Drohende Eskalation: USA werfen Iran Angriff vor
Der Ölpreis ist nach den Drohnenangriffen in Saudi-Arabien sprunghaft angestiegen. Es steht eine militärische Konfrontation mit dem Iran im Raum. China, Russland und Deutschland rufen zur Besonnenheit auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Angriffe auf Ölanlagen in Saudi-Arabien haben die Sorge vor einer militärischen Eskalation im Nahen Osten befeuert und den Ölpreis sprunghaft steigen lassen.
Deutschland, Russland und China riefen alle Beteiligten am Montag zu Besonnenheit auf. US-Präsident Donald Trump hatte kurz zuvor Vergeltungsschläge angedroht. Mitglieder der US-Regierung machten den Iran weiter für die Drohnenangriffe auf Ölanlagen am Samstag verantwortlich. «Das war ein vorsätzlicher Angriff auf die Weltwirtschaft und den globalen Energiemarkt», sagte US-Energieminister Rick Perry am Montag bei einem Treffen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien.
Russland warnte vor überstürzten Handlungen. «Wir fordern alle Länder auf, keine voreiligen Schritte zu tun oder Schlussfolgerungen zu ziehen, die die Situation verschärfen könnten», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Agentur Interfax zufolge. Auch China mahnte zur Zurückhaltung und erklärte, es sei noch nicht eindeutig klar, wer für die Angriffe verantwortlich sei. Alle Betroffenen sollten davon absehen, die Spannungen weiter eskalieren zu lassen, sagte Aussenamtssprecherin Hua Chunying.
In Berlin forderte Aussenminister Heiko Maas eine eingehende Untersuchung zu den Urhebern der Angriffe. «Und das müssen wir mit der notwendigen Besonnenheit tun, aber die Lage ist ausserordentlich besorgniserregend», so Maas.
Im UN-Sicherheitsrat in New York verurteilte Jemen-Vermittler Martin Griffiths den Angriff in Saudi-Arabien. Die neue UN-Botschafterin der USA, Kelly Craft, bekräftigte die Darstellung Washingtons, dass es Hinweise für einen Angriff des Irans gebe.
Am Wochenende hatten sich vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen im Jemen zu den Angriffen bekannt. Die Führung in Teheran bestritt jedoch jede Tatbeteiligung. Saudi-Arabien erklärte, bei den Angriffen seien ersten Erkenntnissen zufolge iranische Waffen benutzt worden, Drohnen des Typs «Ababil», wie ein Sprecher einer von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition sagte. Die Angriffe seien jedoch nicht von jemenitischem Boden aus gestartet worden.
Die Ölpreise stiegen am Montag so stark wie seit Jahrzehnten nicht. Zunächst legten die Preise zeitweise um bis zu 20 Prozent zu. Am Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) noch rund 10 Prozent mehr als am Freitag. Der Preis für ein Barrel Öl der Nordseesorte Brent lag bei 66,41 US-Dollar. Investoren waren offenbar wegen der niedrigeren Produktion Saudi-Arabiens und der Möglichkeit einer weiteren Eskalation besorgt.
US-Präsident Donald Trump sagte den Verbündeten Amerikas im Nahen Osten erneut die Unterstützung Washingtons zu. Die USA seien inzwischen ein so grosser Energieproduzent, dass Öl und Gas aus der Region nicht mehr gebraucht würden, erklärte er am Montag auf Twitter. «Aber wir werden unseren Verbündeten helfen», schrieb er - ohne dabei Saudi-Arabien direkt beim Namen zu nennen.
Trump hatte am Sonntag bereits mit einem Vergeltungsschlag gedroht. Die USA stünden Gewehr bei Fuss, warteten aber auf Angaben der saudischen Führung, wen sie für den Angriff verantwortlich mache, erklärte er. Aussenminister Mike Pompeo hatte die «beispiellosen» Angriffe zuvor dem Iran zur Last gelegt, Trump äusserte sich nicht eindeutig. Der Iran behaupte, nichts damit zu tun gehabt zu haben, aber die Islamische Republik hätte auch zuvor schon «sehr grosse Lügen» verbreitet. «Wir werden es sehen?», schrieb er am Montag auf Twitter. Trump hatte am Wochenende für den Fall von Engpässen auch die Freigabe nationaler Ölreserven der USA gebilligt.
Der einflussreiche US-Senator und Trump-Vertraute Lindsey Graham hatte sich schon am Samstag dafür ausgesprochen, iranische Ölraffinerien anzugreifen. Ein solcher Schritt würde der Führung in Teheran «das Rückgrat brechen», schrieb er auf Twitter.
Am Samstagmorgen hatten mehrere Explosionen Anlagen des saudischen Ölkonzerns Saudi Aramco erschüttert. Nach Angaben des Konzerns ist der Komplex in Abkaik die grösste Raffinerie des Landes. Ersten Angaben zufolge führten die Angriffe zu einem drastischen Einbruch der Produktionsmenge. Die Ölproduktion sei um 5,7 Millionen Barrel auf etwa die Hälfte des üblichen Tages-Volumens zurückgegangen, hatte die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA berichtet.
Saudi-Arabien führt ein Militärbündnis an, das die Huthis im Jemen unter anderem mit Luftangriffen bekämpft. Das sunnitische Königreich sieht in den Rebellen einen engen Verbündeten seines schiitischen Erzrivalen Iran. Die Huthis greifen Saudi-Arabien regelmässig mit Drohnen und Raketen an. Vertreter der US-Regierung erklärten Medienberichten zufolge, die Angriffe vom Wochenende seien so komplex gewesen, dass die Huthis sie nicht alleine hätten ausgeführen können.
Jemens Huthi-Rebellen drohten dem Nachbarland unterdessen mit weiteren Angriffen. «Wir versichern dem saudischen Regime, dass unser langer Arm jeden von uns gewünschten Ort zum von uns bestimmten Zeitpunkt erreichen kann», erklärte Huthi-Sprecher Jihja Sari am Montag. Er warnte zudem Firmen und Ausländer davor, sich in den bombardierten Ölanlagen aufzuhalten, da diese jederzeit getroffen werden könnte. Von Saudi-Arabien forderte er, seine «Aggression» gegen den Jemen einzustellen und die Blockade des Landes zu beenden.
Seit der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens durch die US-Regierung vor gut einem Jahr haben die Spannungen zwischen Washington und Teheran immer weiter zugenommen. Die USA wollen den Iran mit harten Sanktionen zum Einlenken bewegen. Die Strafmassnahmen haben im Iran eine Wirtschaftskrise ausgelöst. Der Iran will nun sein Atomprogramm wieder hochfahren. Zuletzt kam es auch vermehrt zu Zwischenfällen in der für den Öltransport wichtigen Strasse von Hormus. Die USA haben ihre Militärpräsenz in der Region verstärkt.
Die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) beschlagnahmten indes nach eigenen Angaben im Persischen Golf ein Schiff mit 250 000 Litern illegalem Öl am Bord. Alle Schmuggler am Bord seien festgenommen worden, teilten die IRGC am Montag mit. Im Persischen Golf gibt es immer wieder Schiffe und Boote, die illegal Öl und Gasöl in benachbarten Golfstaaten schmuggeln.