standort wie Dortmund, wo viele wohl noch in Jahrzehnten dem emotionalen Menschenfänger Jürgen Klopp nachtrauern werden, immer ein bisschen kritisch beäugt. Und eine solche Dauerskepsis kann schnell ins Grundsätzliche kippen. In den sozialen Netzwerken wird der Hashtag #Favreout zuletzt immer häufiger genutzt. Und in den Medien werden schon Ralf Rangnick, Florian Kohfeldt oder sogar José Mourinho als mögliche Nachfolger gehandelt.

An seinen früheren Stationen schwankten seine Bosse angesichts der erfolgreichen, aber auch anstrengenden Zeit mit Favre oft zwischen Bewunderung und Verzweiflung. «Wenn Lucien Favre im Supermarkt wählen müsste zwischen "Kaufe ich Wurst oder Käse?": Er würde verhungern, weil er sich nicht entscheiden könnte», sagte Dieter Hoeness, der Favre als Hertha-Manager nach Berlin holte: «Aber auf dem Platz gehört er zu den Besten, da spielt er für mich in einer Liga mit Pep Guardiola.» Borussia Mönchengladbachs Manager Max Eberl sagte: «Jeder gute Trainer in diesem Bereich ist vielleicht auch mal kompliziert.»

In Gladbach soll Favre rund ein halbes Dutzend Mal mit einem Rücktritt kokettiert haben. Und nach fünf Niederlagen zum Start der Saison 2015/16 zog er es dann durch, indem er eigenmächtig an die Öffentlichkeit ging. In Dortmund ist bisher nichts von Rücktritts-Erwägungen oder gar -Gesuchen bekannt. Doch Gedanken werden sich beide Seiten machen. Ob Favre, der in der vergangenen Hinrunde zurecht euphorisch gefeiert wurde, der Richtige ist für den nächsten Schritt.

«Wir führen keine Trainerdiskussion», bekräftigte Manager Michael Zorc inzwischen mehrfach. Doch er muss diese Frage immer öfter beantworten. Und stellte nach drei 2:2-Unentschieden nach Führung in der Liga bei «Funke» auch fest: «Wir treten auf der Stelle. Mit der Leistung aktuell können wir nicht um den Titel mitspielen.» Das war aber das erklärte Ziel vor der Saison. Eine forsche Vorgabe, mit der Favre merklich fremdelte. Was ihm dann mancherorts wieder als mangelnde Zielstrebigkeit vorgeworfen wurde.

Fakt ist: Das Thema wird in Dortmund sicher nicht mehr lange schwelen. So oder so. Denn in den nächsten sieben Pflichtspielen geht es in der Bundesliga gegen Tabellenführer Mönchengladbach, Erzfeind Schalke, den Tabellenzweiten Wolfsburg sowie zum FC Bayern, im Pokal erneut gegen Gladbach und in der Champions League zweimal gegen Inter Mailand. Danach gibt es keine halben Wahrheiten mehr. Dann heisst es: Befreiungsschlag oder tiefe Krise. Dann wird Favre entweder die Skeptiker überzeugt haben. Oder Zorc die Frage nach einer Trainer-Diskussion möglicherweise anders beantworten.