Biden wirbt für Investitionspakete - Zahlungsausfall droht
Das Wichtigste in Kürze
- Vor einer mit Spannung erwarteten Woche im US-Kongress hat Präsident Joe Biden noch einmal für seine beiden geplanten gewaltigen Investitionspakete geworben.
«Beide müssen verabschiedet werden, und sie werden grosse Wirkung haben», sagte Biden am Freitag im Weissen Haus. Am kommenden Montag könnte das Repräsentantenhaus über das von ihm angestossene Infrastrukturpaket entscheiden - endgültig festgelegt ist der Zeitplan allerdings noch nicht. Die Entscheidung über das zweite grosse Paket, mit dem Biden im grossen Stil unter anderem in Familien, Bildung und Soziales investieren will, könnte sich dagegen noch hinziehen, wie der Präsident am Freitag einräumte. Bei den Verhandlungen darüber gebe es derzeit ein Patt, sagte Biden. «Das wird etwas dauern.»
Biden hatte zu seinem Amtsantritt Pläne für billionenschwere Investitionen in die Infrastruktur und die Sozialsysteme des Landes vorgelegt. Da es bei den Republikanern von Anfang an Vorbehalte angesichts der immensen Ausgaben gab, splitteten Biden und seine Demokraten die Vorhaben in zwei Pakete auf.
Das Paket mit klassischen Infrastrukturinvestitionen, mit dem Strassen, Brücken sowie andere Verkehrs- und Energienetze in den USA modernisiert werden sollen, hatte im August nach monatelangen Verhandlungen bereits den Senat passiert - mit Unterstützung von Republikanern. Nun steht noch das finale Votum im Repräsentantenhaus aus. Vorgesehen sind über die nächsten Jahre verteilt rund 550 Milliarden US-Dollar an neuen Investitionen in die Infrastruktur. Insgesamt, inklusive schon vorher veranschlagter Mittel, hat das Paket einen Umfang von mehr als einer Billion Dollar.
Das zweite Paket sieht einen Ausbau der Sozialleistungen im Land vor. Biden will zum Beispiel mehr in Bildung und Kinderbetreuung investieren, Familien mehr unterstützen und sie steuerlich entlasten und zugleich Geld für den Kampf gegen die Klimakrise in die Hand nehmen. Dieses Paket hat einen Umfang von 3,5 Billionen Dollar, ebenfalls verteilt über mehrere Jahre. Finanziert werden sollen diese Vorhaben durch Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben. Biden betonte am Freitag erneut, die Ausgaben seien komplett gegenfinanziert.
Gegen dieses zweite Paket sperrten sich die Republikaner rigoros. Daher wollen die Demokraten es mit Hilfe eines parlamentarischen Sonderverfahrens aus eigener Kraft durch den Kongress bringen. Sie haben in beiden Kammern aber nur sehr knappe Mehrheiten, und auch bei ihnen sind die Pläne umstritten. Einige moderate Demokraten sehen die hohen Ausgaben kritisch, während sich einige progressive Demokraten noch mehr gewünscht hätten. Letztere drohten zum Teil damit, das Infrastrukturpaket zu blockieren, sofern nicht zugleich das grössere zweite Paket gesichert sei. Moderate Demokraten wiederum drängelten, das Infrastrukturpaket zur Abstimmung auf die Agenda zu setzen.
Die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte daher als Kompromiss zugesagt, über das Infrastrukturpaket bis zum 27. September, bis zu diesem Montag, abstimmen zu lassen - in der Hoffnung, dass bis dahin auch der Streit über das zweite Paket geklärt wäre. Die Zeit drängt daher, zu einer Gesamtlösung zu kommen.
In den vergangenen Wochen liefen angestrengte Verhandlungen über die Vorhaben, in die sich auch Biden intensiv einschaltete, um Mehrheiten zu organisieren. Für ihn sind die Pakete zentrale Vorhaben seiner Präsidentschaft - quasi sein Vermächtnis. Tatsächlich wären die gross angelegten Investitionen in soziale Leistungen und die Steuererhöhungen für Spitzenverdiener ein Paradigmenwechsel im Land. Und angesichts der nahenden Kongresswahlen im kommenden Jahr, zur Halbzeit seiner Amtszeit, drängt die Zeit für Biden, seine Kernanliegen durchzusetzen, solange seine Demokraten noch eine wenn auch noch so dünne Mehrheit in beiden Kongresskammern haben. Zumindest im Senat droht der Verlust der Mehrheit bei der Wahl 2022.
Auch an anderer Stelle steht Biden unter Druck. Demokraten und Republikaner streiten noch über ein weiteres Haushaltspaket, ohne das der US-Regierung zum 1. Oktober das Geld ausginge. Das hiesse, ohne eine Einigung kämen in der kommenden Woche Teile der Regierung zum Stillstand. Bei einem solchen «Shutdown», zu dem es in den USA öfter kommt, werden Staatsbedienstete zum Teil zwangsbeurlaubt oder müssen vorübergehend ohne Bezahlung arbeiten, bestimmte Behördendienste können eingeschränkt und Zahlungen ausgesetzt werden. All das will die Biden-Regierung unbedingt vermeiden.
Das Repräsentantenhaus hatte dieses Haushaltspaket vor wenigen Tagen mit den Stimmen der Demokraten bereits beschlossen. Im Senat sperren sich die Republikaner bislang aber dagegen. Vorgesehen ist darin auch, die Schuldenobergrenze vorerst auszusetzen. Ohne eine Anhebung der Schuldenobergrenze durch den Kongress droht der US-Regierung laut Finanzministerin Janet Yellen im kommenden Monat der Zahlungsausfall. Es sei nicht möglich, einen genauen Tag zu nennen, aber der Regierung werde noch «im Lauf des Monats Oktober» das Geld ausgehen, warnte Yellen Anfang September. Falls die Regierung ihre Schulden im Oktober nicht mehr bedienen könnte, drohten der US-Wirtschaft und den Finanzmärkten rund um die Welt «nicht wieder gutzumachender Schaden».
Die zuletzt gültige Grenze war im Juli ausgelaufen, weswegen die Regierung zur Begleichung ihrer Ausgaben keine neuen Schulden mehr machen kann. Seither greife man zu «ausserordentlichen Massnahmen», um einen Zahlungsausfall zu verhindern, erklärte Yellen.