Urteil des Versicherungsgerichts soll massgebend werden
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Geht es nach dem Willen der Nationalratskommission soll der Entscheid für eine Gesetzesanpassung massgebend werden.
Wer seine Krankenkassenprämien nicht bezahlt hat, wird in Kantonen, die schwarze Listen führen, nur noch in Notfällen medizinisch versorgt. Die Praxis ist umstritten. Zuletzt hat etwa der Kanton Graubünden die Liste wieder abgeschafft.
Nun verlangt der Nationalrat, dass die Kantone die Notfallbehandlungen umschreiben müssen. Am Mittwoch hat er eine Motion seiner Gesundheitskommission stillschweigend angenommen. Stimmt der Ständerat ebenfalls zu, kann der Bundesrat eine Gesetzesänderung ausarbeiten.
Konkret will die Kommission eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes. Die Definition des Notfallbegriffs soll sich an einem Urteil des St. Galler Versicherungsgerichts orientieren.
Urteil seit Juni rechtskräftig
Gemeint ist ein Urteil vom letzten April. Es ging darin um eine Frau, die für eine Entbindung ins Spital musste. Weil sie zuvor ihre Prämien nicht bezahlt hatte und deswegen betrieben worden war, weigerte sich ihre Krankenkasse, die Kosten zu übernehmen. Das Kantonsspital wollte nicht auf der Rechnung sitzen bleiben und klagte gegen den Krankenversicherer.
Das Versicherungsgericht musste entscheiden, ob es sich bei der Entbindung um eine Notfallbehandlung gehandelt hatte. Der Krankenversicherer argumentierte, die Frau habe vor dem Geburtstermin vier Monate Zeit gehabt, ihre ausstehenden Prämien zu zahlen.
Notwendig und unaufschiebbar
In seinem im Internet veröffentlichten Urteil entschied das Versicherungsgericht, die Entbindung sei im Zeitpunkt des Eintritts ins Spital notwendig und unaufschiebbar gewesen. Es habe sich um eine Notfallbehandlung gehandelt. Auf den schwarzen Listen würden nicht nur zahlungsunwillige, sondern auch zahlungsunfähige Personen aufgeführt. Dem Eintrag gehe schliesslich eine erfolglose Betreibung voraus.
Grundsätzlich hielt das Gericht fest, eine zu enge Auslegung des Notfallbegriffs würde das Ziel der obligatorischen Krankenversicherung und damit die Gewährleistung einer umfassenden Grundversorgung für alle aushöhlen. In Fällen, «in denen Medizinalpersonen eine Beistandspflicht zukommt», sei deshalb von einer Notfallbehandlung auszugehen.
Die Klage des Kantonsspitals wurde gutgeheissen. Das Urteil ist seit Juni rechtskräftig.
St. Galler Regierung für Abschaffung
Neben dem Kanton St. Gallen führen momentan noch sechs weitere Kantone schwarze Listen: Aargau, Luzern, Schaffhausen, Thurgau, Tessin und Zug. Die übrigen Kantone haben das Instrument nie eingeführt oder es, wie zuletzt Graubünden, wieder abgeschafft.
In der Antwort auf einen Vorstoss hat sich die St. Galler Regierung für eine Abschaffung ausgesprochen. Der Vorstoss wurde allerdings in der Septembersession vom Kantonsrat nicht behandelt. Der Entscheid ist damit noch offen.