Warum riechen Menschen, die sterben, eigentlich anders?
«Irgendwann muss jeder sterben»: Sie und ich auch. Dass Sie Ihr Deo dann nicht mehr auftragen, gehört dazu. Dass Sie nicht nur nach Schweiss riechen, aber auch.
Das Wichtigste in Kürze
- Während des Sterbeprozesses sind in unserem Körper Bakterien am Werk.
- Sie bauen Gewebe ab, dabei entstehen besondere chemische Verbindungen.
- Deren Geruch bringen wir mit Tod in Verbindung: Sterbende riechen deshalb anders.
Kürzlich im Krankenhaus. Sie sitzen am Bett des geliebten Menschen. Das Fenster ist leicht geöffnet, die milde Frühlingsluft lässt einen Hauch von neuem Leben ins Zimmer.
Auf einmal spüren Sie einen Duft darin, den Sie nicht zuordnen können. Oder mehr noch als ein Duft, ist es eher ein Geruch. Leicht süsslich. Leicht modrig. Sie gehen ans Fenster und halten Ausschau: eine Pflanze, die Sie nicht kennen?, eine zu nasse Erde, ein Stück Holz, das zu viel Winter in sich trägt?
Als Sie sich wieder ans Bett begeben, merken Sie: Der Geruch kommt gar nicht von aussen. Er kommt von hier – von diesem Menschen. Was ist da los?
Andere «nicht riechen» können
Man braucht nicht «Das Parfüm» zu lesen, um zu wissen, dass Menschen sowohl duften als auch riechen (oder schlecht riechen) können, man selbst manchmal andere einfach «nicht riechen» kann.
Erinnern Sie sich an Ihren Kollegen nach der letzten durchzechten Nacht oder daran, wie Ihr Urin im Anschluss an das Spargelbankett riecht.
Oder Schweiss, der an sich geruchslos ist, allein durchs Mitmischen von Bakterien auf unserer Haut leichten bis penetrant-unausstehlichen Geruch annimmt.
Ähnliches passiert beim Sterben. Nur wird der Geruch beim Sterben nicht durch äussere Bakterien verursacht, wie es beim normalen Körpergeruch der Fall ist. Vielmehr entsteht er durch Bakterien, die innerhalb unseres Körpers ihre Arbeit aufnehmen.
Was passiert beim Sterben?
Mit Ausnahme plötzlicher Tode wie einem Herzinfarkt oder einem Unfall ist Sterben in der Regel ein längerer Prozess. Während dieses Sterbeprozesses verlangsamt sich der Stoffwechsel – vielleicht, weil das Herz langsam müde wird, die Lunge nicht mehr kann oder die erste Niere den Dienst einstellt.
Weil ihnen Sauer- oder Nährstoffe fehlen, arbeiten die Zellen nicht mehr effektiv, sondern schlecht bis langsam. Davon ist auch das Immunsystem betroffen, körpereigene Abwehrmechanismen fahren runter.
Dadurch können Bakterien und andere Mikroorganismen im Körper aktiv werden. Sie beginnen damit, Gewebe abzubauen. Und genau dieser Abbau von Gewebe führt zur Freisetzung bestimmter chemischer Verbindungen, die diesen charakteristischen Geruch des Sterbens erzeugen: süsslich, modrig oder gar metallisch.
Öle, Kerzen und der Mensch
Verhindern kann man diesen Geruch nicht. Wer ihm als Angehöriger länger ausgesetzt ist und damit nur schwer umgehen kann, der kann, ausser das Fenster zu öffnen, zum Beispiel auf ätherische Öle wie Lavendel, Rosmarin oder Zitrone setzen, als Raumduft oder Spray.
Manchen Menschen tun Kerzen gut, und als Duftkerzen vermitteln sie nicht nur Ruhe für die Seele, sondern auch der Nase. Wichtiger als der Geruch aber sollte der Mensch sein, dem Sie jetzt nahe sind.
Das sind Ihre letzten gemeinsamen Momente. Nehmen Sie die ganz deutlich in sich auf. Dann kann der Geruch auch zu einer wichtigen Erinnerung für Sie werden – schliesslich ist es das Leben selbst, das hier geht.