Coop als Eigentümerin: Schreinerei wehrt sich gegen Haus-Rausschmiss
Unbekannte haben am Sonntagabend im Kreis 5 zwei Wohnhäuser der Coop besetzt. Mittendrin: Eine 30-jährige Schreinerei. Die Chefin wusste von nichts.
Das Wichtigste in Kürze
- Unbekannte haben am Sonntagabend in Zürich den Sihlquai 280/282 besetzt.
- Eigentümerin Coop hat sämtlichen Mietparteien der beiden Häuser gekündigt.
- Davon betroffen ist eine Schreinerei. Die Chefin wusste nichts von der Besetzung.
«Wir kämpfen dafür, hier bleiben zu können.» Seraina (30), die ihren vollen Namen nicht in den Medien lesen will, führt die «Schreinerei am Fluss» am Sihlquai 280. In einem der beiden Häuser, die am Sonntagabend von Unbekannten illegal besetzt werden.
Die Liegenschaften gehören der Coop Genossenschaft, welche sämtliche Mieterinnen und Mieter auf die Strasse stellt. Sie will die Häuser der Tochterfirma Swissmill für Büros und Labors zur Verfügung stellen.
So auch die Schreinerei mit insgesamt vier Mitarbeitenden. Seit 1991 befindet sich die Werkstatt an dieser Adresse. Die Chefin übernahm vor vier Jahren.
«Wir waren sehr überrascht über die Besetzung, gleichzeitig haben wir die Solidarität in der Bevölkerung schon lange wahrgenommen.» Erstaunt war sie daher nicht: «Ich finde die Besetzung berechtigt.» Dennoch habe die Mieterschaft nichts von der Besetzung gewusst und nicht mitgemacht, versichert die 30-Jährige.
Wer hinter der Besetzung steckt, ist nicht klar. Als die Stadtpolizei Zürich gestern die Räumlichkeiten durchsucht, sind die Besetzer bereits wieder weg. Auch die Schreinerin weiss nicht, ob sich überhaupt Unbefugte im Haus aufgehalten haben. Oder sie mit Transparenten und ausgewechselten Schlössern lediglich Aufmerksamkeit erregen wollten.
Trotzdem ist der Ärger im Haus gross.
Coop zieht Kündigung an Schreinerei zurück
Im November letzten Jahres kündet die Coop den Mieterinnen und Mietern in Einzelgesprächen die Verträge. «Relativ kurzfristig», ärgert sich Seraina. «Uns wurde gesagt, wir dürfen nur bis Mai dieses Jahres bleiben, die Wohnungsmieter mussten bereits Ende März raus.»
Der Schock ist gross. «Daraufhin haben wir uns als Mieterschaft zusammengetan um abzuklären, ob das überhaupt rechtlich so geht.» Die Schreinerei hat Glück: Die mündliche Kündigung durch die Coop ist wegen des Geschäftsmietvertrages ungültig. Coop macht einen Rückzieher.
Eine Coop-Sprecherin bestätigt auf Anfrage, dass der Vertrag noch bis Ende November des nächsten Jahres läuft. Die zurückgezogene Kündigung kommentiert sie nicht.
Die Mieterschaft schreibt nach der Kündigungswelle etlichen Stadträtinnen und sonstigen Politikern und lanciert die Petition «Forever Sihlquai».
Um die historischen Häuser nicht verlassen zu müssen, beantragen viele Mieterinnen und Mieter ein Erstreckungsverfahren. Wegen Corona finden diese allerdings erst anfangs März statt. «Das hat natürlich zu einer grossen Verunsicherung geführt.»
Für die Mehrheit zu gross, so sind die meisten mittlerweile ausgezogen. Gerade mal vier der 25 Mietparteien sind noch in den beiden Häusern wohnhaft. Wie Coop festhält, müssen zwei davon die Wohnungen Ende September verlassen. Mit den anderen beiden laufen noch Gespräche.
Doch was, wenn sie sich weigern? Die Eigentümerin gibt sich zuversichtlich: «Wir gehen davon aus, dass sich die Mietparteien an die vertraglichen Regelungen halten. Und das Mietobjekt auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Kündigung verlassen.»
Mieter müssen raus – Studenten und Expats dürfen rein
Ende Mai findet ein runder Tisch mit den Mietern, Stadtrat, Coop und Swissmill statt. Bis es soweit ist, wollen die Hausmieterinnen und -mieter mit Aktionen und Protesten für ihr Anliegen weibeln.
Eine Einigung scheint noch weit entfernt. Doch Coop hat eine Zwischenlösung: Sie vermietet die bereits leeren Wohnungen bis März 2022 an die Intermezzo Houses AG. Diese wiederum vermietet sie als Zwischennutzung an Studenten und Expats. Für Seraina eine absolute Frechheit: «Die Firma verdient damit extrem viel Geld!»
Die Firma Intermezzo wollte sich bislang auf Anfrage von Nau.ch nicht über die Preise äussern. Gemäss «Forever Sihlquai» sind die Zimmer-Preise deutlich höher, als die Mieter bislang dafür gezahlt haben. Die Coop beschwichtigt, sie verdiene an der Zwischennutzung nicht mehr, die Preise lege die Firma Intermezzo fest.