Coronavirus: Spitäler besorgt wegen Fachmangel auf Intensivstationen

Alexandra Aregger
Alexandra Aregger

Bern,

Reichen die Intensiv-Betten aus, um die steigende Anzahl Patienten mit dem Coronavirus aufzufangen? Bei Spitälern ist die Sorge um das Personal deutlich höher.

Coronavirus Lugano
Ein Patient mit dem Coronavirus liegt auf der Intensivstation des Regionalspitals Lugano. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz sind am 19. November 902 Intensiv-Plätze belegt, 534 durch Covid-Patienten.
  • Gemäss der Gesellschaft für Intensivmedizin sind alle zertifizierten Betten ausgelastet.
  • Zur Verfügung stehen derzeit 247 nicht zertifizierte Betten.
  • Zentral ist das Personal, das die Intensiv-Patienten betreut.

«Alle Betten voll» – eine Aussage, die mehr als nur irritiert. Sie zeichnet ein falsches Bild. Am Dienstag trat das BAG gemeinsam mit dem Koordinierten Sanitätsdienst KSD vor die Medien. Alle zertifizierten Intensivbetten seien belegt, warnte KSD-Delegierter Andreas Stettbacher.

Die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin SGI doppelte mit einer Stellungnahme nach. «Vollständige Auslastung zertifizierter und anerkannter Intensivbettenkapazitäten», begann die Mitteilung. Prompt titelten die grossen internationalen Zeitungen wie «Spiegel» oder «New York Times»: «Alle Schweizer Intensivbetten sind voll.»

Coronavirus
Die «New York Times» berichtete am Dienstag über voll belegte Schweizer Intensivbetten wegen dem Coronavirus. - Screenshot Twitter

Eine Aussage, die so falsch ist. Denn die Schweizer Spitäler haben derzeit 240 nicht zertifizierte Betten eingerichtet, die gemäss Stettbacher gar auf insgesamt 1400 erweitert werden könnten. Voll sind gemäss SGI nämlich lediglich die zertifizierten 876 Intensivbetten.

Coronavirus Intensivstation
Die Karte zeigt die Auslastung der Intensiv-Betten in den Kantonen, inklusive der nicht zertifizierten Betten: Je dunkler die Farbe, desto ausgelasteter die Kapazitäten. - ICU Monitoring, ETH Zürich

Die Nachfrage bei den Spitälern zeigt, dass sich diese weniger um die Betten sorgen, vielmehr um ausfallendes und qualifiziertes Personal.

Was taugen die Backup-Intensivbetten?

Zertifizierte Betten unterscheiden sich nur gering von nicht zertifizierten, streng genommen nur durch einen Zettel – ein Zertifikat. «Nicht zertifizierte sind genau gleich gut wie die zertifizierten, die Ausrüstung ist dieselbe», erklärt Thomas Pfluger. Der Sprecher des Universitätsspital Basel erklärt, die zertifizierten Intensivbetten würden regelmässig kontrolliert.

Die Zertifizierungskommission Intensivstationen kontrolliert dabei Kriterien wie beispielsweise Ausrüstung und Nähe zu Operationssälen. Aber auch personelle Ressourcen.

Intensivstation Spital
Ein leeres Zimmer der Intensivstation fotografiert im Spital Schwyz. - Keystone

Nicht zertifizierte würden vom Spital eingerichtet, «sie sind einfach nicht durch die Kontrollinstitution gegangen». Die Bettenqualität für Patienten mit dem Coronavirus sei also dieselbe.

Auch das stark vom Coronavirus getroffene Freiburg hat derzeit noch freie Reserve-Betten. «Die zusätzlichen Betten gewährleisten dieselbe Qualität für die Betreuung von Patienten», stellt Daniela Wittwer vom Freiburger Kantonsspital klar.

Aber: «Wir verfügen derzeit nicht über die nötige Anzahl diplomierter Experten in der Intensivpflege.» Dort liegt gemäss den Spitälern der eigentliche Krisenherd.

Erkrankt das Personal am Coronavirus, kommt das wirkliche Problem

Das Intensiv-Fachpersonal ist rar. Infiziert es sich mit dem Coronavirus und wird krank, wird das zum Problem. «Deshalb wird bei Personalmangel auf fachfremdes Personal zurückgegriffen», erklärt die Gesellschaft für Intensivmedizin.

Werden die Intensivbetten aufgestockt, bedeute das, «dass ab einem gewissen Punkt mit Einbussen in der Behandlungsqualität gerechnet werden muss».

Auch das Universitätsspital Zürich erklärt, beim Aufstocken mit nicht zertifizierten Betten müsste zusätzliches Personal aus anderen Bereichen abgezogen werden. «Trotz im Sommer gut geplanter und erprobter Kurzlehrgänge haben diese Mitarbeiter*innen nur wenig Fachkenntnis und keine Erfahrung.» Deshalb entspreche die Effizienz und Qualität nicht jener des Intensiv-Fachpersonals.

Noch reichen die zertifizierten Betten am Unispital aus.

Coronavirus Spital
Menschen stehen vor dem Universitätsspital Basel Schlange für den Test auf das Coronavirus. - Keystone

Das Freiburger Kantonsspital wird noch deutlicher: «Die Mindestanforderung liegt bei einem Drittel an Intensivpflege-Fachpersonal.» Normalerweise sei die Hälfte des Personals spezialisiert.

Auch Pfluger vom Unispital Basel ist alarmiert. «Bleiben die Infektionszahlen weiter so hoch, haben wir punkto Betreuung der Patientinnen und Patienten in zwei bis drei Wochen ein ernsthaftes Problem.»

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