Fasten, pray, love: Auszeit im Kloster

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Österreich,

Job, Familie, Corona-Pandemie? Wer Ruhe vom stressigen Alltag sucht, könnte bei Fastenferien im Kloster gut aufgehoben sein. Ein Selbstversuch.

Salzburg Panorama
Ausblick vom Feinsten: Vom Mönchsberg aus können Touristen einen guten Blick auf Salzburg bekommen. - Anita Arneitz/dpa-tmn

Das Wichtigste in Kürze

  • Fasten bedeutet, weniger zu sich zu nehmen, aber mehr darin zu finden.
  • Manchmal wird man Körpergewicht los – vor allem aber wird die Seele leichter.
  • Fasten heisst Loslassen und neu Ordnen.

Kirchenläuten. Kuhglocken. Klospülung. Und das Rotorengeräusch des Rettungshelikopters.

Das sind die wenigen Geräusche, die die Stille im Johannes-Schlössl der Pallottiner in Salzburg durchbrechen. Dorthin hat es mich für eine Woche verschlagen, um abzuschalten.

Denn Arbeit, Stress, das Virus und das Essen – all das war zuletzt zu viel. Ich sehnte mich nach Ruhe. Abgeschottet von der Welt, nichts hören und nichts sehen. Abstand gewinnen, um mir selbst näher zu sein.

Das mit dem Fasten hat sich dann so ergeben. Genauso wie der Ort.

Park Weg Gästehaus Sonne
Das Johannes-Schlössl der Pallottiner bietet auch Platz für Gäste – im angeschlossenen Gästehaus. - Anita Arneitz/dpa-tmn

Das Kloster liegt versteckt im Grünen auf dem Mönchsberg – und zu seinem Fusse das Krankenhaus.

Für einen Fastenneuling wie mich irgendwie beruhigend.

Denn vor meinem Trip höre ich viele Schauermärchen übers Fasten. Erbrechen, Nervenzusammenbrüche, Schwindel – all das hält mich nicht davon ab, einzuchecken.

Das Fasten beginnt bereits vor den Ferien

Ein paar Tage vor dem Fasten kommt eine ausführliche E-Mail. Einfach hinfahren und loslegen ist nicht.

Man solle doch schon vor der Anreise beginnen, auf Kaffee zu verzichten. Ich bin motiviert und steige um auf Tee.

Die Packliste für den Aufenthalt ist lang: Wanderstöcke, Wärmflasche, Trinkflasche, Thermoskanne. Ich schleppe so viel Zeug mit, dass damit locker drei Wochen Survival-Training im Dschungel drin gewesen wären.

Die Zimmer im Gästehaus des Klosters sind schlicht, ohne TV, dafür gross, mit eigenem Bad und Blick in den Garten. Es wird schnell zum privaten Rückzugsgebiet. Ich packe meinen Koffer aus und lege meine Notfallkekse auf den Schreibtisch.

Der Hälfte der inzwischen vollständigen Reisegruppe war nicht bewusst, dass sie ein Fastenseminar gebucht hat. Auch mir nicht.

Das dichte Wochenprogramm überrascht. Es lässt kaum Freiraum.

Nach dem obligatorischen Kennenlernen geht’s zum gemeinsamen Saft löffeln. Das Abendessen ist ein Glas gepresster Apfel mit Karotte und Rübe. Ich bin froh, am ersten Tag überhaupt etwas zu bekommen und löffle mehr als 20 Minuten an meinem Saft.

Speisesaal Kruzifix Parkett
Im Speisesaal des Johannes-Schlössls in Salzburg ist der Glaube allgegenwärtig. - Anita Arneitz/dpa-tmn

«Der Trick ist die Langsamkeit», sagt der Fastenleiter und Qigong-Lehrer Alexander Steinberger. Jeder Löffel wird bewusst und achtsam geschlürft. Es gilt, aus dem Wenigen so viel wie möglich herauszuholen.

Dann die grosse Entscheidung: Wer nimmt am Hardcore-Fasten mit Saft und Suppe nach Buchinger teil? Wer wählt die leichtere Basenfasten-Variante? Ich oute mich als Weichei und entscheide mich für das Basenfasten.

Basenfasten ist auch eine Art von Fasten

Längst hat sich dichter Nebel über meine Gedanken gelegt und der Kopf pocht. Ich schütte eine Tasse Wermut-Tee in mich hinein und lege mich ins Bett. In der Nacht träume ich so intensiv wie lange nicht. Am Morgen habe ich das Gefühl, neben mir zu stehen.

Das Morgenessen ist ein Lichtblick und wirkt wie Völlerei: Apfel, Banane, Tomaten, Gurken. Dazu ein süsses Mus aus Pflaumen, Datteln und Rosinen.

Noch eine Tasse Tee, dann geht’s zum Wandern – mehrere Stunden, jeden Vormittag.

Gemüse Karotten Peperoni
Gemüse und Obst sind die Highlights beim Essen in der Fastenwoche in Salzburgs Kloster. - Anita Arneitz/dpa-tmn

Die Ziele sind Sehenswürdigkeiten in oder rund um Salzburg: Schloss Leopoldskron, Schloss Hellbrunn, die Wallfahrtskirche Maria Plain oder der Kapuzinerberg. Fasten mit Sightseeing sozusagen.

Bewegung lenkt ab. Doch in der Gruppe finde ich meinen Rhythmus nicht. Deshalb laufe ich die Tage darauf auf eigene Faust los.

Das funktioniert. Alleine bin ich mehr bei mir. Ich kann das Gehörte und Gefühlte so besser einordnen.

Andere brauchen die Unterhaltung und die Gesellschaft. Schliesslich spielt die Gruppendynamik beim Fasten eine wichtige Rolle. Das Wir und der Austausch tragen über schwere Stunden hinweg.

See Schloss Spiegelbild Wasser
Nur eine von vielen Sehenswürdigkeiten in und um Salzburg: das Schloss Leopoldskron. - Anita Arneitz/dpa-tmn

Der erste Fastentag ist für mich eine Achterbahnfahrt: Stündlich fühle ich mich anders. Überwiegend aber nicht gut. Ich bin ausgelaugt und erschöpft.

Bei der Mittagsruhe schlafe ich sofort ein – mit dem ersten Leberwickel meines Lebens. Ob er hilft? Keine Ahnung. Daheim ist ein Nachmittagsschläfchen unvorstellbar. Im Kloster falle ich in den Tiefschlaf.

Es geht nicht ums Gewicht

Am zweiten Tag fühlt es sich an, als wäre ich bereits drei Wochen hier. Nachmittags suche ich den spirituellen Impuls mit Pater Rüdiger Kiefer. Seine Worte berühren.

Alle sind da, weil sie etwas verloren haben, etwas loswerden, etwas suchen oder etwas finden wollen. Manchmal geht’s ums Gewicht, in Wahrheit aber um viel mehr. Der Pater nimmt sich Zeit für ein Gespräch über Gott und die Welt.

Kapelle Altar Kruzifix Skulpturen
Zur Ruhe kommen und zu sich selbst finden: Diese Kombination suchen Fastende häufig. In der Kapelle des Johannes-Schlössls in Salzburg ist sogar noch für ein Gebet Raum. - Anita Arneitz/dpa-tmn

Der Kopfschmerz ist weg. Ich freue mich aufs Mittagessen, die Sonne und den Garten. Die Klostermauern geben Halt. Der Fastennebel lichtet sich. Ich höre auf meinen Körper und meine Seele.

Der Hunger? Der ist da. Aber nicht so aufdringlich wie befürchtet. Ein halber Apfel und ich bin satt.

Es fühlt sich nicht an wie Verzicht, weil ich meinen Fokus auf das lenke, was da ist, und nicht auf das, was fehlt.

Mit der Halbzeit kommt ein Stimmungshoch

Am dritten Tag schreibe ich alles nieder, was mich bewegt. Endlich darf auch raus, was im Kopf ist: giftige Erinnerungen und Gedanken, die nicht mehr gebraucht werden.

Das beruhigt den Geist. Schliesslich geht’s beim Fasten ums Loslassen und neu Ordnen.

Abends heisst es: Suppe löffeln, Dachterrasse besichtigen, Spaziergang im Finsteren und Vortrag.

Der Hunger wird weggetrunken. Drei bis vier Liter Wasser und Tee über den Tag verteilt – eine unglaubliche Menge für mich.

Wandergruppe Burg Salzburg Wald
Wandern geht auch bei Schlechtwetter: Bewegung ist einer der Hauptbestandteile beim Fasten. - Anita Arneitz/dpa-tmn

Inzwischen habe ich meinen Rhythmus gefunden. Ich ziehe Tag für Tag meine Runde im Wald und mache Yoga im Zimmer. Das bringt den Kreislauf nach dem Leberwickel in Schwung. Die Energie kommt zurück. So halte ich durch.

Am Abreisetag liegen die Notfallkekse noch immer ungeöffnet auf meinem Schreibtisch. Ich werde sie nicht mehr brauchen. So schlimm ist Fasten doch nicht.

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