Kirchen-Asyl: Gesetzesbruch oder Hoffnungsschimmer?
Eine Mutter und ihr Kind, welche sich im Kirchen-Asyl befanden, wurden ausgeschafft. Die Zuflucht in die Kirche ist umstritten – und gesetzlich nicht geregelt.
Das Wichtigste in Kürze
- In Luzern wurde eine Mutter und ihre Tochter diese Woche nach Belgien ausgeschafft.
- Die beiden hatten zuvor in einer Luzerner Kirche Asyl erhalten.
- Allerdings ist Kirchen-Asyl nicht rechtskräftig.
Eine Mutter und ihre Tochter haben in der Luzernischen Pfarrei St. Leodegar Kirchen-Asyl erhalten. Dies, weil beide in ihrem Heimatland Tschetschenien schwer misshandelt wurden und eine Rückkehr eine tödliche Gefahr dargestellt hätte.
Die Katholische Kirche Luzern beheimatete Mutter und Kind in der Hoffnung auf ein nationales Asylverfahren. Letzten Dienstag änderte sich die Situation schlagartig. Beide wurden von der Kapo Luzern festgenommen und vom Migrationsamt direkt nach Belgien ausgeschafft.
Unverständnis seitens der Kirche, ein Brief an den Regierungsrat von Kantonsrat Urban Frye und Protestierende vor dem Polizeiposten: Der Fall schlägt hohe Wellen.
Schlupfloch Kirchen-Asyl?
Wenn alle Massnahmen versagt haben und keine rechtlichen Möglichkeiten mehr bestehen, kann die Kirche als letzte Instanz Asyl bieten. Dies jedoch äusserst selten und mit dem Ziel, doch noch ein nationales Asylverfahren zu prüfen.
Im vergangenen Mai wurden von der römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) Grundlagen erarbeitet, welche die Anwendung des Kirchen-Asyls beinhalten. Allerdings ist die Unterbringung nicht gesetzlich geregelt.
Laut der RKZ-Grundlagen ist das moderne Kirchen-Asyl gar eine Form von zivilem Ungehorsam. Und damit auch entsprechend umstritten. Dennoch sehen sich religiöse Häuser als Schutzort, was vielerorts auch von den Behörden akzeptiert wird. Jede Kirche kann unabhängig entscheiden, ob sie die Ausnahme anwenden möchte.
Daniel Kosch ist Generalsekretär des RKZ und kennt den Leitfaden für Kirchen-Asyl: «Über den Entscheid eines Kirchen-Asyls berät sich ein Team von mehreren involvierten Personen aus der Gemeinde.» Transparenz sei bei diesem Vorgehen das wichtigste. «Es geht nicht darum, dass sich Menschen in der Kirche verstecken oder untertauchen. Die Behörden müssen darüber informiert sein, wo sich die Betroffenen befinden.»
Die Katholische Kirche Stadt Luzern forderte einen sofortigen Stopp der Zwangsausschaffung und organisierte eine Mahnwache. Kirchenanhänger protestierten vor dem Polizeiposten in Luzern.
Unglückliches Ende für Fall Luzern
Für die Katholische Kirche der Stadt Luzern wurde Kirchen-Asyl zum ersten Mal angewendet, wie Mediensprecher Urban Schwegler sagt: «Mutter und Tochter haben in den Räumlichkeiten der Pfarrei gelebt. Mitarbeiter der Kirche sowie eine Gruppe von freiwilligen Helfern haben sich um ihre Angelegenheiten gekümmert.»
Seit der Ausschaffung am Dienstag befinden sich die Beiden nun in Belgien. Die Kirche behält den Kontakt bei und sieht die Situation als grossen Rückschlag für die Betroffenen. Immerhin: «Die Mutter hat die Möglichkeit bekommen, einen persönlichen Anwalt zu nehmen. Wir hoffen nun, dass das Asylgesuch in Belgien positiv behandelt wird.»
Was nun weiter mit Mutter und Tochter geschehen, liegt nicht mehr in den Händen der Kirche. Auch aus rechtlicher Sicht können keine Schritte eingeleitet werden.