Wenn der Teenager nicht mehr reden will

Nau Familie
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Bern,

Mit der Pubertät stehen Eltern vor grossen Herausforderungen. Nicht selten arten Gespräche in Streit aus. Doch was, wenn junge Erwachsene ganz dicht machen?

Teenager Mädchen vor Graffiti.
In der Pubertät streben die Kinder stark nach Autonomie. - Unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • Während der Pubertät streben Jugendliche nach Autonomie.
  • Eltern sind oft verzweifelt, da Jugendliche nicht zuhören mögen oder Regeln ignorieren.
  • Ein unsicheres Selbstgefühl macht Gespräche oft sehr explosiv.
  • Bei fortgeschrittenen Kommunikationsschwierigkeiten können Jugendliche dicht machen.

Kommen Kinder in die Pubertät, hat die traditionelle Erziehung plötzlich ausgedient.

Das Kind strebt so stark nach Autonomie, dass wir Eltern manchmal fast verzweifeln. Wie wir uns den Pubertierenden gegenüber ausdrücken, kommt sehr oft falsch an.

Und vermeintlich normale Unterhaltungen können schnell explosiv werden und auf beiden Seiten Wunden verursachen. Es bedeutet, dass Gesprächsformen und unser Verhalten den Jugendlichen gegenüber überdenkt werden müssen.

Es ist nicht einfach zuzuordnen, was die Jugendlichen von den Eltern erwarten: Einerseits möchten sie Autonomie und andererseits brauchen sie noch stark die elterlichen Strukturen und einen sicheren Hafen, wo sie sich wohl fühlen.

Wir leben während dieser Übergangsphase vom Kind zum Erwachsenen sozusagen in einer Ambivalenz.

Ein unsicheres Selbstwertgefühl und Baustelle im Kopf

Während der Pubertät haben wir mit einem Kind zu tun, welches von sich selbst ein unscharfes Selbstbild hat und das ständig Schwankungen unterworfen ist.

Selbst kleine Vorfälle kann die Selbstsicherheit so stark aus dem Gleichgewicht bringen, dass der tägliche Umgang mit ihm schnell verwirrend sein kann. An einem Tag strotzt das Kind vor Selbstüberschätzung, und am nächsten wird es von Selbstzweifeln geplagt.

Oder es ist besonders risikofreudig, ignoriert jegliche Regeln und ist impulsiv.

Teenager Junge der Video spielt.
Es ist nicht einfach zuzuordnen, was die Jugendlichen von den Eltern erwarten. - Pexels

Diese Ambivalenz wirkt sich direkt auf Gespräche aus: Während man einmal sehr gut mit dem Teenager reden kann, kommt es ein anderes Mal direkt zum Eklat wegen einer harmlosen Bemerkung.

Auch wir Erwachsenen kennen das. Gespräche sind nur befriedigend, solange sich dabei keiner im Selbstwertgefühl angegriffen fühlt.

Jugendliche können schon einfache Fragen falsch verstehen. Halte dir deswegen immer wieder vor Augen, dass es nicht das Kind ist, das von der Rolle ist, sondern das Gehirn, in welchem nicht alle Areale gleich arbeiten.

Das Gehirn gestaltet sich während der Pubertät um, Hormone bringen die einzelnen Bereiche zu unterschiedlicher Reifung. Da die unterschiedlichen Hirnregionen nicht im gleichen Tempo reifen, kommt es zur Veränderung des Auftretens.

Jugendliche lernen durch die Hirnreifung blitzschnell zu denken

Gehirnforschern zufolge entwickeln Jugendliche zu Beginn der Pubertät vor allem die Areale, welche für die Wahrnehmung, die Kontrolle der Bewegung, die Sprache und die Orientierung benötigt werden.

Die Reihenfolge der Veränderungen ist es, die das Verhalten der Pubertierenden noch sehr stark vom limbischen System abhängig machen. Das limbische System ist die Einheit im Gehirn, die Emotionen und Triebverhalten verarbeitet.

Kein Wunder also, dass Ihr Kind entweder jedes Wort auf die Goldwaage legt (weil es sich im Selbstwertgefühl angegriffen fühlt) oder selbst in sachlichen Gesprächen impulsiv reagiert.

Was, wenn Pubertierende plötzlich dicht machen?

In vielen Familien ist es ein grosser Schock, wenn das süsse Kind plötzlich muffig auf alle Situationen reagiert , sogar auf das, was man ihm zuliebe tun möchte.

Oft reagiert man auf das Verhalten der Pubertierenden mit Sanktionen, um eine Änderung zu erzielen. Doch schnell wird deutlich, dass dies eher die Situation verschlechtert.

Vater und Sohn im Wohnzimmer.
Oft reagieren die Eltern mit Sanktionen, die das Verhalten des Pubertierenden ändern sollten. - Pexels

Emotional geladene Gespräche und Streit sind dann an der Tagesordnung. Es ist wie ein Teufelskreis, bis das Kind völlig zumacht.

Wie kommt man dann weiter?

Oft ist es die gefühlte Bevormundung, die einen Teenager dazu bringt dicht zu machen. Grenzen zu setzen wird zur Gratwanderung.

Manche Eltern meinen es gut und lassen daraufhin Grenzen weg, doch auch dies kann schädlich wirken. Denn im Innersten suchen Jugendliche strukturelle Bezugspunkte: Eltern sind gefordert ihre Beziehung zum Kind neu aufzubauen, und zwar durch Begleitung statt Bevormundung.

Dabei ist es wichtig, zeigen zu können, dass man sein Kind mag. Gegenüber Jugendlichen, die dicht gemacht haben, muss folgendes klar vermittelt werden:

«Du bist für mich ein wertvoller und liebenswerter Mensch, ich liebe dich. Selbst dann, wenn ich vereinzelt deine Verhaltensweisen kritisiere.»

«Ich interessiere mich für das, was du denkst und sagst. Gerne möchte ich deine Meinung hören. Selbst wenn ich eine andere habe. Es ist nämlich nicht so, dass man immer gleicher Meinung sein muss.»

«Ab sofort werde ich mich achten, dein Selbstbestimmungsrecht zu wahren. Es kann mir schwerfallen, da ich dich eigentlich beschützen möchte.»

Wir Eltern entdecken uns neu, wenn wir versuchen die oberen Punkte einzuhalten und den Jugendlichen zu übermitteln.

Teenager Mädchen auf der Strasse.
Die Beziehung zum Teenager muss neu aufgebaut werden. - Unsplash

Am allerwichtigsten ist es, dem Gegenüber zuzuhören. Nicht selten sind unsere Gespräche mit Jugendlichen wie Interviews statt Dialoge.

Man muss sich viel Zeit einrechnen um dem gekränkten Gegenüber zu zeigen, dass man offen ist für Gespräche. Reden geht nicht immer. Es bringt nichts, darauf zu insistieren.

Genau so oft kann es vorkommen, dass dein pubertierendes Kind Redebedarf hat, wenn du gerade beschäftigt bist. Sei vorsichtig und erkläre ihm, dass du gerne zuhörst, doch momentan gerade mit etwas anderem beschäftigt bist.

Leider kommt auch dies nicht immer gut an und das Kind dampft ab mit der Meinung, du hättest nie Zeit, wenn es dich brauche.

Aktives Zuhören will gelernt sein

Du hörst deinem Kind gerne zu, aber es merkt es nicht? Halte dir den Spiegel vor und beobachte, ob du deinem Kind auch genau das signalisierst.

Ist Augenkontakt vorhanden? Zeigst du Interessen für seine Gefühle?

Vielleicht hilft am Schluss auch deine eigene Zusammenfassung von dem, was es dir gesagt hat, damit du mit dem Kind keine Missverständnisse hast.

Versuche, dich deinem Kind zu widmen – schenke ihm Zeit

Sei dir bewusst, dass das Kind während der Pubertät nicht so schnell begeisterungsfähig ist wie du.

Forscher vermuten einen physischen Grund im Zusammenhang mit dem Glückshormon Dopamin, von dem Jugendliche weniger haben als Erwachsene. Versuche deswegen sachte etwas vorzuschlagen – und bleibe geduldig.

Sie könnten zum Beispiel zeitliche Inseln schaffen, während denen man miteinander reden kann. Vielleicht kann das jeweils ein Apéro am Wochenende sein, bei dem das pubertierende Kind unter Umständen sogar mit vorbereiten mag?

Andere Möglichkeiten, die auch einen Teil der Kommunikation erleichtern können, sind WhatsApp-Familiengruppen oder gemeinsame Unternehmungen. Meine Tochter schlägt jeweils eine Halma-Runde vor.

Jede Familie macht schwierige Zeiten durch

Der Prozess der Veränderung durch die Pubertät ist ein längerer Weg. Einige Jugendliche sind weniger impulsiv oder empathischer als andere, aber praktisch in allen Familien gibt es Momente, wo die Eltern nicht weiterwissen.

Meine beste Erfahrung mache ich durch Gespräche mit anderen Betroffenen. Ich bekomme mit, wie auch andere Familien an ihre Grenzen stossen.

Ich sollte mit mir und meinen Jugendlichen nicht so streng sein. Alles braucht Zeit: Zeit sich zu sammeln, Zeit sich anzupassen, Zeit etwas zu verändern oder einfach Zeit etwas auszustehen.

Kommst du mit deiner Situation jedoch gar nicht mehr zurecht, so ist es besser, wenn du dir Hilfe holst.

Es gibt verschiedene Formen von Beratungsangeboten. Hilfe zu holen braucht keine Schuldzuweisung. Weder dir, noch dem Kind gegenüber. Im Gegenteil: Du liebst dein Kind und versuchst nur das Beste zu tun.

***

Beitrag verfasst von der Bloggerin «MOMof4 ».

Die Autorin.
Bloggerin «MOMof4». - zVg

Als 4-fach Mama und Working Mom erlebe ich täglich den Spagat zwischen Familie und Beruf. Daneben hinaus kämpfen wir uns nach einem Schicksalsschlag zurück ins Leben. Auf meinem Blog teile ich meine Freude fürs Mamasein und inspiriere durch Geschichten & Tipps der Grossfamilie.

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Im Rahmen der Serie Nau Familie teilen Blogger und Bloggerinnen ihre Erfahrungen, Tipps und Tricks als Eltern. Die Schreibenden sind Teil des Netzwerks Schweizer Familienblogs.

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