Kamala Harris ist schon in der Pole-Position für Präsidenten-Amt
Das Wichtigste in Kürze
- Kamala Harris ist die Vize-Präsidentschaftskandidatin an der Seite von Joe Biden.
- Die Senatorin ist politerfahren und hat sich einen Ruf als taffe Staatsanwältin gemacht.
- Sie könnte aber nicht nur erste Vize-, sondern auch erste Präsidentin werden.
Gestern Nachmittag verkündete US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden seine wichtigste Wahlkampf-Entscheidung: Kamala Harris wird seine «Running Mate», die Vizepräsidentin im Falle einer Wahl. Als Duo werden die beiden am 3. November gegen Donald Trump und seinen Vize Mike Pence antreten.
Dass Biden eine Frau auswählen wird, war seit Monaten klar. Der Druck, keine Weisse auszuwählen, ist in den letzten Wochen auch stark gestiegen. Auch wenn sie keine afrikanische Abstammung hat, wird Harris dennoch bei der Schwarzen Wählerschaft punkten können.
Die politerfahrene Juristin, die den bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Kalifornien als Senatorin vertritt, war schon zuvor als Favoritin gehandelt worden.
Sie war höchste Staatsanwältin Kaliforniens und hat sich in dieser Zeit mit Pädophilen, aber auch grossen Unternehmen und Banken angelegt. Ihr Leistungsausweis kann sich sehen lassen.
Harris wollte eigentlich selbst für die Demokraten ins Präsidentschaftsrennen steigen. Nach einem starken Start erwies sich ihre Kampagne in den parteiinternen Vorwahlen aber als chancenlos.
Biden verträgt noch etwas Power
Kamala Harris politisiert erst seit vier Jahren in Washington, hat sich aber schon viel Respekt verschafft. Sie gilt als starke Rednerin – besonders ihre Befragungen von Trumps Supreme Court Kandidat Brett Kavanaugh hat die Führung der Demokraten beeindruckt.
Die Senatorin ist auf einer ähnlichen Linie mit Biden, setzt sich insbesondere auch für Frauenrechte und Klimaschutz ein. Harris dürfte auch Biden etwas mehr Profil verleihen. Der oftmals zögerlich wirkende Präsidentschaftskandidat kann etwas weiblichen Power gut vertragen.
Wenig Angriffsfläche für die Republikaner
Wenige Minuten nach der Ankündigung twitterte Amtsinhaber Donald Trump schon ein Wahlkampfvideo, um Harris zu verleugnen. Sie sei eine «radikale Linke» und würde eine sozialistische Agenda ins Weisse Haus bringen.
Die Geschichte, die Trumps Wahlkampfteam vorbereitet hat, passt nicht zur 55-jährigen Senatorin. Harris gilt als gemässigt.
Damit wird auch schnell klar, um was es bei dieser Entscheidung ging. Joe Biden wollte nicht eine Vizekandidatin, die ihm viele Stimmen bringt, sondern eine, die ihn keine Stimmen kostet. Kamala Harris wird keine Wähler der Mitte vergraulen, die dann für Trump stimmen würden.
Progressive Wähler werden nicht wirklich abgeholt
Harris, als Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin, ist nicht nur die erste Farbige, die für dieses Amt nominiert ist. Sie wäre zugleich die erste Vizepräsidentin in der Geschichte der USA.
Trotzdem hat der linke Flügel Vorbehalte gegen die Senatorin aus Kalifornien. Dies ist vor allem auf ihre Zeit als Staatsanwältin und «Justizministerin» von Kalifornien zurückzuführen. Dort führte sie mit harter, eher polizeifreundlicher Hand.
Das hat die «Black Lives Matter»-Bewegung nicht vergessen. Sie wird von den Demonstranten teilweise auch als «nicht Schwarz» angesehen.
Aber Biden braucht vorderhand keine zusätzlichen Wähler, er führt in aktuellen Umfragen haushoch. Und für die Demokraten geht es sowieso in erster Linie darum, Donald Trump aus dem Oval Office zu jagen. Das will niemand torpedieren – auch der linke Flügel nicht.
Die erste Präsidentin der USA?
Spannend wird es vor allem nach der Wahl am 3. November. Schafft Biden den Sprung ins Oval Office, wäre er beim Amtsantritt 78 Jahre alt und somit ältester US-Präsident der Geschichte. Eine zweite Amtszeit ist damit sehr unwahrscheinlich.
Biden selbst bezeichnete sich immer wieder als «Übergangslösung». Das würde Kamala Harris in die Pole-Position rücken, um 2024 erste Präsidentin der USA zu werden. Sie könnte sich die nächsten vier Jahre im Weissen Haus profilieren und dann als logische Nachfolgerin von Biden kandidieren.
Hinzu kommt das Risiko, dass Biden als Präsident während der Amtszeit krank ausfällt oder sogar stirbt. In einem solchen Fall übernimmt der Vize automatisch den Posten des US-Präsidenten.
Die Entscheidung für Kamala Harris ist eine logische Folge der aktuellen Umfragewerte und der Strategie Bidens. Der Einfluss dieser Entscheidung dürfte jedoch weit über den 3. November nachhallen.