Darf man einem fremden Hund den Kopf tätscheln?
Wer gerne Hunde mag, möchte sie bei einer Begegnung auch mal streicheln. Um negative Erfahrungen zu verhindern, sollte man aber einiges beachten.
Das Wichtigste in Kürze
- Einen fremden Hund sollte man nicht einfach anfassen oder streicheln.
- Stattdessen sollte man zunächst auf die Hundesignale achten: Was möchte das Tier selbst?
- Beim eigenen Hund ist es anders: Man kennt ihn, es ist alles erlaubt, was ihm gefällt.
Beim Verlassen des Hauses kommt einem der neue Nachbarhund freudig entgegen. Während er am Hosenbein schnüffelt, tätschelt man ihm liebevoll über den Kopf.
Die Nachbarin grüsst zwar freundlich, aber nimmt den Hund zur Seite. War das Streicheln keine gute Idee?
Vor allem niedliche Hunde mit flauschigem Fell verführen viele Menschen dazu, sie zu berühren, ohne den Besitzer zu fragen. Dabei sollte man das Streicheln lieber unterlassen:
«Eine fremde Person sollte nicht ohne Weiteres auf einen Hund zugehen und ihn anfassen wollen», sagt Barbara Schöning, Fachtierärztin für Verhaltenskunde und eine der Autorinnen von «Hunde – alles, was man wissen muss».
Beobachten statt Streicheln
Da man bei einem fremden Hund nicht wisse, an welchen Stellen er gern oder ungern gestreichelt wird, könne er sich bedroht fühlen:
«Ich weiss nicht, ob der fremde Hund das Anfassen als Bedrohung interpretiert, dann Angst bekommt und eventuell aggressiv reagiert», sagt Schöning. Daher sollten fremde Hunde nur beobachtet werden.
Auch wenn ein Hund im Park auf einen Fremden zugeht, bedeute das nicht, dass er gestreichelt werden möchte. Hunde seien einfach neugierig. Daher solle man auch dann vermeiden, ihn anzufassen:
«Ich würde einen fremden Hund schnüffeln lassen und dann gegebenenfalls weitergehen», sagt Schöning. Auch wenn man sich gut mit Vierbeinern auskennt, sollte man das Streicheln lieber lassen oder zumindest den Besitzer vorher um Erlaubnis fragen.
Doch was mache ich als Besitzer, wenn jemand ungefragt meinen Hund tätschelt und ich das nicht möchte?
Schöning rät zu folgender Erklärung: «Mein Hund schätzt es nicht, wenn er gestreichelt wird.» Allerdings akzeptieren manche Menschen diese Begründung nicht.
«Da würde ich einfach sagen: Mein Hund hat Flöhe oder er beisst», sagt Rene Luczyk, Inhaber der Hundeschule «Pfotentreff».
Signale richtig deuten
Wenn man zu Besuch bei Hundebesitzern ist, ist der Kontakt zu den Tieren länger, der Hund nach einiger Zeit vertrauter. Dann könnte man versuchen, ihn vorsichtig zu streicheln.
Man sollte aber auf Signale achten: Will der Hund berührt werden, mache er laut Schöning einen entspannten Eindruck und drücke sich etwa an den Menschen heran. Beim Streicheln solle der Körper des Hundes unter der Hand locker sein.
Sei der Hund dagegen angespannt, sollte man ihn keinesfalls streicheln. Dies zeige sich durch einen leicht abgewandten Kopf, bevor dann auch der Körper angespannt wird.
«Sobald die Hunde sich wegdrehen, wollen sie aus der Situation raus», erklärt Rene Luczyk. Ein weiteres Signal für Ablehnung ist es, wenn der Hund sein Gewicht auf die andere Seite verlagert.
Auch zugekniffene Augen, nach hinten gerichtete Ohren oder völlig regungslose Hunde seien kein gutes Zeichen:
«Viele Hunde frieren auch ein, wenn ihnen etwas unangenehm ist», sagt Justina Lempe, Gründerin einer Hundeschule und Autorin von «Mein Hund – mein Freund: Das Trainingsbuch für Jugendliche».
Sie empfiehlt Hundeliebhabern zu warten, bis der Hund auf sie zukommt. Wenn man beispielsweise bei Hundebesitzern zu Besuch sei, könne man sich an den Tisch setzen und schauen, wie der Hund reagiert.
Dieser könne dann unter den Tisch kriechen und sich langsam an den Menschen herantasten. Da die Signale des Hundes für Menschen ohne Hundeerfahrung und Kinder nicht gut zu erkennen sind, sollten sie besonders vorsichtig sein.
Das gilt auch bei Welpen, die laut Luczyk und Lempe gerne mal in die Hand beissen. «Junge Hunde wollen lieber spielen», erklärt Justina Lempe.
Fremde Hunde nur am Rücken streicheln
Wenn klar ist, dass der Hund gerne gestreichelt werden möchte, sollte man laut Rene Luczyk dafür am besten in die Hocke gehen, anstatt sich über ihn zu beugen, denn das könnte er als Bedrohung wahrnehmen. Dann solle man ihn erst an der Hand schnüffeln lassen.
Lempe findet das dagegen unnötig, da die Vierbeiner auch mit zwei Metern Abstand gut riechen würden: «Aus der Hundesicht ist das sehr unhöflich, weil das eine Vorwärtsbewegung in die Individualdistanz ist.»
Sie würden Beschwichtigungssignale zeigen, wie Gähnen oder Lecken über den Nasenspiegel, weil sie sich mehr Distanz wünschten.
Die Experten sind sich einig, dass man einem fremden Hund nicht in die Augen starren sollte. Ausserdem solle man ihn lieber nicht am Gesicht, am Kopf oder am Bauch streicheln. Auch Umarmungen seien tabu.
Der Hund fühle sich dadurch eingeengt, könne aggressiv reagieren. «Ich falle einem fremden Menschen auch nicht einfach so um den Hals», sagt Luczyk.
Auch während der Nahrungsaufnahme sollte ein Hund nicht gestreichelt werden. Das führe dazu, dass der Hund anfange zu schlingen oder sogar beisst, da er sein Futter verteidigen möchte.
Vorlieben des eigenen Hundes berücksichtigen
Während man bei einem fremden Hund bestimmte Partien nicht berühren sollte, ist beim eigenen Hund alles erlaubt, was diesem gefällt.
«Der Besitzer weiss ja in der Regel am besten, wo und wie sein Hund gerne angefasst wird. Da gibt es kein richtig oder falsch», sagt Schöning.
Viele Hunde legen sich laut Justina Lempe auf den Rücken und präsentieren ihren Bauch, das sei ein eindeutiges Zeichen, dass sie sich dort Streicheleinheiten wünschen.
Auch wenn sie ihren Kopf an ihren Besitzer legen oder anders Körperkontakt suchen, sei Schmusen erwünscht.
Ein No-Go ist für Luczyk, den Hund an die Seite zu klopfen. «Das ist eine schreckliche Angewohnheit». Das gefalle keinem Hund und könne im schlimmsten Fall zu inneren Verletzungen führen.