Fleisch aus dem Labor: Das sind die Risiken und Nachteile
Fleisch aus dem Labor hat als Alternative zu Fleisch aus konventioneller Haltung viele Vorteile – aber nicht nur. Denn mit jeder Innovation kommen auch Risiken.
Das Wichtigste in Kürze
- Fleisch aus dem Labor stellt eine Alternative zu herkömmlichem Fleisch dar.
- Die Herstellung ist allerdings sehr energieintensiv, was die Nachhaltigkeit schmälert.
- Es gibt ethische Bedenken zu den Auswirkungen auf Mensch und Tier.
- Es gibt noch nicht genügend Studien zu den gesundheitlichen Folgen von Laborfleisch.
Wie könnte unsere Ernährung nachhaltiger gestaltet werden? Und zwar so, dass eine wachsende Anzahl an Menschen gut ernährt werden kann, ohne die Umwelt zu stark zu belasten?
Eine grosse Herausforderung dabei ist, die Versorgung mit Proteinen nachhaltiger zu gestalten. Tiere als Hauptquelle für Eiweiss zu nutzen, ist nicht nur ineffizient, sondern hat auch gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. Aber es gibt Alternativen. Dazu zählen Proteine aus Pflanzen, wie Soja, Erbsen, Lupinen oder Weizen, aus denen Fleisch- und Milchalternativen gewonnen werden können.
Eine weitere Möglichkeit ist, Fleisch im Labor zu züchten. Geschmack, Konsistenz und Nährwerte sind identisch mit Fleisch, denn das sogenannte kultivierte oder zelluläre Fleisch basiert auf echten tierischen Zellen. In einer Laborkultur werden diese zu fleischähnlichem Gewebe herangezüchtet.
Diese Technologie wird von einigen als die beste Lösung für die Probleme der konventionellen Fleischproduktion angesehen. Darüber habe ich im letzten Artikel berichtet. Aber es gibt auch Bedenken und Risiken, die es zu beachten gilt.
Hoher Aufwand und Kosten
Einer der Hauptnachteile von kultiviertem Fleisch ist der hohe technologische Aufwand und die Kosten. Die Produktion erfordert spezialisierte Laborausrüstung und komplexe Prozesse, die mit hohen Investitionen verbunden sind. Um genügend Fleisch für den Massenmarkt herzustellen, ist diese Technologie im Moment noch zu teuer.
Der hohe technologische Aufwand ist auch der Grund, weshalb die Fleischgewinnung nicht so nachhaltig ist, wie zunächst gedacht.
In einer Lebenszyklus-Analyse rechneten Forschende der University of California in Davis (UC Davis) detaillierter als je zuvor den Energiebedarf aller Herstellungsschritte bis zum fertigen Produkt aus. Das Resultat: Laborfleisch könnte weit weniger umweltfreundlich sein als angenommen.
Zwar braucht Fleisch aus dem Labor deutlich weniger Landressourcen und Wasser, hat dafür aber einen sehr hohen Energieverbrauch. Besonders die Nährflüssigkeit, die für das Wachstum der Zellen notwendig ist, schneidet schlecht ab. Das kommt daher, dass alle Bestandteile und Zutaten in «pharmazeutischer Qualität» gereinigt werden müssen, um eine Verunreinigung durch Bakterien und Giftstoffe auszuschliessen.
Die Forscher empfehlen deshalb, dass energieeffizientere Produktionsverfahren entwickelt werden müssen, damit das Laborfleisch eine echte umweltfreundliche Alternative wird.
Ethische Bedenken
Auch ethische Bedenken werden bei der Herstellung von kultiviertem Fleisch diskutiert. Diese Methode verursacht klar weniger Tierleid als die konventionelle Fleischproduktion.
Doch die Entnahme tierischer Zellen kann immer noch mit Stress und Unbehagen für die Tiere verbunden sein. Noch ist die Produktion nicht für den Massenmarkt bereit und es werden nur wenige Tiere für die Zellentnahme benötigt. Bei einer grösseren Produktion würde sich das wieder ändern.
Hier schneiden andere Verfahren besser ab: Fleischalternativen aus Pflanzen oder die Technik der Präzisionsfermentation kommen ohne Tiere aus.
Auch wenn durch die Herstellung von Fleisch im Labor keine Tiere für unseren Konsum getötet werden müssen, lohnt es sich, das Wohl der Tiere in die ethischen Bedenken einzubeziehen.
Auswirkungen für die Landwirtschaft
Wenn es möglich wird, Fleisch im Labor in grossen Mengen zu produzieren, könnte das theoretisch das Ende der konventionellen tierischen Landwirtschaft bedeuten.
Dies würde auch zu einem Verlust von Lebensgrundlagen und Tausenden von Arbeitsplätzen führen. Nicht alle Landwirte werden auf Obst- und Gemüseanbau umstellen können (oder wollen) oder einen Gnadenhof für die verbliebenen Tiere einrichten. Auch können nicht alle ehemaligen Beschäftigte der tierischen Landwirtschaft plötzlich im Fleisch-Labor arbeiten.
Die Frage, welche Alternative diesen Menschen geboten werden kann, ist noch nicht geklärt.
Gesundheit der Menschen
Obwohl die Technologie darauf abzielt, eine sichere und kontrollierte Fleischproduktion zu ermöglichen, fehlt es noch an Langzeitstudien über die Auswirkungen des Konsums von Laborfleisch auf die menschliche Gesundheit.
Die bisherige Forschung legt nahe, dass kultiviertes Fleisch möglicherweise eine potenziell geringere Belastung mit Mikroorganismen, Antibiotika und Hormonen hat. Noch nicht geklärt ist jedoch, ob kultiviertes Fleisch ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs darstellt, wie es laut WHO für rotes und stark verarbeitetes Fleisch aus konventioneller Herstellung gilt.
Akzeptanz von kultiviertem Fleisch
Noch ist offen, ob kultiviertes Fleisch von der Mehrheit der Konsumenten akzeptiert werden wird. Die Vorstellung, Fleisch aus dem Labor zu essen, klingt für manche eher nach Frankenstein als nach nachhaltigem Genuss.
Obwohl einige Menschen offen sind für diese neue Technologie, wird die breite Akzeptanz wahrscheinlich viel Zeit beanspruchen. Angesichts der drängenden Umweltprobleme vielleicht zu viel Zeit. Fleischalternativen, die aus Pflanzen oder mittels Fermentation gewonnen werden, könnten in diesem Fall effizienter sein, da sie in den Augen vieler «natürlicher» erscheinen.
Vorteile und Nachteile abwägen
Trotz der potenziellen Nachteile und Risiken birgt die Entwicklung von kultiviertem Fleisch auch Chancen. Es könnte dazu beitragen, den wachsenden weltweiten Bedarf an Fleisch zu decken, bei weniger Wasser- und Landverbrauch und ohne das Wohlergehen der Tiere stark zu belasten. Dafür ist es aber notwendig, dass kultiviertes Fleisch in Zukunft kostengünstiger und breiter zugänglich wird.
Auch der Dialog über die ethischen Auswirkungen von zellulärem Fleisch auf Menschen und Tiere muss dafür unbedingt weitergeführt werden.
Nau Vegan
Im Rahmen der Serie «Nau Vegan» schreibt Mirjam Walser Beiträge zum Thema Veganismus und die Zukunft der Ernährung. Als Gründerin der Vegan Business School und langjährige Veganerin ist sie Expertin für Veganismus und den veganen Markt.