Triest – die Stadt, die sogar Italiener verblüfft
Literarische Hauptstadt in Mitteleuropa, kleines Wien am Meer: Triest ist vieles, nur keine typische italienische Stadt. Doch dies macht gerade ihren Reiz aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Triest gehört zu den weniger bekannten Städten Italiens.
- Die Hafenstadt an der Grenze zu Slowenien wartet mit einer Fülle an Geschichte auf.
- Viele Bauten und Kaffeehäuser zeugen von der österreichischen Herrschafft.
- Aus der Schweiz ist Triest bequem per Zug erreichbar.
Neulich erzählte ich in einer Runde von meiner Reise nach Triest. «Triest? Da war ich noch nie», sagte Valentina, die junge Mailänderin. Und es klang wie eine Entschuldigung. «Oh Triest, die Stadt ist einzigartig in Italien», sagte Martino, der andere Norditaliener.
Aus der Schweiz bequem per Zug (mit Umstieg in Milano) erreichbar, hat Triest wirklich so einiges zu bieten.
Die Stadt zählt über 200’000 Einwohner und liegt direkt an der Grenze zu Slowenien. Es gibt seit 1924 eine Universität, bekannt sind vor allem die beiden Observatorien für Astronomie beziehungsweise Geophysik. Doch letztlich steht und fällt alles mit dem Hafen.
Nicht umsonst sind das Schiffbauunternehmen Fincantieri und die Reederei Italia Marittima (ehemals Lloyd Triestino beziehungsweise Österreicher Lloyd) hier.
Erinnerungsstücke der österreichischen Herrschaft
Der Meeresanschluss war auch der Grund, weshalb in Triest von 1382 bis 1918 die habsburgisch-österreichische Flagge wehte: In Triest war der einzige grosse Seehafen der Habsburgermonarchie. Er nahm eine entsprechend wichtige strategische Rolle ein.
Entscheidend für die Entwicklung der Stadt war, als unter dem österreichischen Kaiser Karl VI. im Jahr 1719 Triest zum Freihafen wurde: Einen beträchtlichen Teil seines Wohlstandes ist darauf zurückzuführen.
Dies zeigt sich noch heute. Triest verfügt über eine Vielzahl klassizistischer Bauwerke. Sie erinnern an die Zeit der österreichischen Herrschaft und machen es zu einer atypischen italienischen Stadt. Auch die zahlreichen Kaffeehäuser sind Zeuge davon.
Mit österreichischer Unterstützung löste Triest Venedig in seiner führenden Rolle im Handel mit dem Nahen Osten ab. Und entwickelte sich zum grössten Handelszentrum der Adria. Dies verstärkte sich mit der Eröffnung des Suezkanals im Jahr 1869 zusätzlich.
Triest will in die Kreuzfahrt-Bresche springen
Heute, wo Venedig als Hafen für Kreuzfahrtschiffe einen restriktiveren Kurs fährt, könnte sich die Geschichte ein Stück weit wiederholen. Triest will in die Bresche springen und sich noch stärker als sicheren Hafen in Position bringen.
Triest hatte viele Herrscher. Mal war es Teil des Frankenreiches, dann gehörte es zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, dem Deutschen Bund. Später war es Teil des Kaisertum Österreichs. Und am Ende griffen die jugoslawischen Partisanen Titos nach Triest, bevor es Italien zugeschlagen wurde.
Kultureller Schmelztiegel und literarischer Hotspot
Triest wurde mit der Zeit zu einem regelrechten kulturellen Schmelztiegel und avancierte zeitweise zur literarischen Hauptstadt Mitteleuropas. 1902 gab es in der Stadt 560 Zeitungen und Zeitschriften. Neben italienischen waren dies vor allem slawische, deutsche, griechische und französische Presseerzeugnisse.
Triest war lange Zeit ebenso ein beliebter Hafen für Literaten. Der bekannteste unter ihnen war der irischen Schriftsteller James Joyce. Über ein Jahrzehnt lebte er in Triest. Er fiel unter anderem durch seinen regen Wohnungswechsel auf.
Er habe die Miete nie bezahlt, deshalb sei er so oft umgezogen, heisst es. «In ein paar Fällen stimmt dies auch. Doch der eigentliche Grund war seine immer grösser werdende Familie», sagt Riccardo Cepach vom James Joyce-Museums in Triest.
Auf den Spuren von James Joyce
Joyce hat in Triest den «Dubliner» zu Ende geschrieben und seinen legendären Roman «Ulysses» entworfen. Die Geschichte spielt zwar in Dublin. Doch vieles, von dem er schrieb, traf er in Triest an.
Wäre ohne die Zeit in Triest «Ulysses» nicht entstanden? So weit würde Cepach nicht gehen: «Ulysses wäre ohne Triest ganz einfach ein anderer Roman.» Für die Stadt ist er auf alle Fälle ein Glücksfall.
Dessen stimmt auch Cepach zu: «Joyce ist wie ein Rockstar für die Literaturwelt.» Und zieht noch immer Gäste an.