Schlossgärten in Europa: Lustwandeln als Lebensgefühl
Wer hier flaniert, bewegt sich auf den grünen Spuren der Vergangenheit: sehenswerte Schlossgärten vom Westen Irlands über Salzburg bis ins Herz der Toskana.
Das Wichtigste in Kürze
- Europäische Schlösser bieten eine Vielfalt inszenierter Gärten.
- Dabei finden insbesondere die früheren Küchengärten neuen Anklang.
- Auch Anlagen mit Kunstwerkcharakter oder jahrhundertealte «Funparks» sind den Besuch wert.
Sie dienten der Machtrepräsentation und waren zugleich Orte der inszenierten Lebenslust. Viele Schlossgärten sind bestimmt von barockem Schick, man denke an Versailles, Sanssouci oder Herrenhausen.
Doch oft gibt es noch viel mehr zu entdecken, wie die Reise zu besonderen, teils weniger bekannten Parks zeigt.
Hellbrunn: Wo Neptun die Zunge herausstreckt
«Funpark würde man das heutzutage nennen», sagt ein Mitarbeiter des Schlossparks Hellbrunn in Salzburg. Doch die kecken Wasserspiele hat ein Kirchenfürst bereits im 17. Jahrhundert in Auftrag gegeben.
Frech streckt der Meeresgott Neptun in der Regengrotte jedem, der vorbeikommt, die Zunge heraus. Schon geht ein künstlicher Platzregen auf die Besucher nieder. Ein hydraulischer Wasserautomat macht diesen Spass möglich.
«Die 400 Jahre alten Wasserspiele sind tatsächlich noch Originale», sagt die langjährige Schlossverwalterin Ingrid Sonvilla.
Nach diesen, von Vogelstimmen aus Musikautomaten untermalten Begegnungen mit Spritzbrunnen und wasserspeienden Figuren spaziert der Besucher zum Trocknen durch den Landschaftsgarten.
Es geht vorbei an Baumriesen, mystischen Grotten, Karpfenteichen, lauschigen Lauben und einem Steintheater. Dieser manieristische Schlosspark ist ein Gesamtkunstwerk nach italienischem Vorbild.
Kylemore Abbey: Reise ins Viktorianische Zeitalter
Wie in einem Märchen thront Kylemore Abbey mit seinen Türmchen in der rauen Landschaft von Connemara im Westen Irlands.
Benediktinerinnen übernahmen das Schloss 1922, wandelten es in ein Kloster um und restaurierten den historischen Victorian Walled Garden.
Eine hohe Backsteinmauer umgibt den 24'000 Quadratmeter grossen viktorianischen Mauergarten voller Gemüse, Obst und Blumen.
«In unserem Garten wachsen nur Pflanzen, die es schon im Viktorianischen Zeitalter gab», sagt Anja Gohlke, die aus Deutschland stammende Chefgärtnerin von Kylemore Abbey.
Château de Miromesnil: Verrückt im Küchengarten
Als Geheimtipp gilt das Château de Miromesnil in der Normandie. Die Schlosseigentümerin Nathalie Romatet pflegt die Tradition des «Potager», des Küchengartens.
Ihren Küchengarten nennt Romatet «eine organisierte Verrücktheit».
Ganz französisch sind die Beete zwar geometrisch angeordnet, doch die überbordende Blumenpracht in den gemischten Rabatten aus regionalen Gemüse, Beeren und Kräutern verleiht ihm einen englischen Touch.
Die Potager erfahren vielerorts wieder mehr Aufmerksamkeit: Immer mehr Schlösser in Europa kümmern sich in den letzten Jahren intensiv um ihre traditionellen Küchengärten.
Schlosspark Altenstein: Teppichartige Schmuckbeete
Das «Grosse Teppichbeet» im Schlosspark Altenstein im deutschen Thüringen ist ein Hingucker. Auf 130 Quadratmetern wachsen mehr als 6000 Pflanzen. Diese teppichartigen Schmuckbeete kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode.
«Zwischen 1890 und 1914 wurde jedes Jahr ein neues Motiv entworfen», sagt der Parkverwalter Toni Kepper. «Nach diesen Vorlagen bepflanzen wir jährlich neu.»
Zedern, Goldeschen, Blutbuchen, eine Kaukasische Flügelnuss und ein Mammutbaum: Majestätische Bäume bestücken den Schlosspark.
Bei seiner Gestaltung hatten die Gartenkünstler Fürst Hermann von Pückler-Muskau und Peter Joseph Lenné ihre Hände mit im Spiel.
Der Landschaftspark von Schloss Altenstein südlich von Eisenach gilt mit 160 Hektar als grösster in Thüringen. Das Bundesland steckt aufgrund seiner einstigen Kleinstaaterei voller Schlösser mit Gärten. Viele dieser gärtnerischen Kleinodien sind wieder in Stand gesetzt.
Vicobello: Ein Ort des Vergnügens
Der Ursprung der Schlossgärten geht auf die Renaissance in Italien zurück. Seit dem 16. Jahrhundert pflegt die Familie Chigi in ihrer Villa di Vicobello in der Toskana ihren italienischen Garten.
Auf verschiedenen Terrassen blühen je nach Jahreszeit Kamelien und Glyzinien, Azaleen und Oleander. Im Limonengarten duften 250 Jahre alte Orangen- und Zitronengewächse.
Von vielen Stellen ergibt sich ein weiter Blick auf die Stadt Siena und die Landschaft der Toskana.
«Die Villa wurde als Ort des Vergnügens gebaut», sagt Hausherr Agostino Anselmi Zondadari. «Schon meine Urgrossmutter genoss in unserem Garten den malerischen Sonnenuntergang.»
Und auch den Gast von heute überkommt ein lustwandelndes Lebensgefühl.
Wichtig zu wissen: Die Gärten sind nicht alle ganzjährig geöffnet. Einige kosten Eintritt. Im Frühjahr und Sommer blüht besonders viel. Es ist ratsam, sich vor dem Besuch immer nach den aktuellen Öffnungszeiten zu erkundigen