Weisse Socken sind wieder angesagt – je sichtbarer, desto besser. Ein Füsslingsgegentrend der GenZ?
Comeback der weissen Socken
Längst kein Problem mehr. Weisse Socken – hochgezogen – sind kein modisches No-Go mehr. Jens Kalaene/dpa - dpa

Sie war lange Zeit der Alptraum von Stil-Experten: die weisse Socke. Doch Mode ist stets im Wandel. Und so kommt es, dass mit Stolz oder Trotz gezeigte sportliche Socken jetzt im Trend liegen und kein No-Go mehr sind. Zur kurzen Hose werden sie sogar gern weit hochgezogen, sodass man gut die Marke sieht (Nike, Adidas, Puma und Co).

Die (weisse) Socke ist zurück. Das heisst, sie war vielleicht nie weg, aber sie hatte einen schlechten Ruf. Das ist vorbei. Stil-Ikonen aus der sogenannten Generation Z (auch GenZ oder Zoomer genannt; meint die heute etwa 15- bis 30-Jährigen) – von Popstar Billie Eilish bis Schauspieler Paul Mescal – tragen altmodisch-klassische Socken wie selbstverständlich. Spätestens 2024 heisst es: Lasst die kurzen Sneakersocken (der Millennials, was die etwa 30- bis 45-Jährigen meint) im Schrank – und erst recht die Füsslinge, die es so aussehen lassen, als wären wir barfuss in den Schuhen.

«Statt nahezu unsichtbarer Socken müssen es welche sein, die man schon von einem Kilometer Entfernung sieht», schrieb kürzlich die «Süddeutsche». Als Fashion-Show-Gast in Mailand habe Paul Mescal «ungeniertes und ungebräuntes, nackthaariges Herrenbein in weissem Schlabberstrumpf» gezeigt.

Schon für eine Gucci-Kampagne posierte Film- und Serienstar Mescal mit weissen Socken in Loafern. Das trug er dann auch Mitte Juni bei der Modenschau des Labels. Was dabei fast noch mehr Aufsehen erregte: Der 28-Jährige sah so aus, als hätte er vergessen, eine Hose anzuziehen. Der Ire trug nur Shorts. Sehr kurze (Boxer-)Shorts.

«Eine Art Gegentrend»

Der Wiener «Standard» kommentierte, das sei nun schick: «Wer bei dieser Hitze Schenkel zeigt, hat die Kontrolle über den modischen Auftritt nicht verloren.» Das «W Magazine» meinte, auch Männer könnten «den Trend der offen zur Schau getragenen Unterwäsche ausprobieren». Doch das ist eigentlich eine andere Geschichte. Zurück zu den Socken.

«Das Comeback der sichtbaren Socke ist eine Art Gegentrend zu einer Phase, in der es schick war, Knöchel zu zeigen, Füsslinge zu tragen oder ganz auf Socken zu verzichten und barfuss in die Schuhe zu gleiten», sagt Mode-Redaktor Sebastian Schwarz vom Fachmagazin «TextilWirtschaft». «Ein Trend, der allerdings auch unbequem für die Füsse sein konnte. Und der vor allem komisch aussah, wenn man die Schuhe einmal auszog.»

Schon seit einiger Zeit sind Socken jeglicher Art nun wieder modisches Statement. Hochgezogene Tennissocken werden zu Sneakern, eleganten Loafern, aber auch zu Birkenstocks und Trekking-Sandalen getragen, wie Schwarz erklärt. «Im Streetwear- und Hip-Hop-Kontext werden weisse Socken auch plakativ zu Pool Slides und Adiletten kombiniert.» Socken zeigen, ja oder nein? «Das kommt immer auf den Typ und das Outfit an. Und natürlich auf die Hose und das Schuhwerk. Nicht jeder Trend passt zu jedem.»

Die Kleidungshistorikerin Julia Burde erläutert: «Der Mann in Sandalen und weissen Socken ist eine viel kritisierte Figur. Die Kritik richtet sich dabei weniger gegen das Weiss als vielmehr gegen das Sockentragen in Sandalen, was weder dem Ursprungssinn der Socke noch dem der Sandale entspricht.» Der Spott gerade gegen die weissen Socken als männliche Modesünde habe sich in den letzten Jahrzehnten geradezu verselbstständigt.

«Casual» verschmolz mit Sportkleidung

Historisch seien weisse Socken auf Sportkleidung im 19. Jahrhundert im angloamerikanischen Raum zurückzuführen, sagt Burde, die Kulturgeschichte der Kleidung an der Universität der Künste (UdK) Berlin lehrt. «Die Farbe Weiss indiziert das Heisswaschen in Kochtemperatur, der noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert keine Färbung auf die Dauer standhalten konnte. Weiss ist insofern gleichbedeutend mit Körperhygiene.»

Etwa ab den 1940er-Jahren seien weisse Socken zum Bestandteil der Teenager- und College-Mode in den USA geworden. «Untrennbar verband sich die weisse Socke mit den Pennyloafers, dem seit den 30ern verbindlichen Schuh der Schuluniform beider Geschlechter an amerikanischen Elite-Universitäten.» Die Sichtbarkeit der Socke betonte die Tatsache des Loafers als jugendlicher Slipper-Form, leuchtendes Weiss diente vor allem der optischen Inszenierung. Dem jugendlichen Modestil, Socken sichtbar zu tragen, entsprachen die «tapered trousers» der 40er mit betont kleinem Umfang des Hosensaums oder die nur knöchellangen schmalen Hosen der italienischen Herrenmode der 50er und 60er.

«Neben diesen gegenkulturellen Praktiken behielt die weisse Tennissocke als Massenartikel eine dezidiert funktionale Bedeutung, die in den Kontext von Sportswear und Casual gehört», sagt Burde. Der sogenannte Casual Friday (auf Deutsch etwa: lässiger Freitag) erlaubte seit den 50ern amerikanischen Mittelschicht-Männern einmal im Monat bequeme Bürokleidung etwa mit kurzärmeligem Hemd.

«Casual» verschmolz auf diese Weise mit Sportkleidung zur Bezeichnung für alles Informell-Bequeme, das sich Dresscodes und Eleganzprinzipien verweigert. «Das findet seinen Ausdruck im Stereotyp unmodischer Freizeitkleidung des Mannes in Tennissocken und Sandalen, der sich so gegen ein angeblich weibliches Modebewusstsein abgrenzt.»

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