7839 Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen wollen Geld

Seit 2017 ist ein Gesetz in Kraft, welches die Aufarbeitung von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen verlangt. Betroffene können noch bis Ende März einen Solidaritätsbeitrag verlangen.

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Ehemalige Verdingkinder konnten sich bis März 2018 melden: Alles wieder gut? - Nau

Das Wichtigste in Kürze

  • Bis in die 1980er-Jahre war die Praxis von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen schweizweit an der Tagesordnung.
  • Seit April 2017 wird nun per Gesetz die intensive Aufarbeiten mit dem Thema verlangt.
  • Nun sind 7839 Gesuche von Opfern für einen Solidaritätsbeitrag beim Bundesamt für Justiz eingetroffen.

Es ist eines der dunkelsten Kapitel der Schweizer Geschichte – Verdingkinder, Heimkinder, Zwangssterilisationen oder -kastrationen. Bis in die 1980er-Jahre wurden sogenannte fürsorgerische Zwangsmassnahmen durchgeführt und bescherten tausenden von Menschen ein tragisches Schicksal.

Bis jetzt sind 7839 Gesuche beim Bundesamt für Justiz eingetroffen, erklärt Luzius Mader, der stellvertretender Direktor des Bundesamtes. Er sagt, dass diese Anzahl an Gesuchen in etwa der Zahl entspreche, die sie erwartet hätten.

Uneheliches Kind

War eine Mutter alleinerziehend oder hatte ein uneheliches Kind, wurde ihr der Sprössling weggenommen, verkauft oder zur Zwangsadoption freigegeben. Was mit diesen Kindern danach geschah, interessierte so gut wie niemanden mehr.

Ein Recht auf Wiedergutmachung

«Es ist an der Zeit, dass wir etwas tun, was man Ihnen allen bisher verweigert hat», sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga bereits 2013 an einem Gedenkanlass für ehemalige Verdingkinder und entschuldigte sich damit öffentlich. «Für das Leid, das Ihnen angetan wurde, bitte ich Sie im Namen der Landesregierung aufrichtig und von ganzem Herzen um Entschuldigung.»

Ehemalige Verdingkinder lancierten eine Wiedergutmachungs-Initiative, um dieses Kapitel wissenschaftlich aufzuarbeiten und einen Fonds von 500 Millionen Franken für die Opfer bereitzustellen. Der Bundesrat machte einen Gegenvorschlag mit 300 Millionen, welcher vom Parlament deutlich angenommen wurde. Die Initianten zogen daraufhin ihre Forderung zurück. Somit war der Weg geebnet für eine möglichst rasche finanzielle Auszahlung.

Bundesamt für Justiz: Kapitel ist nie abgeschlossen

Seit dem 1. April 2017 ist nun das Gesetz zur Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 in Kraft getreten. Betroffene, welche heute alles ältere Menschen sind, können noch bis Ende März 2018 ein Gesuch um einen Solidaritätsbeitrag stellen.

«Eine Wiedergutmachung ist nicht möglich», ist sich Luzius Mader bewusst. Doch er empfinde es als wichtig für alle Betroffenen und auch für die Schweizer Geschichte, dass dieses dunkle Kapitel aufgearbeitet wird. «Ganz abschliessen wird man das Kapitel jedoch nie können», sagt Mader und meint, dass eben genau die Aufarbeitung auch dazu beitragen soll, dass sich so etwas nie wieder wiederholen kann.

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