Tradition ist Trend! Das Palace pfeift auf Protz & Prunk
Da galten Traditionen neulich noch als Gegenteil von Trends – heute geben Hotels wie das Gstaad Palace den Ton an. Wie die Grandes Dames die Zukunft bestimmen.

Das Wichtigste in Kürze
- Traditionshotels stehen für Beständigkeit in einer schnelllebigen Welt.
- Das Gstaad Palace ist seit 1913 Inbegriff diskreter Schweizer Noblesse.
- Le Bristol wird 100 und das Sacher serviert seit 1832 Eleganz mit Torte.
Man kann viel Geld haben. Man kann es zeigen. Man kann sich Yachten kaufen, sündhaft teure Autos oder sich für fünf Millionen den Lokus vergolden und klauen lassen, wie jüngst geschehen im englischen Blenheim Palace. Doch eins kann man nicht kaufen: Stil.
Oder um es in meinen Lieblingsworten von Karl Lagerfeld zu sagen: Wenn man billig ist, hilft gar nichts.
Während sich in Orten wie St. Moritz oder Ischgl eine ganz eigene Interpretation von Luxus breitgemacht hat – eine, die mit der Eleganz vergangener Zeiten ungefähr so viel zu tun hat wie ein Energy-Drink mit einem Château Margaux –, hält eine besondere Liga von – nicht Gentlemen – sondern Grandes Dames, die Fahne des klassischen Luxushotels hoch.
Nicht aufdringlich, sondern mit Haltung.
Die Renaissance der Grandhotels
Einst waren sie die Königsklasse der Hotellerie, dann galten sie als Relikte einer vergangenen Ära – doch heute erleben sie ein Comeback, das selbst ihre Gründer wohl kaum für möglich gehalten hätten: die Grandhotels.

Le Bristol und La Reserve in Paris, Hotel Sacher in Wien, Brenners Park-Hotel & Spa oder das Gstaad Palace – sie alle beweisen, dass echter Luxus nicht von gestern ist, sondern heute gefragter denn je.
Das Comeback der Zurückhaltung
Laut aktuellen Zahlen des Global Luxury Travel Reports 2025 hat sich die Nachfrage nach traditionellen Luxushotels mit Geschichte gegenüber 2019 um 35 % erhöht. Weil Konzernhotels immer austauschbarer werden, zieht es anspruchsvolle Reisende zurück in Häuser mit Charakter.
Denn während anderswo in Gold getränkte Wasserhähne und Champagner-Duschen als ultimativer Luxus gefeiert werden, setzen diese Hotels auf das, was man nicht kopieren kann: eine gewachsene Geschichte, eine Kultur der Zurückhaltung und einen exzellenten Service, der nicht unterwürfig, sondern selbstverständlich ist.
«Unsere Gäste suchen keinen seelenlosen Luxus. Sie suchen eine Heimat – und genau das finden sie hier», sagt Andrea Scherz, Direktor des Gstaad Palace und Nachfolger einer der letzten grossen Hotelier-Familien Europas.

Ähnlich sieht man es auch in Baden-Baden, wo das Brenners Park-Hotel seit 1872 für unaufdringlichen Luxus steht oder im Hotel Sacher, wo seit 1832 nicht nur Torten, sondern auch ein Stück Geschichte verkauft wird.
Wo Gastfreundschaft noch ein Handwerk ist
Den wahren Unterschied erkenne ich bei meinem Aufenthalt im Gstaad Palace im Detail. Wo moderne Kettenhotels auf Apps, digitale Schlüssel und Chatbots setzen, funktioniert in einem Haus wie dem Gstaad Palace die Gastfreundschaft noch analog.
Ich erlebe einen Service, der fast aus der Zeit gefallen scheint – weil er so persönlich und so aufrichtig herzlich ist, dass ich fast vergesse, dass das hier ein Business ist. Auch für mich. Beine hochlegen und Champagner runterkippen mutet in der einladenden Bar des Palace verführerisch an – passt aber weder in meinen Zeitplan noch ins Budget. Also weiter ins Restaurant!
Jeder Kellner hat seine Aufgabe, jeder kennt meinen Namen. Hier gibt es keine Algorithmus-gesteuerten Vorschläge, sondern Service mit Menschenverstand. Von der romantischen Schlittenfahrt im Schnee zur himmlischen Massage im legendären Spa – geplant wird das, was mich persönlich interessiert. Nicht das, worüber ich dann schreiben soll.
Wie Audrey Hepburn höchstpersönlich
Der Pianist spielt auf meinen Wunsch hin Mina und Alberto Lupos «Parole Parole», während der Küchenchef mir den weissen Trüffel auf den Teller hobelt. Ich komme aus dem Knicksen kaum mehr raus und fühle mich wie Audrey Hepburn höchstpersönlich.
Dabei heisse ich ja Heede und frühstücke nicht bei Tiffany's. Dafür aber im Palace. So wie Audrey im Dezember ‘76 – nur ohne Diamanten, aber mit bestem Bergblick und etwas weniger Promi-Glamour als damals, als hier noch Liz Taylor und Richard Burton, Roger Moore und jeder mit Rang und Namen seinen Kaffee schlürfte.
«Die meisten Gäste bestellen gar nicht von der Karte. Sie bestellen, worauf sie Lust haben – und wenn das ein Wiener Schnitzel oder eine einfache Spaghetti Carbonara ist, dann machen wir das eben», erzählt mir Stefan Ludwig, Executive Assistant Manager Sales & Marketing beim Fondue in der Fromagerie.
Geschichte schmeckt am besten mit Gruyère
Die Fromagerie ist Schweizer Gemütlichkeit in Reinform – bodenständig, authentisch und mit einer Geschichte, die dicker ist als das geschmolzene Käsefondue auf meinem Teller.
Wer hier einkehrt, tritt durch eine Tür, die mehr als nur ein Zugang zu kulinarischen Genüssen ist: eine alte Tresortür, ein Relikt aus der Zeit, als die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs ihr Gold hier unten im Keller des Gstaad Palace bunkerte.

Statt Goldbarren lagern heute Gruyère, Trüffel und gute Flaschen Wein – eine Wertanlage, die zwar nicht auf Bankkonten, aber auf Gaumen mehr als nachhaltige Rendite abwirft.
Wem das zu laktoselastig ist, der findet im Grand Restaurant das Gegenstück – die Definition von internationaler Eleganz. Kein übertriebener Firlefanz, keine Inszenierung für Social-Media-Feeds, sondern ein Ort, an dem Understatement nicht bloss Attitüde ist, sondern Lebensgefühl. Kurzum: Ein Restaurant für Menschen mit Geschmack.
Der Putz mag bröckeln, doch der Stil bleibt
Ob in den Schweizer Alpen oder mitten in Paris – echte Grandes Dames brauchen kein Make-over, um wieder in Mode zu kommen. Genau wie das «Le Gabriel» in La Réserve Paris, wo Jérôme Banctel drei Michelin-Sterne auftischt – ohne französischen Chichi, aber mit Haute Cuisine, die gerade deshalb so leise wie genial ist.
Und auch das Brenners Park-Hotel in Baden-Baden meldet sich zurück aus dem Baustellen-Kokon: Das Haus pellt sich gerade aus seiner 150-jährigen Hülle wie eine frisch lackierte Altbauwohnung.
Ab Sommer 2025 steht das Grandhotel wieder in voller Pracht da – nicht als aufpoliertes Abziehbild, sondern als Denkmal, das sich selbst nicht vergisst.
Ich gehöre nicht zur Gang mit Geld
Doch das eigentliche Erlebnis ist nicht nur das Essen. Es ist die Atmosphäre. Ich bin hier als Reisejournalistin und gehöre garantiert nicht zu der Gang mit Geld. Trotzdem fühle ich mich nicht fehl am Platz.
Kein prüfender Blick, keine feine Cliquenwirtschaft, keine Arroganz, wie sie viele Pariser mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks perfektioniert haben. Stattdessen: echte Herzlichkeit.
Und das ausgerechnet in der Schweiz, wo man Emotionen eher diskret dosiert. Hier nicht. Hier sind sie echt. Genau das macht den Unterschied.
Wer einmal kommt, der geht nicht mehr
Die Schweiz ist nicht nur das Land der Banken, Uhren und Schokolade – sie ist auch die letzte Bastion eines Luxuserlebnisses, das noch auf echten Werten basiert. Während anderswo der Service oft zwischen unterwürfig und gleichgültig schwankt, ist er in den grossen Schweizer Häusern eine Kunst, die man von Generation zu Generation weitergibt.

Dass auch die Mitarbeiter hier keine kurzfristige Angelegenheit sind, zeigt ein Blick hinter die Kulissen: Im Durchschnitt bleiben sie zehn Jahre.
Einer von ihnen ist Franz W. Faeh, Culinary Director im Gstaad Palace, der am 10. März 2025 in den erlauchten Kreis der «Mérite Culinaire Suisse» aufgenommen wurde. Diese ehrenvolle Auszeichnung ist eine weitere Krönung seines Schaffens.
Sparsamkeit: Eine Schweizer Selbstverständlichkeit
Andrea Scherz wurde selbst in diesem Hotel gross. Seine Familie führte es bereits in der dritten Generation, er kennt jeden Winkel, jede Anekdote. Und er weiss, was es bedeutet, Schweizer zu sein.
«Mein Grossvater hat mir immer beigebracht: Man muss sparen. Wir Schweizer drehen jeden Rappen zweimal um, bevor wir ihn ausgeben. Und genau so führen wir dieses Hotel. Kein übertriebener Protz, sondern nachhaltiger, sinnvoller Luxus.» Wer in einem dieser Häuser eincheckt, gehört nicht zu einer anonymen Masse, sondern wird Teil einer Geschichte, die oft schon mit den Grosseltern begonnen hat.
Hier trifft man keine Instagram-Millionäre mit einer Neigung zu Hypercars, sondern Familien, die seit drei Generationen an den gleichen Tischen sitzen, mit den gleichen Kellnern plaudern und deren Kinder heute dort spielen, wo ihre Grosseltern sich einst verliebt haben.
Reden ist in der Schweiz Silber, Schweigen übers Geld Gold
Wer ins Gstaad Palace kommt, hat Geld – aber macht kein Aufheben darum. Denn es gehört zum guten Schweizer Ton, über Vermögen zu schweigen, als hätte man den Mund mit Fondue voll. Es ist auch nicht nötig, weil das Vermögen so selbstverständlich auf den Familienkonten gedeiht, wie andernorts das Unkraut im Garten.
Das Hotel ist eines der wenigen Grandhotels, das nicht ganzjährig geöffnet ist. Es ist ein Saisonhotel – im Sommer und Winter ist es ein Refugium für seine Gäste, im Frühling und Herbst bleibt es geschlossen.

Das mag betriebswirtschaftlich unkonventionell erscheinen, ist aber ein weiteres Zeichen dafür, dass hier Werte wichtiger sind als schnelles Wachstum. Ein Konzept, das auch die anderen Traditionshäuser inspiriert: Das Hotel Sacher hat sich über die Jahrhunderte hinweg in Familienbesitz gehalten und das Le Bristol feiert 2025 sein 100-jähriges Jubiläum.
Ein Bollwerk gegen den seelenlosen Luxus
Die Renaissance der Hotellegenden ist kein Zufall. Sie ist eine Antwort auf eine Welt, die immer lauter, schneller und austauschbarer wird. Wohingegen andernorts das nächste Konzept-Hotel mit wechselnden Namen und Design-Overkill eröffnet wird, halten diese Häuser stand – unerschütterlich, unbeeindruckt, unverwechselbar.
«Wir sind keine grosse Kette. Wir sind das Gstaad Palace – und genau das wollen unsere Gäste», sagt Scherz. Und genau deshalb kommen sie wieder.
Weil Schweizer Luxus nicht klotzt oder protzt – sondern einfach da ist. Still, souverän und für die, die genau das schätzen.