Lenny Kravitz bringt neues Album Raise Vibration raus
Am stärksten ist Lenny Kravitz' neue Platte dort, wo die Botschaft zweitrangig wird und Kravitz Instrumente sprechen lässt.
Das Wichtigste in Kürze
- Lenny Kravitz bringt ein neues Album raus.
- Ihm Gegensatz zu ihm verändert sich seine Musik kaum – «Raise Vibration» ist Old School.
Irgendwo zwischendrin, wenn Lenny Kravitz' Gitarre mal kurz verstummt ist und der funky Bass sich eine Pause gönnt, fragt man sich, ob wir wirklich das Jahr 2018 schreiben. So klassisch sind die Arrangements und so altbewährt die Sounds, mit denen der Musiker sein neues Album «Raise Vibration» bestückt. Kravitz setzt auf das, was er am besten kann: Rock der alten Schule gemischt mit Glam, Soul und seinem guten Rundum-Feeling.
Saftige Titel für den Spätsommer sind dabei, etwa der Einsteiger «We Can Get It All Together» oder das stetig kletternde «Raise Vibration», nach dem Kravitz' inzwischen elftes Album benannt ist. Bei der verzerrten Gitarre, stampfendem Schlagzeug und seiner angekratzten Männerstimme mag man fast an Jimi Hendrix denken, den Kravitz ebenso verehrt wie die Rolling Stones, Bob Marley und John Lennon.
Kein Stil- aber Imagewechsel
Vom Image des sorgenfreien, sexy Rockers hat der 54-Jährige sich allerdings gelöst und gibt mit der ausgekoppelten Single «It's Enough» das wohl stärkste politische Statement seiner Karriere ab. Ähnlich wie Marvin Gaye mit «What's Going On?» die düsteren Zeiten des Vietnamkriegs besungen hatte, will Kravitz hier aufrütteln. Im achtminütigen Video zu «It's Enough» zeigt er Giftgasangriffe in Syrien, Polizeigewalt gegen Schwarze und Militärparaden in Nordkorea, dazu Massentierhaltung, Umweltverschmutzung, Flüchtlinge.
«Ich habe genug von Rassismus. Ich habe genug vom Krieg. Ich habe genug von der Zerstörung der Umwelt und der Gier und Verlogenheit von Staatschefs», hatte er zu dem Video erklärt. Ein «höheres Verständnis» sei nötig. Das mag gut gemeint sein, kommt angesichts einer immer komplexer werdenden Welt und zutiefst verworrenen Konflikten aber recht naiv daher. «Die ganze Welt» mag durchaus «korrupt» sein, aber sollen sich Terroristen, Diktatoren und geldgierige Konzernchefs deshalb an den Händen nehmen und sich mit dem Rest der Welt vertragen?
So kommt auch die Klavierballade «Here To Love» etwas unbedarft daher, wenn gegen Ende der Chor einsetzt und es wirkt, als wolle Kravitz die Völker der Erde versöhnen wie seinerzeit Michael Jackson beim Benefiz-Song «We Are the World». «Wir müssen uns alle vereinen, denn wir sind eine Schöpfung / Wir müssen dem Kampf beitreten, gemeinsam sind wir stark / Wir müssen in jeder Situation das Richtige tun / Liebt die Leben der anderen wie eure eigenen», singt Kravitz.
Ähnlich der dunkle, treibende Groove «Who Really Are The Monsters», auf dem Kravitz beklagt, dass es immer nur um Geld, Ruhm, Macht und das «Game» gehe. «Der Krieg wird nicht aufhören, solange wir nicht aufhören, Bomben zu werfen» - grosse Erkenntnisse sind das nicht und auch der Aufruf, endlich miteinander zu «kommunizieren», wird die globalen Krisen von morgen nicht lösen.
Wenig tiefgründig, aber energiegeladen
Besonders subtil oder tiefgründig kamen die Texte von Lenny Kravitz selten daher – er sang vom Davonfliegen («Fly Away»), vom Durchhalten («It Ain't Over 'Til It's Over») oder davon, dass Liebe die Welt beherrschen soll («Let Love Rule»). Darüber konnte man immer dann hinwegsehen, wenn Kravitz knackige Riffs und den vollen Klang lieferte, für den ihn seine Fans schätzen. So ist auch «Raise Vibration» in den Passagen am stärksten, in denen Kravitz sich ganz seinen Instrumenten hingibt und einige der zwölf Titel fast in Jam-Sessions auslaufen lässt, die gefühlt nie enden sollen.
In diesen Momenten erstrahlt er vor Energie. Zum schmissigen «Gold Dust» will man auf einer leeren Landstrasse in Richtung untergehender Sonne fahren oder allein an einer Steilküste im Wind stehen. Und vielleicht sind gute Vibes, «positivity» und der etwas naive Wunsch, dass die Menschheit sich selbst einfach mal in den Griff bekommt, bei all dem Chaos – zumindest musikalisch – wirklich die einzige Antwort.