Binge Eating: Wenn man die Kontrolle über das Essen verliert
Binge Eating ist neben Anorexie und Bulimie eine der häufigsten Essstörungen. Dabei verlieren Betroffene die Kontrolle über die Mengen, die sie essen.
Das Wichtigste in Kürze
- Beim Binge Eating werden anfallsartig grosse Mengen Lebensmittel gegessen.
- Anders als bei der Bulimie wird das Essen nicht erbrochen.
- Durch die ständige Kalorienaufnahme kommt es zu Übergewicht und Adipositas.
Jeder hat ab und zu einmal eine Heisshungerattacken. Oft geht sie mit Streit und Stress einher. Da wird dann die Schublade mit Süssigkeiten leergeräumt oder alles, was der Kühlschrank hergibt, weggefuttert.
Wenn dieses Verhalten regelmässig auftritt, liegt eine Esstörung vor. In der Medizin ist dann von Binge Eating die Rede.
Die Abgrenzung von Binge Eating
Das englische Verb «to binge» beschreibt unkontrollierten Konsum. So heisst das hierzulande als Komasaufen bekannte Phänomen auf Englisch «binge drinking».
In den letzten Jahren ist das «binge watching» hinzukommen: Menschen verbringen das ganze Wochenende auf dem Sofa, um eine komplette Fernsehserie auf Netflix zu sehen.
«Binge eating» meint der übermässige Konsum von Nahrungsmitteln. Hier wird aus dem gelegentlichen Kontrollverlust schnell eine Essstörung.
Die meisten Essstörungen hängen heute mit einem verzerrten Schönheitsideal und oft Mobbing zusammen. Jugendliche möchten um jeden Preis schlank sein und dicke Kinder sind häufig Mobbingopfer.
In diesen Fällen wird Essen als negativ betrachtet. Bei Anorexie wird es komplett vermieden, bei Bulimie wird es anfallsartig konsumiert und wieder erbrochen.
Männer fast so häufig betroffen wie Frauen
In beiden Fällen sind Betroffene untergewichtig. Binge Eating führt dagegen zu Übergewicht. Denn die konsumierten Kalorien werden nicht durch Erbrechen oder exzessiven Sport wieder zwanghaft verbrannt.
Seit 1994 gilt Binge Eating als eigenständiges Krankheitsbild.
Interessant dabei: Bei anderen Essstörungen sind Frauen mit Abstand häufiger betroffen. Sie leiden stärker unter dem Druck (oder eingebildeten Druck), «schlank» sein zu müssen.
Vom Binge Eating sind Männer jedoch fast genauso häufig betroffen.
Auch tritt Binge Eating meist später auf als andere Essstörungen. Besonders häufig sind junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren betroffen.
Die Ursachen sind vielfältig. Oft steckt ein geringes Selbstwertgefühl dahinter.
Die Nahrung dient als Seelentröster. Auch Depressionen und unbewältigte Traumata aus der Kindheit können zu dieser Essstörung führen.
Binge Eating als Problem erkennen
Die Entwicklung von Binge Eating als Essstörung ist schleichend. Oft beginnt es harmlos mit gelegentlichen Heisshungeranfällen. Für diese wird gerne eine Entschuldigung gefunden: Ein schlechter Tag im Büro, Stress mit dem Freund oder die Menstruation.
Nach einer Weile nimmt die Frequenz der Essanfälle jedoch zu. Die Familie bemerkt dies oft nicht, da der Konsum heimlich erfolgt. Kinder und Jugendliche nehmen grössere Mengen Lebensmittel mit ihr Zimmer oder horten es dort sogar.
Bei Erwachsenen wird der Kontrollverlust noch weniger bemerkt, bzw. von Mitbewohnern oft nicht ernst genommen. Es liegt bei den Betroffenen selbst, ihr Essverhalten als problematisch zu erkennen und Hilfe zu suchen.
Binge Eating als klinische Diagnose
Der erste Weg sollte zum Hausarzt führen. Dieser wird zunächst feststellen, ob überhaupt eine klinische Essstörung vorliegt.
Typische Symptome für Binge Eating sind beispielsweise viel zu schnelles, unkontrolliertes Essen und das Essen «bis zum Anschlag».
Das anschliessende Völlegefühl verursacht dann meist Scham und Ekel. Ausserdem müssen die Anfälle über mindestens drei Monate einmal pro Woche auftreten.
Binge Eating wird von anderen Essstörungen wie Bulimie dadurch abgegrenzt, dass Betroffene ihr Verhalten nicht zu kompensieren versuchen. Das heisst, sie erbrechen die konsumierten Lebensmittel nicht und lassen keine Mahlzeiten ausfallen.
Auch Sport spielt für sie in der Regel kaum eine Rolle. Darum sind Binge Eater entsprechend übergewichtig und oft fettleibig.
Nur langfristige Therapie hilft
Übergewicht und Adipositas führen zu zahlreichen Folgekrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Arteriosklerose. Dazu ist Binge Eating meist ein Teufelskreis: Betroffene schämen sich für ihr Gewicht und leiden darunter.
Ein spöttischer Kommentar in de Öffentlichkeit genügt oft schon, einen neuen Fressanfall auszulösen. Dadurch steigert sich wiederum das Schamgefühl und der Ekel vor sich selbst.
Um den Teufelskreis zu durchbrechen, ist darum ein doppelter Ansatz notwendig: Zum einen muss das körperliche Gewicht auf gesunde Weise durch eine langfristig angelegte Diät reduziert werden.
Zum anderen müssen die psychischen Ursachen der Essstörung behandelt werden. Bewährt haben sich verschiedene psychologische Ansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie und die interpersonelle Therapie.