Reisebranche kämpft gegen das Internet
Das Wichtigste in Kürze
- Beruhigt sich die Lage in beliebten Destinationen, buchen viele ihre Reisen online.
- Reisebüros halten mit flexibilisierten Pauschalreisen und finanzieller Sicherung dagegen.
Andi Restle ist keiner, der beim Reden ein Blatt vor den Mund nimmt. Der Chef des Zürcher Reiseveranstalters ITS Coop Travel spricht gerne Tacheles, auch wenn es um unangenehme Entwicklungen im eigenen Geschäft geht. «Der Buchungseingang ist zurzeit harzig, ich kann mit der aktuellen Situation nicht zufrieden sein», lautet Restles erstes Zwischenfazit zur eben eröffneten Winterreisesaison 2019/20.
ITS Coop Travel ist einer der letzten Veranstalter, die zu 100 Prozent auf die traditionelle Pauschalreise setzen, bei der Leistungen wie Flug, Hotel und Transfer zu einem Package gebündelt und dem Kunden als Einheit verkauft werden. Klassische Badeferien sind bei ITS Coop Travel das Kerngeschäft. «Wenn ich als Beispiel Ägypten nehme, wo der Winter traditionell stark ist, läuft an der Buchungsfront im Moment schlicht zu wenig.»
Über die Gründe kann der Touristiker nur spekulieren. Dass Flugreisen in der aktuellen Klimadebatte einen schwereren Stand haben als auch schon, sei sicher spürbar. Mit rückläufigen Passagierzahlen hat etwa auch Hotelplan Suisse zu kämpfen, wie die Migros-Tochter soeben bekannt gab. Was Andi Restle bei eigenen Nachforschungen aufgefallen ist: «Wir haben zwar steigende Besucherzahlen auf unsere Webseite, seltsamerweise sind parallel dazu aber die Buchungen zurückgegangen.»
Seine Interpretation: «Viele Kunden informieren sich bei uns, lassen sich auch telefonisch beraten, buchen ihre Reiseleistungen dann aber einzeln im Internet.» Vielleicht erhielten sie dort leicht günstigere Preise.
«Dabei vergessen sie aber die Serviceleistungen eines Veranstalters, besonders wenn etwas nicht so klappt wie vorgesehen.» Dann sei der Kunde froh, wenn vor, während oder nach der Reise ein Ansprechpartner zur Verfügung stehe, der sich um die Lösung ihrer Probleme kümmere.
Flexibilisierung heisst das Zauberwort
Nachdem die vom Internet hart bedrängte Pauschalreise in den letzten Jahren leichte Erholungstendenzen zeigte, scheint sich der Wettbewerb mit den unzähligen Webportalen aktuell wieder zu verschärfen. Dagegen kämpfen die Veranstalter vehement an. Bei Kuoni und deren Günstigmarke Helvetic Tours, beide im Besitz der deutschen DER Touristik, werden die Pauschalreisen bewusst immer flexibler gestaltet.
«Während die meisten Ferienpackages früher mit sieben oder vierzehn Übernachtungen offeriert wurden, entsprechen wir heute den Kundenwünschen, auch mal nur für ein Wochenende zu verreisen», sagt die Helvetic-Tours-Chefin Karin Markwalder. Man könne heute so gut wie alles als Pauschalreise anbieten, was die Kunden im Internet an Einzelleistungen finden.
Und als kleines «Goodie» für die Kundschaft betont Markwalder, dass Kuoni/Helvetic Tours als Folge des jüngsten Konkurses des europäischen Grossveranstalters Thomas Cook kurzfristig zusätzliche Hotelkontingente für die Wintersaison erhalten und diese teils zu stark vergünstigten Preisen anbieten könne.
Weniger von der Internetkonkurrenz bedrängt sieht sich der auf Fernreisen spezialisierte Veranstalter Knecht Reisen. «Wir offerieren eher längere und beratungsintensivere Reisen in Destinationen wie Russland, Südliches Afrika, Neuseeland oder Alaska, die man im Internet so gar nicht buchen kann», erklärt der Marketingchef Christoph Huckele.
Gleichwohl räumt er ein, dass für eher einfachere Arrangements in die USA, nach Kanada oder Australien zuletzt auch der eine oder andere Knecht-Kunde die Möglichkeiten einer individuellen Online-Buchung entdeckt habe. Diesen Kunden den Mehrwert einer Buchung im Reisebüro zu einem – wenn überhaupt – leicht höheren Preis aufzuzeigen, sieht Huckele als Chance für Knecht Reisen sowie die gesamte Branche.
Nur Pauschalreisen sichern Kundengelder ab
Gegen Google und Co. wehren müssen sich die Reiseveranstalter weiterhin mit allen Mitteln, wollen sie die Grundlage für ihr eigenes Geschäftsmodell in die nähere Zukunft retten. Andi Restle von ITS Coop Travel ist sich dessen vollauf bewusst und bevorzugt das proaktive Handeln dem Lamentieren.
Die Webseite des Veranstalters wurde soeben umgebaut und erweitert. Neu werden die Pauschalreisen mit dynamischen, tagesaktuellen Preisen offeriert. «Wir kämpfen um unsere Kundschaft und werden auch nicht müde, die Vorteile der Pauschalreise in Beratungsgesprächen immer wieder zu betonen.»
Die jüngste Insolvenz von Thomas Cook mit tausenden gestrandeten Kunden, die ihre bezahlten Ferien nicht beenden konnten und für diesen Ärger noch nicht mal finanziell entschädigt wurden, ist für Restle ein schlagendes Argument. Schweizer Veranstalter sind gemäss Pauschaltreisegesetz verpflichtet, die einbezahlten Gelder ihrer Kunden abzusichern. «Wer hierzulande eine Pauschalreise bucht, und nur eine Pauschalreise, ist bei derart bösen Überraschungen finanziell rundum abgesichert.»