Wie Spotify & Co. den Sound der Popmusik beeinflussen
Seit Mitte 2018 ist Streaming das grösste Umsatzsegment im Musikmarkt. Das kann auch Einfluss auf die Weise haben, wie Popmusik geschrieben und gehört wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Spotify, Apple Music, Deezer, Tidal & Co. analysieren ihre Hörerschaft genau.
- Die Analysen machen sich auch Musiker und Komponisten zunutze.
Es gibt da jemanden, der unsere Musikvorlieben sehr gut kennt. Der uns zum Joggen eine Playlist mit genau der Musik vorschlägt, zu der wir uns am liebsten bewegen. Der uns am Montag mit den Liedern versorgt, die uns am ehesten zum Aufstehen aufraffen.
Es sind Streaming-Anbieter wie Spotify oder Apple Music, die immer mehr Playlisten für alle möglichen Stimmungen und Genres im Angebot haben. Inzwischen ist Streaming in Deutschland der beliebteste Weg, um Musik zu hören – und die Anbieter reagieren darauf. Das hat aber nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen. Streaming kann auch die Art verändern, wie Musik geschrieben und gehört wird.
«Musik wird anders geschrieben»
Seit Mitte 2018 ist Audiostreaming das grösste Umsatzsegment des deutschen Musikmarktes. Neben den Streaming-Anbietern hat das auch für die Labels Vorteile. Durch Datenanalysen ihrer gestreamten Musik können sie sehen, wann ein Hörer wegklickt – und darauf reagieren.
«Musik wird anders geschrieben, seit das Streaming so wichtig ist», erklärt der Musikwissenschaftler Martin Lücke. Zum einen sei der Anfang eines Liedes noch wichtiger geworden. Denn die Labels verdienen nur an einem Stream, wenn die Hörer einen Song länger als 30 Sekunden anhören. «Also versuche ich als Label alles dafür zu tun, dass der Hörer nicht wegklickt», sagt Lücke, der am Campus Berlin der Hochschule Macromedia Musikwirtschaft lehrt.
«Den Streaming-Sound beim Komponieren im Kopf»
Daraus könnte sich eine Art Eigendynamik entwickeln. «Manche Songwriter haben beim Komponieren womöglich den Sound eines bestimmten, bei den Streaming-Anbietern beliebten Genres im Kopf», überlegt Lücke. «Und es wird auf jeden Fall Versuche der Labels geben, Künstler zu suchen, die in bestimmte Playlisten passen.» Frank Briegmann, der Chef von Universal, widerspricht. «Wir wählen Künstler nach ihrem Talent und Potenzial aus», sagt er. Gleichzeitig räumt er ein: «In Genres wie zum Beispiel EDM oder Hip-Hop, in denen der Streaming-Anteil am Geschäft besonders gross ist, werden natürlich auch passende Playlists mit in die Überlegungen einbezogen.»
Wird sich Popmusik dadurch am Ende immer ähnlicher? So weit möchte die Experten nicht gehen. Dieser Vorwurf sei so alt wie die Popmusik selbst, sagt Tschmuck. Felix Jaehn ist sich sicher: «Musik funktioniert nicht nach Mustern, Formeln oder nach logischem Denken.» Und auch Lücke sieht es ähnlich. Man könne zwar viel durch Datenanalysen berechnen, erklärt er. «Aber am Ende gibt es in der Popmusik immer noch den Faktor des Unbekannten – zum Glück.»