Weiterbildung oder Studium: Welche Wahl verspricht höheres Gehalt?
Häufig wird angenommen, dass ein Hochschulstudium langfristig zu einem höheren Einkommen führt als eine duale Berufs- und Weiterbildung. Wie ist die Realität?
Das Wichtigste in Kürze
- Es existieren verschiedene Optionen für Ausbildungen. Doch welche ist wirkungsvoller?
- Deutsche Wissenschaftler haben sich intensiver mit dieser Fragestellung beschäftigt.
Eines Tages ein hohes Einkommen erzielen: Das ist ebenfalls ein Massstab, der viele junge Menschen bei der Berufswahl beeinflusst. Häufig wird angenommen, dass Absolventen eines Studiums höhere Einkommen erzielen als Nicht-Akademiker. Allerdings trifft das nur teilweise zu.
Ist eine Fortbildung sinnvoller als ein Studium?
Ein Blick auf die Daten der deutschen Bundesarbeitsagentur zeigt: Zum Stichtag 31. Dezember 2020 betrug das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Vollzeit mit akademischem Abschluss 5265 Euro. Für Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung lag dieser Wert bei 3300 Euro.
Aber: «Damit ist nicht gesagt, dass Menschen mit einem abgeschlossenen Studium immer besser verdienen.» Das stellt Matthias Hertle von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg klar.
Erhebliche Unterschiede: Luftfahrtingenieur im Vergleich zu Architektin
So sieht es auch Markus Kiss, Ausbildungsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. «Im Einzelfall kommt es ganz darauf an, welches Studium oder welche Aus- oder Weiterbildung man absolviert», sagt Kiss. Und längst nicht jeder oder jede mit einem Hochschulabschluss zählt eines Tages zu den Spitzenverdienern. Der sehr gute Verdienst etwa von Ärzten und Ingenieuren hebe den Gehaltsdurchschnitt bei den akademisch Qualifizierten deutlich.
Absolventinnen und Absolventen anderer Studiengänge rangierten teils erheblich darunter. Markus Kiss nennt ein Beispiel: «Erhält ein Ingenieur in Luft- und Raumfahrt ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von circa 5700 Euro brutto. So hat eine Architektin oder ein Architekt zu Beginn ihres Arbeitslebens im Schnitt lediglich 3500 Euro auf dem Gehaltszettel.»
Einkommenssteigerungen nach der Ausbildung
Einen Vorteil hat, wer mit einer Ausbildung ins Berufsleben startet, sich im Job eine Weiterbildung gönnt und zusätzliche Qualifikationen erwirbt. Der kann etwa eines Tages «in Betrieben und Einrichtungen durchaus eine herausgehobene Position einnehmen», wie Matthias Hertle sagt. Das könne eine Lohnentwicklung mit sich bringen. Das könne so weit führen, dass das Gehalt schliesslich höher liege als das Gehalt vieler Menschen mit Hochschulabschluss.
Ein Vorteil bei einer Aus- und Weiterbildung: Junge Menschen beziehen – im Gegensatz zu vielen Studierenden – frühzeitig eine Vergütung in Form eines festen Gehalts. «Im Baugewerbe beispielsweise gibt es bis zu 1400 Euro brutto im dritten Ausbildungsjahr», sagt Markus Kiss.
Finanzielle Vorteile durch eine berufliche Ausbildung
Studierende dagegen müssen ihr Studium selbst finanzieren oder sind auf Bafög angewiesen. Viele Akademikerinnen und Akademiker fangen erst mit Mitte oder Ende 20 an zu arbeiten. Menschen mit einer dualen Ausbildung verfügen da bereits über einen deutlichen finanziellen Vorsprung. «Vielen mit Hochschulabschluss gelingt es häufig erst zum Ende ihres Arbeitslebens, diese Lücke zu schliessen», so Kiss.
Allerdings gibt es auch Berufe mit schulischer Ausbildung, die längst nicht immer vergütet werden. Gegebenenfalls fallen sogar Lehrgangsgebühren an. «Unter bestimmten Voraussetzungen können die Azubis in solchen Fällen Bafög beantragen», sagt Matthias Hertle.
Die Gehälter nach Ausbildung sind oft höher als erwartet
Abgesehen davon ist das Einstiegsgehalt von ausgebildeten Fachkräften oft höher als angenommen: Bankkaufleute etwa können nach ihrer Berufsausbildung und je nach Unternehmen mit einem Gehalt von bis 3400 Euro brutto rechnen.
Fluggerätemechanikerinnen und Mechaniker verdienen bereits am Anfang ihres Berufslebens um die 3100 Euro. «Das sind alles Einstiegsgehälter, mit kontinuierlicher Weiterbildung kann es auch zu Einkommenszuwächsen kommen», sagt Matthias Hertle.
Ein ausgelernter Industriemechaniker erhalt laut Markus Kiss zu Beginn seines Berufslebens rund 2600 Euro brutto im Monat. Mit einer anschliessenden Qualifizierung der Höheren Berufsbildung würden dann monatliche Einstiegsgehälter von bis zu 4400 Euro brutto erzielt.
Eine berufliche Aus- und Weiterbildung kann sich lohnen
Fazit: Bei der Wahl eines Ausbildungsberufs oder Studiengangs kommt es natürlich auf die eigenen Vorlieben und Neigungen an. Ein Studium ist aber nicht automatisch Garant dafür, später viel Geld oder mehr als mit einer beruflichen Ausbildung zu verdienen.
«Auch beim Thema Jobchancen und Arbeitsplatzsicherheit haben Hochschulabsolventinnen und -absolventen nicht unbedingt die besseren Karten», sagt Markus Kiss. Zuletzt lag ihm zufolge die Arbeitslosenquote von akademisch Gebildeten bei 2,0 Prozent. Bei Fachkräften, die sich nach ihrer Berufsausbildung zum Meister oder Techniker weiterqualifiziert haben, habe die Arbeitslosenquote hingegen 1,2 Prozent betragen. «Der Karriereweg über die Berufliche Bildung kann unterm Strich also eine lohnende Alternative zum Studium sein.»
Laut DIHK haben Akademiker sowie Menschen mit einer abgeschlossenen Höheren Berufsbildung am Ende ihres Erwerbslebens durchschnittlich etwa gleich viel verdient: Rund 1,4 Millionen Euro brutto.