Im US-Kampf gegen Huawei steht Europa im Fokus
Das Wichtigste in Kürze
- In dieser Woche wollte sich eigentlich die internationale Mobilfunkbranche in Barcelona treffen.
Weil viele Aussteller ihre Mitarbeiter und Kunden vor den Gesundheitsgefahren durch den neuartigen Coronavirus bewahren wollten, wurde die weltgrösste Mobilfunkmesse aber abgesagt, obwohl gerade die chinesischen Konzerne bis zum Schluss unbedingt nach Spanien kommen wollten.
In Barcelona bleiben die Hallen also leer. Doch beim Schlüsselthema 5G richten sich die Blicke auf Europa, denn es geht um die Frage, ob die Europäer beim Aufbau ihrer 5G-Netze (auch) auf Technik des chinesischen Technologie-Giganten Huawei setzen werden.
Für Huawei steht in diesen Tagen viel auf dem Spiel. Das Unternehmen wird seit Monaten von der Administration von US-Präsident Donald Trump attackiert.
Huawei lege mit seiner Mobilfunk-Technik das Fundament für kommende Spionage-Angriffe chinesischer Geheimdienste, lautet ein zentraler Vorwurf - ohne dass die Amerikaner dafür bisher konkrete Belege vorlegten. «Sie hoffen, dass ein Teil des Schlamms hängen bleibt, wenn sie genug Schlamm auf uns werfen», sagte Huawei-Manager John Suffolk auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Zuvor hatte der US-Sonderbeauftragte für internationale Telekommunikationspolitik, Robert B. Blair, schwere Vorwürfe gegen Huawei erhoben und verlangt, dass sich der Konzern von der chinesischen Regierung distanzieren müsse.
So wie in München versuchen die USA nun auf allen diplomatischen Kanälen, Grossbritannien und die Staaten der Europäischen Union zu einem Huawei-Verzicht zu drängen. Bislang sind die Europäer nicht auf den Kurs einer Total-Blockade eingeschwenkt. Die EU-Kommission und die britische Regierung sprachen sich zuletzt aber dafür aus, «risikobehaftete Anbieter» aus Kernbereichen der 5G-Netze fernzuhalten. In diese Kategorie würde auch Huawei fallen, ohne dass der Konzern beim Namen genannt wird.
Die Zurückhaltung hat mehrere Ursachen. Zum einen befürchtet vor allem die deutsche Bundesregierung Boykott-Aktionen Chinas gegen Unternehmen aus Deutschland, sollte Huawei explizit verbannt werden.
Ein Totalverzicht würde auch teuer: Die Europäer haben schon beim Aufbau der 4G-Netze oft Huawei-Technik verbaut. Und da 4G und 5G nahtlos ineinander übergehen, könnte man zunächst vorhandene LTE-Anlagen von Huawei aus dem Netz reissen müssen, bevor man neue Technik der europäischen Huawei-Konkurrenten Nokia und Ericsson verbaut.
Das würde eine Unmenge kosten. Manche Schätzungen gehen von einem Betrag von bis zu 55 Milliarden Euro aus. Dazu kommen zusätzliche Kosten beim 5G-Netzaufbau, denn die Anlagen von Nokia und Ericsson sind teurer als die Geräte von Huawei. «Bei gleicher Grösse versorgen unsere Basisstationen drei Mal mehr Benutzer als die Basisstationen anderer, und der Stromverbrauch beträgt nur ein Drittel der anderen», behauptet Huawei-Top-Managerin Catherine Chen.
Die Provider haben keine grosse Auswahl, wenn es um die Beschaffung von 5G-Anlagen geht. Neben den chinesischen Konzernen Huawei und ZTE und den beiden europäischen Wettbewerbern Ericsson und Nokia kann eigentlich nur noch der Samsung-Konzern aus Südkorea schlüsselfertige Anlagen liefern.
Der deutsche Vorzeigekonzern Siemens war früher noch am Aufbau von 2G- und 3G-Mobilfunknetzen beteiligt. So stammte die Technik für das erste UMTS-Netz (3G) in Hongkong aus Deutschland. Siemens gelang es aber nie, das Geschäft wirtschaftlich auf ein stabiles Fundament zu stellen. So gab es erst ein Joint-Venture mit Nokia - und dann überliess Siemens das Know-how ganz den Finnen.
Die USA stehen wie Deutschland beim Zukunftsthema 5G ohne eigene Industrie da. Selbst die Wissenschaftler in den legendären Bell Laboratories, die früher zum US-Telekomriesen AT&T gehörten, forschen inzwischen am Thema 5G für einen Arbeitgeber ausserhalb der USA. Bell Labs landete erst beim US-Netzspezialisten Lucent, der 2004 vom französischen Konkurrenten Alcatel übernommen wurde. Alcatel-Lucent - und damit auch die Forscher in den Bell Labs - wurden dann 2016 von Nokia geschluckt. In Kreisen europäischer Rivalen wird argumentiert, die auch von staatlicher Unterstützung befeuerte globale Expansion von Huawei habe die Konzentration beschleunigt.
Trump möchte nun am liebsten die Uhr zurückdrehen. Doch der Aufbau einer umfassenden 5G-Kompetenz in den USA ist eine komplexe Aufgabe, für die der US-Präsident bisher nur skurrile Vorschläge präsentierte. So forderte er Apple-Chef Tim Cook auf, der iPhone-Hersteller möge sich am Aufbau der neuen Mobilfunktechnik in den USA beteiligen. «Die haben alles - Geld, Technik, Vision und Cook», schrieb Trump auf Twitter - obwohl Apple noch nie an der Entwicklung von Mobilfunkstationen oder Netzwerkknoten beteiligt war.
Weniger Kopfschütteln lösen dagegen Gedankenspiele aus, US-Tech-Firmen wie den Netzwerkspezialisten Cisco oder den Chiphersteller Qualcomm in den 5G-Infrastrukturmarkt zu lenken, weil diese mit ihrem Kerngeschäft dichter an dem Thema dran sind. Um mit Huawei mithalten zu können, müssten die Amerikaner aber Milliarden in die Hand nehmen, um das spezielle Know-how selbst aufzubauen oder durch Übernahmen einzukaufen.
Der langjährige CIA-Spezialist Thomas Donahue schlug in einem Strategiepapier Ende Januar vor, eine Übernahme der beiden führenden europäischen Spezialisten - also Nokia und Ericsson - ins Auge zu fassen. Es reiche nicht aus, sie mit Aufträgen zu versorgen, weil man in einem Konfliktfall zu wenig Einfluss hätte.
US-Justizminister William Barr griff vor zwei Wochen das Gedankenspiel von Donahue auf und sagte, die Vereinigten Staaten sollten ihre «finanziellen Muskeln» spielen lassen, um Nokia und Ericsson zu unterstützen. US-Vizepräsident Mike Pence wies allerdings sofort die Idee einer US-Beteiligung an den beiden europäischen Firmen zurück. Die Vereinigten Staaten könnten 5G bereitstellen, indem sie sich auf «die Macht des freien Marktes» sowie auf US-Konzerne verliessen, sagte er dem Fernsehsender CNBC.
Selbst wenn sich die Übernahmeideen von Donahue und Barr zerschlagen, können Nokia und Ericsson auf goldene Zeiten hoffen. Nach Jahren des langsamen Wachstums und der Restrukturierung werden die Konzerne alleine von den Vergabe-Quoten profitieren, wie sie zuletzt von den britischen Providern BT Group und Vodafone festgelegt wurden.