Fleisch aus dem Labor: Wie sinnvoll ist es?
Vegane Fleischalternativen haben sich mittlerweile gut etabliert. Doch wie sieht es mit Fleisch aus dem Labor aus? Welche Chancen ergeben sich daraus?
Das Wichtigste in Kürze
- Kultiviertes Fleisch ist eine Alternative zu konventionellem Fleisch.
- Es hat das Potenzial, den Land- und Ressourcenverbrauch drastisch zu reduzieren.
- Auch wenn dafür noch Tiere verwendet werden, ist es eine Verbesserung für das Tierwohl.
- Das Risiko von Zoonosen und antibiotikaresistenten Bakterien kann gesenkt werden.
Fleisch aus dem Labor ist auch bekannt als kultiviertes Fleisch, In-vitro-Fleisch oder Zellkulturfleisch. Mithilfe einzelner Zellen von Tieren können Fleischstücke in kontrollierter Umgebung im Labor gezüchtet werden.
Für manche klingt das nach Frankenstein und gruseln sich vor einer Zukunft, in der wir Laborfleisch essen.
Diese Technologie hat allerdings das Potenzial, das Ernährungssystem grundlegend zum Positiven zu verändern: Fleischkonsum würde dadurch nachhaltiger, tierfreundlicher und könnte das Risiko für Infektionskrankheiten und Antibiotikaresistenz senken.
Chance Nachhaltigkeit
Kultiviertes Fleisch kann sich positiv auf die Umwelt auswirkugen. Es erfordert weniger Land und könnte den Ausstoss von Treibhausgasen, die mit der Viehzucht verbunden sind, verringern.
Laut einer Studie, die im Fachmagazin «Environmental Science & Technology» könnte Laborfleisch den Landverbrauch um bis zu 99 Prozent reduzieren. Herkömmliche Tierhaltung erfordert grosse Flächen für Weiden, Futtermittelanbau und Tierhaltung. Kultiviertes Fleisch benötigt nur einen Bruchteil der Fläche.
Diese freigewordene Fläche könnte teilweise dazu verwendet werden, um Nahrung für Menschen anzubauen.
Hinsichtlich der Reduzierung der Treibhausgase ist die Studienlage nicht eindeutig. Einige Modelle gehen von einer drastischen Reduzierung aus. Andere Berechnungen kommen hingegen zum Schluss, dass Laborfleisch nur bei der Herstellung von Rindfleisch einen geringeren Ausstoss hat.
Einige Produktionsschritte bei kultiviertem Fleisch sind sehr energieintensiv. Damit die Herstellung tatsächlich zu einer Reduktion der Treibhausgase führt, müssen diese noch weiter optimiert werden.
Bei den Zahlen zur Nachhaltigkeit muss deshalb angemerkt werden: Die Umweltauswirkungen lassen sich zwar schätzen und modellieren, aber noch gibt es keine gesicherte Aussagen. Die effektive Umweltbilanz wird sich zeigen, wenn Laborfleisch in grösserer Menge produziert wird.
Chance Tierwohl
Unbestritten ist, dass die Tiere von einer Umstellung auf kultiviertes Fleisch profitieren würden. Da keine Tiere geschlachtet werden müssen, könnte kultiviertes Fleisch das Leiden von Tieren in der Lebensmittelproduktion verringern.
Um das zellbasierte Fleisch herzustellen, braucht es eine minimale Anzahl an Zellen von lebenden Tieren. Die Tiere müssen nach der Zellentnahme nicht geschlachtet werden, sondern können normal weiterleben.
Die niederländische Firma Mosa Meat verspricht, aus einer einzigen Zellprobe bis zu 10'000 Kilogramm Fleisch herstellen zu können. In der Schweiz liegt der Pro Kopf Konsum von Rindfleisch bei 11,56 Kilogramm. Dies verdeutlicht, dass durch zelluläres Fleisch massiv weniger Tiere benötigt werden, um den Konsum von Fleisch zu decken.
Es könnte zugleich eine Chance sein, den verbleibenden Tieren ein Leben zu bieten, das ihren natürlichen Verhaltensweisen und Bedürfnissen entspricht.
Da für die Produktion noch immer Tiere verwendet werden, ist dieses Fleisch nicht vegan. Dennoch unterstützen viele Veganer diese Entwicklung, da sie das Tierleid massiv reduzieren würde.
Chance Vermeidung von Krankheitserregern
Vogelgrippe, Schweinegrippe, Covid-19: In den letzten Jahren hat sich dramatisch gezeigt, dass von Tieren für den Menschen gefährliche Krankheitserreger ausgehen können. In einem Stall, in dem viele Tiere dicht gedrängt zusammenleben, übertragen sich Krankheiten schneller. Zoonosen – Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen überspringen können – sind eine reale Gefahr.
Die Produktion von Laborfleisch in einer kontrollierten Umgebung und ohne Massentierhaltung geschieht, scheint das Risiko hier geringer zu sein.
Der übermässige Einsatz von Antibiotika zur Förderung des Wachstums von Nutztieren ist in einigen Ländern weit verbreitet. Dies kann zur Entwicklung von antibiotikaresistenten Bakterienstämmen führen – eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit.
Jede Neuerung kommt mit Risiken
Noch ist diese Art von Fleisch erst in Singapur zugelassen. In den USA steht die Markteinführung bevor. In der Schweiz wird mit einer Zulassung im Jahr 2025 gerechnet. Das heisst, es fehlen noch relevante Daten, die erst gewonnen werden können, wenn Laborfleisch in grösseren Mengen produziert und verfügbar wird.
Und: Auch wenn diese technologische Neuerung eine grosse Chance ist, den Fleischkonsum nachhaltiger zu gestalten, gehen damit auch Risiken und Herausforderungen einher. Auf diese werde ich im nächsten Artikel eingehen.
Nau Vegan
Im Rahmen der Serie «Nau Vegan» schreibt Mirjam Walser Beiträge zum Thema Veganismus. Als Gründerin der Vegan Business School und langjährige Veganerin ist sie Expertin für Veganismus und den veganen Markt.