Die Hälfte aller Flüchtlingskinder hat keinen Zugang zu Bildung. Corona verschlimmert die Situation zusätzlich. Ohne Bildung droht ihnen Armut – ein Leben lang.
Syrisches Mädchen in der Schule
Das syrische Mädchen Shaima floh mit seiner Familie vor dem Krieg nach Jordanien. - World Vision

Das Wichtigste in Kürze

  • Corona bedroht die Schulbildung Millionen minderjähriger Flüchtlinge.
  • Damit verschlechtern sich auch ihre Zukunftsperspektiven.
  • Neuartige Bildungsmodelle könnten den Flüchtlingskindern helfen.
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Die Coronavirus-Pandemie hat dramatische Auswirkungen auf das Leben schulpflichtiger Kinder. Schulen werden geschlossen, Prüfungen abgesagt, aufgeschoben oder auf digitale Kanäle verlegt. Und plötzlich haben Eltern eine viel grössere Rolle in der Ausbildung der Kinder.

Das fällt schon bei uns vielen Eltern nicht immer leicht. In Ländern, in denen gerade die Ärmsten oft nicht lesen oder schreiben können, ist das so gut wie unmöglich.

Weltweit kam es zum Unterbruch des Schulsystems. 1,6 Milliarden Schüler in über 190 Ländern waren und sind davon betroffen.

Während in der Schweiz und in Europa die meisten Kinder den Unterricht online fortsetzen konnten, bedeuteten die Massnahmen für Millionen anderer Kinder den Unterbruch oder gar das Ende der Schulbildung: Für Flüchtlinge und deren Kinder sind die Anpassungen an die durch COVID-19 auferlegten Beschränkungen besonders schwierig.

Mutter in Bangladesh mit Kindern
Eine Mutter in Bangladesh unterrichtet ihre beiden Kinder zu Hause. - World Vision

Bereits vor der Pandemie konnte die Hälfte der Flüchtlingskinder keine Schule besuchen. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge, UNHCR, befürchtet, dass sich dieser Missstand durch die Pandemie noch weiter verstärken wird und viele Flüchtlingskinder nicht zum Unterricht zurückzukehren werden können.

Mangelnde Schulbildung verbaut Zukunftschancen

Rund 85 Prozent der Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern. Die Ärmsten der Armen treffen die Covid-19-Massnahmen besonders hart. Auch wenn auf Fernunterricht umgestellt wurde, können sich Familien aufgrund der wirtschaftlichen Not die Schulmaterialien nicht mehr leisten.

In Flüchtlingscamps ist die Situation noch schwieriger. Bereits vor der Pandemie bestand nur ein begrenzter Zugang zu Bildungseinrichtungen. Oft fehlen das technische Equipment und das Wissen, um in diesem Kontext online Unterricht anzubieten.

Ein Schulmädchen in Bangladesh
Moktara, 8, lebt im weltweit grössten Flüchtlingscamp in Cox’s Bazar in Bangladesh. Die informellen Lernzentren mussten wegen der Corona-Pandemie geschlossen werden. - World Vision

Das UNHCR warnt deshalb, dass die Corona-Pandemie den Flüchtlingskindern den Bildungsweg aus der Armut für immer abschneiden könnte.

«Nach allem, was sie durchgemacht haben, können wir ihnen jetzt nicht auch noch dadurch, dass sie nicht mehr zur Schule gehen können, die Zukunft rauben», sagt der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi.

Krise als Chance

Aufgrund der Corona-Pandemie befürchten internationale Organisationen und Hilfswerke, dass Fortschritte in der Bildung zunichtegemacht werden. Zugleich kann diese Krise eine Chance für die Zukunft der Bildungsmöglichkeiten sein.

Denn die Pandemie hat dazu geführt, dass Schulsysteme weltweit digitale Methoden und Fernunterricht einführen mussten. Dies könnte für Kinder in Flüchtlingslagern eine Chance sein, zukünftig trotzdem an Schulkursen teilzunehmen.

Erfahrungen, die jetzt von Hilfswerken und Schulen gemacht werden, sind eine wertvolle Ressource für neue Modelle zum Unterricht von Flüchtlingskindern.

In Simbabwe hat zum Beispiel das internationale Kinderhilfswerk World Vision in Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen eine einfach zugängliche Plattform für den Schulunterricht zu Hause entwickelt.

Dabei wurde besonders der lokale Kontext beachtet. Denn in Simbabwe, wie in vielen anderen Ländern des globalen Südens auch, haben nicht alle Kinder Zugang zu einem Computer. Deshalb wurden die Unterrichtsmaterialien aufgenommen und in Audiofiles verpackt.

Mutter mit Kind im Homeschooling
Eine Mutter nutzt VIAMO in Chimanimani, Simbabwe. - World Vision

Die Plattform nennt sich «Viamo» (Via Mobile) und ist mobil über das Handy erreichbar. Es wird nur ein einfaches Mobiltelefon und eine minimale Internetverbindung benötigt.

Da die Mobilabdeckung mit 86 % in Simbabwe relativ gut ist, ermöglich dies den meisten Kindern die Teilnahme am Unterricht. Zudem werden die Unterrichtsstunden in die 16 verschiedenen Sprachen Simbabwes übersetzt und über das Radio ausgestrahlt.

Neue Bildungswege für Flüchtlinge

Viele geflüchtete Kinder und Teenager träumen von einem aussichtsreichen Beruf. Die Flucht, hat ihre Ambitionen unterbrochen. Und das Coronavirus könnte die Träume dieser jungen Flüchtlinge schlussendlich ganz zerstören.

Um Wege zu einer hoffnungsvollen Zukunft zu eröffnen, wurden auf Hochschulniveau bereits erste Versuche zur Online-Ausbildung gestartet. Die Universität Genf und das UNHCR bieten über das Programm InZone kostenlose Kurse von renommierten Universitäten für Menschen in Flüchtlingslagern an.

Noch ist das Angebot beschränkt. Doch dadurch konnte zum Beispiel der syrische Flüchtling Qusai im jordanischen Flüchtlingscamp Azraq Kurse in Geschichte belegen, die von der US-amerikanischen Spitzenuniversität Princeton angeboten wurden.

Die Online-Universität ist eine Möglichkeit, trotz der Flucht die Ausbildung weiterzuführen und zu vermeiden, in der Armut stecken zu bleiben und das ganze Leben lang auf Hilfe angewiesen zu sein.

Ein Mädchen in Bangladesh
Die Schulbildung muss auch in Flüchtlingslagern und während des Corona-Lockdowns weitergehen. - World Vision

Es wäre lohnenswert, dieses Modell auch für Kinder in schulpflichtigem Alter zu prüfen – auch wenn dies mit vielen Herausforderungen und Investitionen verbunden wäre.

Doch wenn nicht in die Bildung der Flüchtlingskinder investiert wird, droht eine noch grössere Krise: eine Pandemie der Armut.

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