Mehr als jedes zweite Kind in der Schweiz erlebt Gewalt
Die Universität Freiburg hat Schweizer Eltern gefragt, wie oft sie ihren Kindern eine Ohrfeige oder Hausarrest verpassen. Die Tendenz: Oft.
Das Wichtigste in Kürze
- 44 Prozent der Schweizer Eltern haben gegenüber ihren Kindern physische Gewalt angewendet.
- Psychische Gewalt wenden gar deren 69 Prozent der Eltern an.
- Eine Kampagne der Stiftung Kinderschutz Schweiz will Alternativen aufzeigen.
«Ein Klapps auf den Po hat noch keinem Kind geschadet», oder «es muss halt manchmal sein» – das sind Aussagen, die in der Schweizer Gesellschaft keinen Aufschrei provozieren. Kein Wunder: Eine repräsentative Studie der Universität Freiburg hat ergeben, dass knapp die Hälfte – deren 44.4 Prozent – aller Schweizer Eltern physische Gewalt anwenden, wenn ihre Kinder nicht gehorchen. Dazu gehört, den Nachwuchs an den Haaren zu ziehen, ihn eine Ohrfeige oder einen Schlag auf den Po zu verpassen. Auch kalt abgeduscht werden die kleinen Regelbrecher zuweilen.
Bei jedem 20. Elternpaar sind die Ohrfeigen und Klapse keine Ausrutscher in verzweifelten Situationen, sondern die Norm. 5.8 Prozent der befragten Eltern gaben an, körperliche Gewalt häufig einzusetzen. Befragt wurden die Eltern von Kindern zwischen einem und 15 Jahren.
Liebesentzug und Hausarrest
Doch nicht alle Eltern ziehen an den Haaren oder verteilen Ohrfeigen. Viel öfter wird psychische Gewalt angewendet. Hält der Junior sich nicht an die Regeln, heisst es oft «geh auf dein Zimmer» oder «wenn du jetzt nicht aufhörst, setzt es was».
Die Kinder werden angeschrien, bedroht, eingesperrt oder – was besonders die Kleinen oft sehr schmerzt – von den Eltern ignoriert und mit Liebesentzug gestraft. Ein satter Viertel aller befragten Eltern gab an, häufig zu psychischer Gewalt zu greifen. Deren 68.8 Prozent der Eltern benutzen psychische Gewalt hie und da, um die Kinder auf Spur zu halten.
Hohe Dunkelziffer
Von den 1.2 Millionen Kindern, die in der Schweiz aufwachsen, haben laut der Studie 550'000 bereits körperliche Gewalt erlebt. Die Dunkelziffer, davon gehen die Experten aus, ist weitaus höher. Obwohl es wichtig sei, Kindern ihre Grenzen klar aufzuzeigen, ist Gewalt laut den Studienleitern in keiner Form das richtige Instrument.
«Kurzfristig mögen Bestrafungen zwar funktionieren, doch langfristig richten sie grossen Schaden an», schreiben die Wissenschaftler. Aufwändiger und energieraubender, allerdings besser für das Wohl des Kindes, sei es, ihm die Grenzen liebevoll und erklärend aufzuzeigen.
Was statt einem Klapps auf den Po helfen könnte, zeigt die Kampagne «Ideen von starken Kindern für starke Eltern – Es gibt immer eine Alternative zur Gewalt» der Stiftung Kinderschutz Schweiz.