Früher Exorzismus, heute Therapie: Wege aus der Depression

Anne Stickel
Anne Stickel

Bern,

Was den einen der Teufel, ist den anderen der Stress: Depression ist seit Jahrhunderten als Phänomen bekannt. Verschieden sind die Namen – und Heilungsansätze.

Heilung Perspektive Weg
Manchmal am wichtigsten auf dem Weg einer Heilung: eine neue Perspektive. - Unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • Depression ist seit Jahrhunderten als Phänomen bekannt.
  • Trieb man im Mittelalter Dämonen aus, setzt man heute auf die Stärkung des Ich-Gefühls.

Auch wenn der Begriff sich eher neu anhört, Depression ist keine Krankheit der Moderne. Hippokrates sagt Ihnen was? Schon dieser berühmte griechische Arzt kannte Symptome, die wir heute der Depresison zuscheiben: Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit.

In der Ursachenbestimmung wie bei Heilungsansätzen liegen diese Dinge jedoch anders.

Dämonen mit Exorzismen verjagen

Im Mittelalter beispielsweise hielt man Depressionen für spirituelle oder religiöse Probleme. Also sah auch die Behandlung so aus. Betroffene wurden beispielsweise zu Pilgerreisen geschickt, um ihre Sünden zu bereuen, göttliche Vergebung zu erhalten und dadurch gesund zu werden – die Heilungsgeschichten der Evangelien lassen grüssen.

Wer gleich böse Geister und Dämonen für Depressioen verantwortlich machte, verschrieb Exorzismen oder Gebete. Geradezu harmlos demgegenüber erscheinen rudimentäre Praktiken wie der Aderlass oder Kräuterkuren.

Kirchenfenster Geschichten vielfältig bunt
Kirchenfenster können spannende Geschichten erzählen. Je bunter, desto vielfältiger. - Unsplash

Forschungsdurchbrüche in der Medizin wirkten sich dann ab dem 19. Jahrhundert auf die Diagnose und Behandlung deprimierter Menschen aus. Statt Gebeten wurden jetzt Medikamente verordnet, religiöse Verklärung von Opiaten abgelöst.

Heute setzt die Forschung auf genetische Veranlagungen und biochemische (Un-)Gleichgewichte als mögliche Ursachen.

Im Mittelpunkt steht jedoch, nach einst der Seele, heute die Psyche. Denn die ist vor allem in Industrieländern sehr oft krank. Die Depression ist heute eine der häufigsten Erkrankungen weltweit. Warum ist das so?

Fertig werden: ein unmögliches Vorhaben

Klare Antworten gibt es nicht, siehe oben. Mit Blick auf die Schweiz überlegen Experten: Es ist neben anderen der Leistungsdruck, der die Gesellschaft heute bestimmt.

Anders gesagt: All das, womit die Seele und die Psyche fertig werden müssen. Oder sollten. Denn da, wo es zum guten Ton gehört, sich zu überarbeiten oder wo Überstunden schlicht eingefordert werden, wo man ständig erreichbar ist oder sein muss, rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche, selbst in den Ferien: ist das mit dem Fertigwerden nicht so einfach.

Oder dem Kraft-holen. Oder überhaupt: Sich er-holen.

Wo kein Gott mehr erlöst, lautet die Rettung ...

Wie behandelt man einen Patienten, der unter Leistungsdruck leidet? Man stärkt die Abwehrkräfte, das Selbstbewusstsein, die Aufmerksamkeit, die Psyche als solche.

Früher hat man daran geglaubt, dass Gott den Teufel und das Böse überwinden, es austreiben kann. Es gab die Idee einer «Erlösung». Für sich selbst, aber auch für die «Welt», in der man lebte.

Heute scheint so eine Annahme veraltet bis naiv. Allerdings: Es wäre doch spannend, auch heute nicht nur das Ich-Gefühl zu erkunden, sondern auch das Wir-Gefühl. Die Welt, in der wir leben. Mehr als «positiv»: Nämlich lebenswert.

Kommentare

User #5905 (nicht angemeldet)

Vielleicht, weil Mutter und Vater ihren elterlichen Pflichten nicht nachkommen? Weil man sich scheut, Tatsachen zu erkennen und sich ihnen zu stellen? Da ist der Weg zum Psychologen doch viel einfacher, das Problem aber nicht gelöst.

User #4672 (nicht angemeldet)

Wenn man Depressionen hat, kann eine Therapie durchaus nützlich sein. Gibt aber immer wieder Menschen die nicht zu einer Therapie gehen, es lieber auf eigene Faust mit Tabletten bekämpfen wollen, und dann der Meinung sind "einen Tag die Tabletten nicht zu nehmen", kann es durchaus passieren "wie bei einer Bekannten von mir, mit der ich nicht mehr in Kontakt stehe" das die gleich für ein halbes Jahr in einer nicht ganz geschlossenen Therapie Einrichtung landen, weil die dann damit nicht fertig geworden sind einmal die Tabletten auszulassen. Sprecht mit eurem Umfeld über eure Sorgen, und fresst nicht alles in euch hinein.

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