Coronavirus: BAG hätte viel mehr Spielraum für Datenoffenlegung

Alexandra Aregger
Alexandra Aregger

Bern,

Sei es bei der Quarantäne-Überprüfung, oder den Ansteckungsorten mit dem Coronavirus. Das BAG rechtfertigt sich auffällig häufig mit dem Datenschutz. Zurecht?

In China wird feuchtfröhlich Oktoberfest gefeiert. - Screenshot Twitter

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit einem Monat gilt die Quarantänepflicht für Einreisende aus Risikogebieten.
  • Kantone verlangen die Passagierlisten, das BAG verweist auf den Datenschutz.
  • Taskforce-Mitglieder klagen, das BAG verschaffe ihnen keinen direkten Zugang zu Daten.

Seit vier Wochen gilt die Quarantänepflicht für Einreisende aus Risikogebieten. Die Einhaltung ist äusserst wichtig. So führen die Kantone teils bis zu 30 Prozent der Infizierten mit dem Coronavirus auf eine Ansteckung im Ausland zurück.

Doch den Kantonen fehlen die Passagierlisten. Trotz mehrmaligem Druck gibt sie das BAG nicht heraus. Das Bundesamt schafft zwar neue Stellen, um die Kantone mit Daten zu versorgen. Vollständige Passagierlisten gibt es aber aus Datenschutzgründen nicht heraus.

CORONAVIRUS COVID 19
Die Kritik an Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim BAG (links) und Pascal Strupler, Direktor des BAG (rechts), wächst. - keystone

Der Datenschutz hindert das BAG auch, die Corona-Taskforce mit wichtigen Angaben zu beliefern. Nach der BAG-Panne um die falschen Angaben zu Ansteckungen in Clubs sind die Taskforce-Experten verärgert, da ihnen das BAG die Daten verweigere.

Experten bestehen auf mehr Daten zum Coronavirus

Unter den Kritikern ist etwa ETH-Professor Sebastian Bonhoeffer, der den Bereich «Data and modelling» leitet. Wie er gegenüber den Tamedia-Zeitungen kritisiert, verweigere das BAG der Taskforce den Zugang zu Infektionsdaten der Kantone.

Diese würden wichtige Informationen zu den Ansteckungswegen beinhalten. Weitere Taskforce-Experten wie Epidemiologin Nicola Low lehnen sich ebenfalls auf.

Nicola Low Coronavirus
Nicola Low, Epidemiologin an der Universität Bern, fordert mehr Daten zum Coronavirus. - Screenshot Twitter

Die Experten verweisen darauf, dass es sich vielfach um Daten von behandelnden Ärzten handle, die via Formular zum BAG gelangten. Viel wertvoller seien jedoch Erkenntnisse der kantonalen Contact-Tracer. Doch eben diese Daten stünden nicht landesweit zur Verfügung.

Offenbar aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken, bedauern die Taskforce-Experten. Das BAG wiederum beteuert, die Prozesse zur Qualitätssicherung, insbesondere die Anbindung an die Datenbanken, auszubauen.

Datenrechts-Experte: BAG benötigt verbesserte Daten- und Transparenzkultur

Dass sich das BAG erneut mit dem Datenschutz rechtfertigt, erscheint auch Martin Steiger schleierhaft. Der Rechtsanwalt und Sprecher der Digitalen Gesellschaft ist enttäuscht.

Das BAG scheitere seit Beginn der Pandemie «sichtbar und immer wieder an einem kompetenten und zielführenden Umgang mit Daten». Das Datenschutzrecht solle nicht die Bearbeitung von Personendaten verhindern. «Sondern Personen, deren Daten bearbeitet werden, vor Persönlichkeitsverletzungen und sonstigem Missbrauch schützen.»

Martin Steiger Datenschutz
Martin Steiger, Sprecher der Digitalen Gesellschaft und Rechtsanwalt, an einer Medienkonferenz. (Archiv) - Keystone

Dank den Datenschutzbestimmungen im Epidemiengesetz verfüge der Bund über grossen Spielraum. Konkret dürfte das BAG Unternehmen wie etwa Airlines dazu verpflichten, Passagierlisten direkt einzelnen Kantonen zur Verfügung zu stellen. «Es erscheint mir offensichtlich, dass das BAG eine verbesserte Daten- und Transparenzkultur benötigt.»

Wieso das BAG sogar der Taskforce den Zugang zu Daten verweigere, «ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich sehe weder im Datenschutzgesetz noch im Epidemiengesetz rechtliche Hindernisse», so Steiger.

Für ihn steht fest: Das BAG braucht Hilfe. «Es gibt viele Akteure aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die gerne helfen würden.» Das BAG müsse möglichst viele Daten zur Pandemie im Sinn von Open Government Data frei und öffentlich zugänglich machen.

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