Joe Biden: Alles, aber nicht Trump
Erfahren, einfühlsam, auf ganzer Linie ein Gegenentwurf zu Präsident Trump: Der Mensch Joe Biden ist ein Hauptargument, das die Demokraten für seine Wahl im November anführen. Wird es die Wähler überzeugen?
Das Wichtigste in Kürze
- Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten war Polit-Veteran Joe Biden fast schon abgeschrieben.
Dann gelang ihm bei den Vorwahlen ein fulminantes Comeback.
Nun haben die Demokraten den 77-Jährigen offiziell als Kandidaten nominiert, der am 3. November gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump antreten soll. Umfragen sehen den Ex-Vizepräsidenten derzeit vor dem US-Präsidenten.
DER WEG IN DIE POLITIK
Biden wurde am 20. November 1942 in Scranton im Bundesstaat Pennsylvania geboren. Der Jurist begann seine Politiker-Karriere im Stadtrat von Wilmington (Delaware), wo er heute mit seiner zweiten Ehefrau Jill lebt. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Ashley Blazer. Im Alter von nur 29 Jahren wurde Biden 1972 in den US-Senat gewählt.
DER ERSTE SCHICKSALSSCHLAG
Der Triumph bei der Senatswahl 1972 wurde von einer Tragödie überschattet, als Bidens erste Ehefrau Neilia und die gemeinsame Tochter Naomi bei einem Autounfall getötet wurden. Die Söhne Beau und Hunter wurden verletzt. «Was mich gerettet hat, waren wirklich meine Jungs», sagte Biden kürzlich in einem Interview. Über seinen ältesten Sohn Beau sagt Biden, dieser hätte eines Tages für das Präsidentenamt kandidieren können.
WAS BIDEN EINEN SINN GEGEBEN HAT
Doch es kam zu einem weiteren Schicksalsschlag: 2015 starb Beau an den Folgen eines Hirntumors. Kurz vor seinem Tod habe Beau zu Biden gesagt: «Dad, du musst mir versprechen, dass es dir gut gehen wird», erinnert sich Biden. Er habe gewusst, was Beau damit gemeint habe: Er sei besorgt gewesen, dass er allem den Rücken kehren würde, für das er in seinem Leben gearbeitet habe. Das Versprechen an Beau habe seinem Leben einen Sinn gegeben.
Über seinen Sohn lernte Biden auch seine Vize-Kandidatin kennen - und es war Beaus Meinung über Kamala Harris, die bei seiner Entscheidung eine gewichtige Rolle spielte. Die beiden Juristen waren befreundet, als sie Generalstaatsanwälte und Justizminister waren - Harris in Kalifornien, Beau Biden in Delaware.
Bidens jüngerer Sohn Hunter lebte unstet. Seine Geschäfte in der Ukraine brachten Biden im vergangenen Jahr in Erklärungsnot. Trump wirft Biden vor, einst als US-Vizepräsident versucht zu haben, seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Mittlerweile lebt Hunter Biden in Kalifornien und arbeitet als Künstler.
DER WEG INS WEISSE HAUS
Im US-Senat vertrat Biden den Bundesstaat Delaware, bis er 2009 mit Trumps Vorgänger Barack Obama ins Weisse Haus einzog. Auf Bidens Wahlkampfseite heisst es unter einem Bild Obamas und Bidens: «Ein Kandidat für die Vizepräsidentschaft wird zu einem Freund fürs Leben.» 1988 und 2008 hatte sich Biden selber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten beworben - ohne Erfolg. Nun unternimmt er den womöglich letzten Anlauf, doch noch vom Oval Office aus die USA zu regieren.
GEGENENTWURF ZU TRUMP
Es sind die Charakterzüge Bidens, die die Demokraten im diesjährigen Wahlkampf herausstellen - und die ihn in krassem Kontrast zu seinem Rivalen Trump erscheinen lassen. Die frühere First Lady Michelle Obama sagte diese Woche, Biden sei ein «zutiefst anständiger Mann», er höre zu, werde die Wahrheit sagen und der Wissenschaft vertrauen. Vize-Kandidatin Harris sagte über den 77-Jährigen: «Er ist jemand, dessen erste Reaktion, wenn es hart wird, ist, nie an sich zu denken, sondern sich um alle anderen zu kümmern.» Herausgestellt wird auch Bidens politische Erfahrung.
Gegner werfen Trump immer wieder vor, das Gegenteil von alldem zu sein. Sollte Biden gewinnen, steht schon jetzt fest: Sein Erfolg dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass er auf ganzer Linie ein Gegenentwurf zum Amtsinhaber ist.