Wegen seiner zentralen Rolle bei der grassierenden Schmerzmittel-Sucht in den Vereinigten Staaten soll der US-Hersteller Purdue Milliardenzahlungen leisten und in die Insolvenz gehen.
Purdue Pharma
Purdue Pharma steht in der Opiod-Krise in der Kritik - GETTY IMAGES NORTH AMERICA/AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • US-Firma wegen Suchtkrise zu Vergleich in Milliardenumfang bereit.
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In einer Einigung mit 24 US-Staatsanwälten sei auch der Rückzug der Eigentümerfamilie Sackler aus dem Pharma-Konzern vorgesehen, wie Purdue am Sonntag (Ortszeit) mitteilte. Abgesehen von den Entschädigungen sollen rund zehn Milliarden Dollar (9,03 Milliarden Euro) in Massnahmen gegen die Opioid-Krise fliessen.

Purdue stellt das zum Symbol der Opioid-Krise gewordene Schmerzmittel Oxycontin her und soll Ärzte dazu gebracht haben, das Mittel trotz seines hohen Suchtpotenzials immer wieder zu verschreiben. Zahlreiche Menschen wurden abhängig.

Um einen jahrelangen teuren Rechtsstreit mit einzelnen Betroffenen sowie mit Behörden abzuwenden, schloss das Unternehmen einen Vergleich mit 24 US-Staatsanwälten. Dieser muss allerdings noch von einem Gericht abgesegnet werden. In der Folge müssten Purdue und das Nachfolgeunternehmen keinerlei weiteren Verfahren im Zusammenhang mit Schmerzmittel-Sucht mehr befürchten.

Purdue und die Eigentümer wollen mit dem Vergleich einen Prozess verhindern, der im Oktober vor einem Bundesgericht in Cleveland/Ohio beginnen soll und in dem fast 2300 Klagen zusammengeführt wurden. Die Kläger fordern von zahlreichen Pharmakonzernen Schadenersatzzahlungen für die enormen Folgekosten der Opioid-Krise, etwa für das Gesundheits- und Sozialsystem. In einer vor Gericht eingereichten Schätzung wird von Kosten von 453 Milliarden Dollar innerhalb des kommenden Jahrzehnts ausgegangen.

Der Vergleich sieht vor, dass Purdue Insolvenz anmeldet. Der Aufsichtsrat des Nachfolgeunternehmens soll dann von den Klägern ernannt und von einem Insolvenzgericht abgesegnet werden. Das Nachfolgeunternehmen verpflichtet sich, Medikamente zur Behandlung von Überdosen sowie zur Bekämpfung von Schmerzmittel-Sucht kostenlos oder zu einem niedrigen Preis abzugeben. Ausserdem soll der Purdue-Nachfolger Einschränkungen bei Verkauf und Vermarktung von Opioid-Schmerzmitteln akzeptieren.

Die Anteile der Familie Sackler sollen der Unternehmensmitteilung zufolge vollständig «in eine Stiftung oder eine andere Körperschaft zugunsten der Kläger und der US-Bevölkerung» übergehen. Auf diese Weise sollen etwa zehn Milliarden bereitstehen, um die Opioid-Krise in den USA zu bekämpfen. Ausserdem soll die Familie, deren auf Oxycontin gründendes Vermögen vom Magazin «Forbes» auf 13 Milliarden Dollar geschätzt wurde, mindestens drei Milliarden Dollar aus ihrem Privatvermögen bereitstellen.

Die Eigentümer-Familie soll allerdings bereits Vermögen ins Ausland geschafft haben: Am Freitag hatte die New Yorker Staatsanwältin Letitia James mitgeteilt, die Familie Sackler habe mindestens eine Milliarde Dollar in die Schweiz überwiesen. James hat rund 30 Finanzinstitute mit Geschäftsbeziehungen zur Familie Sackler befragt, um deren Vermögen zu schätzen.

Ihre Rolle in der Opioid-Krise diskredierte die Familie Sackler als Kunstmäzene. Das Metropolitan Museum und das Guggenheim Museum in New York sowie die National Portrait Gallery und die Tate Gallery in London lehnten bereits Spenden der Sacklers ab.

Der Pariser Louvre benannte im Juli seinen Sackler-Flügel für orientalische Altertümer um. Die früher selbst von Schmerzmitteln abhängige Fotografin Nancy Goldin kämpft mit ihrer Organisation dafür, dass sich weitere Kultureinrichtungen von den Sackler distanzieren.

Kritiker werfen Pharmaunternehmen vor, die Suchtgefahr durch opioidhaltige Schmerzmittel bewusst verschleiert und das massenhafte Verschreiben der Medikamente befördert zu haben. Millionen US-Bürger wurden in der Folge süchtig. In weniger als zwei Jahrzehnten starben mehr als 400.000 Menschen an einer Überdosis. Allein im Jahr 2017 gab es den Behörden zufolge landesweit rund 47.600 Todesfälle.

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hob auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP hervor, durch die «restriktiven Vorgaben» in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung sei in Deutschland eine Opioid-Krise wie in den USA «auszuschliessen». Ausserdem sensibilisierten Bundesärztekammer und Bundesapothekerkammer Ärzte und Apotheker «für einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Arzneimitteln».

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