So erkennen Sie ein gutes Olivenöl
Die Auswahl an Olivenöl ist riesig. Doch ist nicht alles Gold, was als Spitzenqualität gilt. Fachleute erklären, worauf es beim Olivenöl ankommt.
Das Wichtigste in Kürze
- Olivenöl «nativ extra» steht für einwandfrei gewonnenes Öl – oft ein Etikettenschwindel.
- Im Kommen sind Öle aus regionaltypischen Oliven und innovativer Ölmühlenverarbeitung.
- Wer es genau wissen will, übt im Tasting Geruchs- und Geschmackssinn.
Conrad Bölicke will Olivenöl aus der «Fettecke» holen. «Wir vergleichen die Gewinnung des Öls eher mit der Kunst des Winzers», sagt der Gründer der Olivenölkampagne ArteFakt aus dem deutschen Wilstedt.
Für die Olivenölexpertin und Buchautorin Michaela Bogner war das Öl noch nie so gut wie heute. Beim Kauf fühlen sich viele jedoch überfordert.
Die Auswahl ist riesig und der Begriff «nativ extra» steht inflationär auf fast allen Flaschen. Woran soll man sich beim Einkauf also orientieren?
Leider sei die Qualität weder am Etikett noch am Preis zu erkennen, sagen die Expertin und der Experte gleichermassen. Top-Qualität lasse sich nur an Geruch und Geschmack erkennen.
Reines Naturprodukt oder industrielle Massenware?
Olivenöl wird in verschiedene Güteklassen eingeteilt. Die höchste Stufe «nativ extra» sollte Ölen vorbehalten sein, die einwandfrei riechen, schmecken und ein Mindestmass an Fruchtigkeit haben.
Darüber hinaus gibt es «natives Olivenöl» mit leichten Fehlnoten und «Olivenöl».
Letzteres ist ein Verschnitt aus sensorisch stark fehlerhaftem Öl, das raffiniert werden muss, mit einem kleinen Anteil an nativem Öl. Durch das Raffinieren wird das Öl zwar geschmacksneutral, verliert aber seine ernährungsphysiologisch wertvollen bioaktiven Substanzen.
«Nativ» steht für die Gewinnung mit ausschliesslich mechanischen Verfahren und ohne Wärmebehandlung.
Der grösste Bereich bei nativem Olivenöl extra sei heutzutage Etikettenschwindel, kritisieren Fachleute.
«Die EU-Olivenverordnung etwa ist aus den 90er-Jahren und hat sehr industriefreundliche chemisch-analytische Werte», sagt Bogner, Autorin des Buches «SuperOlio».
Viele der Grenzwerte seien zu lasch, moniert auch Conrad Bölicke. Ein Olivenöl, das mehr als 0,4 Prozent freie Fettsäuren aufweist, sei nie frei von Fehlaromen. Bei der Spitzenklasse sind aber bis zu 0,8 Prozent erlaubt.
Eine neue Generation von Produzenten verarbeite regionaltypische Oliven mit innovativer Ölmühlentechnologie zu hocharomatischen Ölen, erzählt Michaela Bogner.
Allein in Italien gebe es 540 alteingesessene Olivensorten, aber erst aus 100 werde Öl gewonnen.
Die Fachfrau ist Fürsprecherin einer neuen Olivenöl-Kategorie, die sie – wie ihr Buch – «SuperOlio» nennt:
«Heute stecken Öle von Spitzenproduzenten in der gleichen Warenkategorie wie die industrieller Abfüller. Aber zwischen diesen Ölen liegen Welten, was der Konsument am Etikett nicht erkennen kann. Das ist ein grosses Problem.»
Qualität zu erkennen, bedarf Wissen und Übung
Dafür benötige man wie beim Wein eine ganze Reihe verlässlicher Informationen, bis hin zum einzelnen Erzeuger, den Lagen und Olivensorten, sagt Conrad Bölicke. Und man sollte Wichtiges über das Öl wissen.
Es handelt sich überwiegend um ein Frucht-, und nicht um ein Kern- oder Samenöl, erklärt er.
Neben mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Olivenkern wandeln Oliven während des Reifungsprozesses Fruchtzucker in einfach ungesättigte Fettsäuren um.
Vor allem Letztere mit etwa Polyphenolen und Vitamin E sind der Grund, warum Olivenöl als gesund gilt.
Um Qualität erkennen zu können, empfiehlt sich für Einsteiger eine begleitete Degustation. Man schärft Geruchs- und Geschmackssinn und lernt, wie fehlerfreies, reintöniges Olivenöl tatsächlich riecht und schmeckt.
Bei ihren Online-Tastings weisen Jörn Gutowski von Try Foods aus Berlin oder Michaela Bogner zu Beginn darauf hin: Schlürfen ist erwünscht!
Nach dem Riechen zieht man einen kleinen Schluck mit viel Sauerstoff in den Mund. Dabei entsteht ein schlürfendes, schmatzendes Geräusch.
Beim Schlucken nicht erschrecken, wenn sich in Mund und Rachen Bitternoten und pfeffrige Schärfe ausbreiten.