Die Kritik zum deutschen Oscar-Anwärter Werk ohne Autor
Florian Henckel von Donnersmarck inszeniert mit seinem neuen Film eine drei Jahrzente umfassende Geschichte.
Das Wichtigste in Kürze
- «Werk ohne Autor» ist eine dreistündige Lebensgeschichte.
- Florian Henckel von Donnersmarck («Das Leben der Anderen») ist der Regisseur.
- Am Ende verlässt man seltsam unberührt den Kinosaal.
Das Drama «Werk ohne Autor» ist eine über dreistündige Geschichtsstunde aus deutschem Hause. Darin wird der fiktionalisierte Werdegang eines Malers erzählt, aufgeteilt in drei Dekaden. Florian Henckel von Donnersmarcks erster Spielfilm «Das Leben der Anderen» hat 2007 den Auslands-Oscar gewonnen. Nach der misslungenen Schlaftablette «The Tourist» aus dem Jahre 2010 ist von Donnersmarck für die Arbeit nach Deutschland zurückgekehrt. Im nächsten Jahr geht «Werk ohne Autor» ins Rennen um die goldene Statue.
Inhaltlich lasche Suche nach der eigenen Identität
Dresden im Jahr 1937: Der Zuschauer wird als unsichtbarer Gast in eine Ausstellung über «entartete Kunst» mitgenommen. Ebenfalls mittendrin ist der kleine Kurt (Cai Cohr, «Ein Weg») und seine Tante Elizabeth (Saskia Rosendahl, «Lore»). Diese längere Szene soll die damalige Sichtweise des Regimes darstellen. Das wirkt zu Beginn seltsam belehrend inszeniert und erweckt den Eindruck, dass man dem Zuschauer unbewusst ein Kunstverständnis aufdrängen möchte.
Im Laufe der insgesamt drei Stunden und acht Minuten dauernden Laufzeit werden stetig wechselnde Meinungen aus dem Mund diverser Figuren in den Raum geworfen. Geht es denn nun ums «Ich, Ich, Ich» oder darum, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen? Die Antwort scheint dem inzwischen erwachsen gewordene Kurt (Tom Schilling, «Oh Boy») selbst nicht auf der Hand zu liegen. Er hat seine Tante während der Kriegszeit verloren, da man sie in die Gaskammer gesteckt hat. Als freier Mann beginnt seine Suche nach sich selbst. Einzig ihr Ratschlag befolgt er vehement: «Schau niemals weg».
Der junge Kurt schreibt sich für ein Kunst-Studium ein. Dort lernt er die Kommilitonin Ellie (Paula Beer, «Das finstre Tal») kennen. Die beiden kommen sich näher, sehr zur Missgunst von Ellies Vater Professor Carl Seeband (Sebastian Koch, «Das Leben der Anderen»). Dieser hat aufgrund seiner Nazi-Vergangenheit mehr mit Kurt zu tun, als beide ahnen.
Angelehnt an reale Hintergründe
Kurts Geschichte ist an diejenige des Malers Gerhard Richter angelehnt. So fiel seine Tante Marianne Schönfelder ebenfalls den Nazis zum Opfer. Richters Schwiegervater nahm wie Professor Seeband Zwangssterilisationen vor. Richter beschäftigte sich in späteren Lebensjahren malerisch mit diesen Umständen, ähnlich wie es Kurt im Film tut.
In einer Nebenrolle glänzt Oliver Masucci («Dark») als eigenwilliger Professor Antonius van Verten, welcher vorwiegend mit Fett plus Filz arbeitet und dessen Methodik an den Künstler Joseph Beuys erinnert. Masuccis wenige Szenen gehören zum Einprägsamsten von «Werk ohne Autor». Ebenfalls überzeugend spielt Koch. Die Fassade des aufrechten Bürgers mit einem wahnhaften Trieb nach Schönheit hält der Schauspieler nuanciert und mit einer gehörigen Portion Selbstsicherheit aufrecht.
Die restlichen Schausspielleistungen wirken dagegen uneinheitlich. Aufstrebende Talente wie Beer oder Rosendahl scheitern nicht an den Darstellungen, sondern am Drehbuch. Einige der Frauenfiguren sowie Kurts Eltern verkommen im weiteren Handlungsverlauf zu Randnotizen. Schilling hingegen bringt die Ratlosigkeit seiner Rolle glaubwürdig rüber.
Teilweise plumpes Gefühlskino
Mit über drei Stunden Laufzeit wird viel Sitzfleisch abverlangt. Von Donnersmarck darf sich immerhin rühmen, dass sich das bei ihm nicht quälend lange anfühlt. Die Zeit vergeht teilweise wie im Flug. Das ist unter anderen der sichtbar aufwändigen Produktion zu verdanken. Die Kamera bedient der Amerikaner Caleb Deschanel («The Patriot»). Seine Weit- und Nahaufnahmen ähneln dem Hollywood-Gefühlskino.
Ein weiterer Negativpunkt des Films ist die teilweise irritierende Plumpheit. Was im sogenannten Trash- und Exploitation-Kino oftmals passt, wirkt hier wie ein Fremdkörper. Vor allem die Kriegsgräuel werden hier nicht grausam-realistisch dargestellt, sondern in einer unsensiblen und ungeschickten Art gezeigt.
Fazit
«Werk ohne Autor» platziert sich in der Vita von Donnersmarck qualitativ immerhin noch vor «The Tourist». Seine Intention, eine ausschweifende Lebensgeschichte mit reichlich (gekünstelten) Emotionen zu erzählen, scheitert aber trotzdem an den eigenen Ansprüchen. Der Produktionsaufwand ist zwar sichtlich immens, dies reicht jedoch nicht, wenn die Geschichte so wenig anregend erzählt wird. Viele Darsteller füllen ihre teilweise schwach ausgearbeiteten Figuren engagiert aus. Koch und Masucci kreieren mit ihrer Leistung einige gelungene Szenen. Sie können jedoch nicht verhindern, dass «Werk ohne Autor» an den grossen Ambitionen scheitert.
★★★☆☆
Das Zürich Film Festival zeigt den Film heute um 20:15 Uhr im Corso 1. Dabei sind von Donnersmarck sowie die beiden Darsteller Schilling und Koch anwesend. Der reguläre Kinostart in der Deutschschweiz erfolgt am 4. Oktober 2018.