Costa Verde Express: Nostalgie-Zug durch Nordspanien (1)
Die Renfe-Königszüge sind Spaniens Antwort auf den Orientexpress. Von Santiago de Compostela nach Bilbao verläuft eine entschleunigte Reise mit Gourmetfaktor.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Costa Verde Express ist ein historischer Königszug der staatlichen Bahngesellschaft.
- Für die 600 Kilometer von Bilbao nach Santiago de Compostela braucht er sechs Tage.
- Auf alten Schmalspurgleisen folgt er der schroffe Küste des Kantabrischen Meers.
- Beim entschleunigten Reisen wird man von Gourmet-Köchen verwöhnt.
Ein sanfter Ruck holt die noch schlafenden Gäste des Costa Verde Express aus ihren Träumen. Im Schritttempo verlässt der Zug den kleinen Bahnhof von Viveiro. Frühnebel liegt über dem galicischen Küstenstädtchen im äussersten Nordwesten Spaniens.
Der spritzige Albariño-Weisswein, der beim Abendessen im Speisewagen zu Languste und Oktopus-Armen serviert wurde, lässt die meisten noch etwas weiterdösen.
Das einsetzende rhythmische Rattern des Zugs macht das Aufstehen nicht leichter. Doch auf dem Korridor klingelt das Zugpersonal bereits mit einem Glöckchen: Morgenessen.
Im Speisewagen duftet es nach warmen Croissants, frischem Kaffee, Ibérico-Schinken und Rührei. Eine Stewardess in weisser Uniform bittet an einen freien Tisch mit Stoffservietten, frischen Blumen und einem Lämpchen mit gelbmarmorierten Glasschirm.
Das Lesen der Tageszeitung fällt beim Genuss der feinen Dinge nicht ganz leicht. Immer wieder verlockt auch die vorbeiziehende Küstenlandschaft zum Blick aus dem Fenster.
Lange Sandstrände wechseln sich mit schroffen Felsklippen ab. Dazwischen geht die Fahrt durch dichte Wälder, vorbei an alten Fischerdörfern.
Mit gemächlichen 50 Stundenkilometern fährt der Costa Verde Express teils nur wenige Meter am Kantabrischen Meer vorbei. Es handelt sich um alte Schmalspurgleise. Sie verlaufen teils parallel zum nördlichen Jakobsküstenweg, dem Camino del Norte.
Mehr Bummelzug als Express
Während sich die Jakobspilger zu Fuss entlang der Costa Verde, der «Grünen Küste», kämpfen müssen, sitzen Julio Cesar Pallucchini und seine Frau Liliana in der holzvertäfelten, mit Teppichen ausgelegten Lounge des Costa Verde Express und geniessen die Landschaft im Wohlfühlmodus bei einem Café con leche.
«Gott sei Dank macht der Zug seinem Namen nur teilweise Ehre», sagt Julio. Die Grüne Küste sei wirklich beeindruckend grün. Andererseits freut er sich, sagt Julio, dass es kein Express-, sondern eher ein Bummelzug ist. So kann man die Landschaft in Ruhe beobachten.
Genau diese Art entschleunigenden Reisens habe er gesucht. «Und natürlich das gute Essen», sagt er und lacht.
Die Zugfahrt führt durchs Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galicien: Spaniens Schlemmerhochburgen schlechthin, wie Laura López sagt. Sie ist Chefköchin an Bord des Costa Verde Express. So spielt das Essen auch eine besondere Rolle auf dieser Zugfahrt.
Während auf den täglichen Ausflügen in Restaurants gespeist wird, bereiten Laura und ihre Kollegin Daniela abends Delikatessen aus der Region vor, wo der Zug gerade Halt macht.
Jakobsmuscheln und Oktopus in Galicien, Wildlachs, Fabada-Eintopf und Cabrales-Käse in Asturien, der Eintopf Cocido Montañes in Kantabrien, Stockfisch im Baskenland.
Die spanische Antwort auf den Orientexpress
Der Costa Verde Express gehört zu den sogenannten historischen Königszügen der staatlichen Bahngesellschaft Renfe. Es sind so etwas wie spanische Orientexpress-Versionen, die an Zugreisen aus einem vergangenen Jahrhundert erinnern.
Sechs Tage braucht der Nostalgiezug im Belle-Époque-Stil, um die rund 600 Kilometer zwischen Bilbao im Baskenland und dem galicischen Wallfahrtort Santiago de Compostela zurückzulegen. Je nach Termin, geht es in die eine oder in die andere Richtung.
Dieses Mal startete das Zugabenteuer am Apostelgrab des Heiligen Jakob in Santiago de Compostela. Über dem Grab steht die Kathedrale, die das Ziel des Jakobswegs ist.
Zuggast Julio Cesar Pallucchini freut sich aber auf Galiciens zweitbekannteste Kathedrale. In der Nähe von Ribadeo bringt der Bus, der den Costa Verde Express für die täglichen Ausflüge begleitet, die Passagiere zum «Strand der Kathedralen».
Die Gezeiten schufen eine wahrlich spektakuläre Steilküste, deren imposante Felstore an Strebebögen gotischer Kathedralen erinnern.
Julio und seine Frau Liliana verlieren sich in den bizarren Felsformationen, Tunneln und Höhlen, die immer wieder durch lange Strandabschnitte unterbrochen werden. «Die Natur ist doch der beste Baumeister», sagt der argentinische Bauunternehmer.