Missbrauchs-Vorwürfe gegen 395 Kirchenvertreter in Illinois
Die katholische Kirche hat es in vielen Ländern mit riesigen Missbrauchsskandalen zu tun. Auch in den USA kommen immer neue Vorwürfe ans Licht. Die neuesten düsteren Nachrichten kommen aus dem US-Staat Illinois, wo es schon länger Ermittlungen gibt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Missbrauchsvorwürfe gegen Vertreter der katholischen Kirche in den USA nehmen zu.
Im US-Staat Illinois wurden fast 400 katholische Priester und Laien öffentlich mit solchen Vorwürfen konfrontiert.
Das Anwaltsbüro Jeff Anderson & Associates, das auf Klerusmissbrauch spezialisiert ist, veröffentlichte in Chicago eine Liste mit 395 Namen. Die Verdächtigen arbeiten oder arbeiteten demnach im Erzbistum Chicago und fünf weiteren Diözesen. «Das Datenmaterial enthüllt das erschreckende Ausmass, in dem Priester Kinder bis zum heutigen Tag sexuell missbrauchen», heisst es in dem Report.
Im vergangenen Jahr hatten die Untersuchungen der Generalstaatsanwalt im US-Bundesstaat Pennsylvania einen grossen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in den USA aufgedeckt. Seitdem ermitteln in vielen Bundesstaaten die Behörden. Immer neue Fälle kommen ans Licht.
In Pennsylvania hatte die Staatsanwaltschaft 2018 einen Bericht vorgelegt, wonach sich mehr als 300 Priester in den vergangenen 70 Jahren an mehr als 1000 Kindern und Jugendlichen vergangen hatten. Die Kirchenoberen hatten nach Überzeugung der Ermittler trotz Kenntnis der Vorgänge teils nicht durchgegriffen oder Vorfälle sogar vertuscht. Die meisten Fälle sind strafrechtlich verjährt.
Der Bericht aus Pennsylvania schickte jedoch Schockwellen durch die katholische Kirche in den USA und führte letztlich auch zum Rücktritt des Erzbischofs von Washington, Kardinal Donald Wuerl.
Im Anschluss hatten mehrere Bundesstaaten Ermittlungen aufgenommen, immer mehr Betroffene meldeten sich. Auch in Illinois gibt es schon länger Ermittlungen. Die dortige Generalstaatsanwältin, Lisa Madigan, hatte im Dezember einen Bericht vorgelegt, wonach die katholische Kirche in dem US-Staat die Namen von mindestens 500 Priestern zurückgehalten habe, die des sexuellen Missbrauches von Kindern beschuldigt worden seien. Zudem sei die Kirche vielen Vorwürfen gar nicht oder nicht angemessen nachgegangen. Sechs Diözesen in Illinois hatten zuvor öffentlich 185 Geistliche genannt, gegen die es «glaubhafte» Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger gebe.
Anwalt Anderson warf den Kirchenbehörden in Illinois bei der Vorlage des neuen Reports ebenfalls vor, die Fälle zum Teil nicht öffentlich zu machen. Die Diözesen wiesen die Vorwürfe teilweise zurück. Die Diözese Joliet veröffentlichte ein Statement, in dem sie deutlich macht, dass alle bekanntgewordenen Fälle mit belastbaren Vorwürfen an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden. Ähnlich äusserte sich die Erzdiözese Chicago.
Im Bundesstaat West Virginia kam es erst vor wenigen Tagen zu einer Anklage gegen ein komplettes Bistum und einen ehemaligen Bischof. Ihnen wird vorgeworfen, bei der Auswahl von Personal für Schulen und Ferienlager auf strikte Überprüfungen verzichtet zu haben und wissentlich Sexualstraftäter sowie Priester eingestellt zu haben, die glaubhaft bezichtigt worden waren, Sexualstraftaten verübt zu haben.
In den vergangenen Jahren sind weltweit nach und nach in erschreckendem Ausmass Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche ans Licht gekommen. Papst Franziskus hatte dazu Ende Februar ein Gipfeltreffen im Vatikan einberufen. In vielen Ländern wird das Thema Missbrauch in der Gesellschaft und in der Kirche nicht als Problem anerkannt. Während in Deutschland, Irland oder den USA die Aufarbeitung der Skandale zumindest begonnen hat, steht die Debatte darüber vielerorts noch ganz am Anfang.