Schusswechsel an US-Grenze: Spur führt zu radikaler Gruppe

DPA
DPA

USA,

Schüsse in Vermont, eine sektenähnliche Gruppe, andere Verbrechen: Der Tod eines Beamten und einer deutschen Person bei einer Fahrzeugkontrolle entfaltet sich zu einem Fall voller bizarrer Wendungen.

An der US-Grenze zu Kanada hat eine bizarre Kriminalgeschichte ihren Anfang gefunden - der eigentlich gar nicht der Anfang war. (Archivbild)
An der US-Grenze zu Kanada hat eine bizarre Kriminalgeschichte ihren Anfang gefunden - der eigentlich gar nicht der Anfang war. (Archivbild) - Christinne Muschi/The Canadian Press/AP/dpa

Der Fall liest sich wie ein überdrehter Krimi: ein tödlicher Schusswechsel mit der US-Grenzpolizei, Tötungsverbrechen in mehreren Bundesstaaten und eine Verbindung zum baden-württembergischen Freiburg. Was zunächst wie das dramatische Ende einer Fahrzeugkontrolle aussieht, entpuppt sich als Teil einer Geschichte voller Verstrickungen und Wendungen. An deren vorläufigem Ende steht die Festnahme der mutmasslichen Anführerin einer sektenähnlichen Gruppe: der «Zizians».

Aber der Reihe nach.

Ende Januar stoppen Beamte im Bundesstaat Vermont nahe der US-Grenze zu Kanada ein Fahrzeug. Die Insassen stehen laut Gerichtsdokumenten unter Beobachtung, nachdem ein besorgter Hotelangestellter die Polizei alarmiert – die beiden seien verdächtig gekleidet, die Frau bewaffnet.

Die Kontrolle eskaliert: Eine 21-Jährige eröffnet nach Behördenangaben das Feuer, die Polizei schiesst zurück. Die zweite, 28 Jahre alte Person aus dem Auto, die laut Polizei ebenfalls eine Waffe zieht, und ein Grenzbeamter sterben bei dem Schusswechsel. Im Fahrzeug finden Ermittler Waffen und Kampfausrüstung.

Wurzeln in Baden-Württemberg

Schnell wird bekannt, dass die getötete Person aus dem Raum Freiburg stammt. Deutsche Behörden bestätigen dies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, weitere Details bleiben zunächst aber aus. Anfangs ist in Berichten von einem Mann die Rede, doch laut Gerichtsdokumenten gibt die Person sich selbst einen weiblichen Namen.

In den folgenden Wochen setzen US-Medien – darunter der Sender NBC News und die «Washington Post» – anhand von Polizeiberichten und Gerichtsdokumenten Stück für Stück ein Puzzle zusammen, das es in sich hat. Amerikanische Behörden bringen den Vorfall nahe der Grenze mit mehreren Tötungsdelikten in verschiedenen Bundesstaaten in Verbindung. Das zentrale Bindeglied: eine sektenähnliche Gruppe namens «Zizians», deren Ursprünge Medienberichten zufolge im kalifornischen Berkeley liegen.

Radikalisierung in Berkeley

Die Organisation entsteht demnach 2012 in der Rationalisten-Szene der US-Westküste, einer losen Gemeinschaft von Intellektuellen, die sich vor allem mit Fragen über die Zukunft der Menschheit auseinandersetzt. Aus anfänglichen philosophischen Debatten über Veganismus, Transgender-Themen und Künstliche Intelligenz (KI) formt sich eine Splittergruppe mit zunehmend radikalen Zügen. Inwieweit sich die Gruppe im Laufe der Jahre von den ursprünglichen Idealen dieser Szene entfernt, ist unklar.

Zum mutmasslichen Anführer entwickelt sich eine Person namens Ziz, die immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Laut NBC News zeigen sich auch Bekannte von Ziz besorgt über deren radikale Ideen. 2019 wird sie bei einem Protest mit drei Anhängern vorübergehend festgenommen. Was in den folgenden Jahren geschieht, fasst NBC News so zusammen: «Dann lief alles aus dem Ruder.»

Todesanzeige in Lokalzeitung

Im September 2022 erscheint eine Todesanzeige in einer Lokalzeitung im Bundesstaat Alaska: Eine Person mit demselben Geburtsnamen wie Ziz sei im August bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen. «Du hast Abenteuer, Freunde und Familie, Musik, Blaubeeren, Radfahren, Computerspiele und Tiere geliebt», steht dort. «Du wirst vermisst.»

Wenige Monate später greifen drei Menschen im Bundesstaat Kalifornien den übereinstimmenden Medienberichten zufolge einen Vermieter mit einem Schwert an. Der Mann im hohen Rentenalter wird dabei so schwer verletzt, dass er auf einem Auge erblindet. Doch er wehrt sich in der Situation, zieht eine Waffe und erschiesst eine der Angreiferinnen – eine Frau, die 2019 mit Ziz festgenommen worden war. Zwei weitere Personen werden angeklagt. Eine davon: ebenfalls eine frühere Mitstreiterin von Ziz.

Schüsse in Pennsylvania

An Silvester 2023 kommt es dann den Medienberichten zufolge im Bundesstaat Pennsylvania zu einem Tötungsdelikt: Ein Ehepaar wird in seinem Zuhause nahe der Stadt Philadelphia erschossen. Schnell gerät deren Tochter ins Visier der Ermittler – und wird später noch eine entscheidende Rolle spielen. Doch die Ermittlungen führen eher zufällig auch zu einer eigentlich Totgeglaubten.

Als die Polizei einen verdächtigen Mann in einem Hotelzimmer festnimmt, machen die Beamten eine unerwartete Entdeckung: Ziz sitzt vor ihnen. Sie wird erneut festgenommen und verbringt mehrere Monate in Haft. Doch in diesem Fall kommt es zu keiner Anklage – gegen niemanden. Ziz kommt wieder auf freien Fuss.

Mordanklage in Kalifornien

Die Monate vergehen. Dann, nur wenige Tage vor dem Vorfall nahe der Grenze, wird der Vermieter in Kalifornien getötet, der zuvor schwer verletzt worden war. Er hätte NBC News zufolge im April 2025 im Prozess gegen die noch inhaftierten Angreifer aussagen sollen. Ein junger Mann wird wegen Mordes angeklagt. Und hier schliesst sich der Kreis: Der mutmassliche Täter hat laut Medienberichten eine Verbindung zu der 21-Jährigen, die wenig später nahe der Grenze die Waffe zieht.

Langsam setzt sich für Ermittler und somit auch für US-Medien ein Bild zusammen. Ziz ist wieder im Fokus der Ermittler. Den vorläufigen Schlusspunkt findet die Geschichte laut US-Medien am vergangenen Wochenende im Bundesstaat Maryland. Ein Mann ruft die Polizei – drei Fremde hätten ihn gebeten, auf seinem Grundstück campen zu dürfen. Sie wirken verdächtig. Was er nicht ahnt: Diese drei sind Teil einer bizarren Kette von Ereignissen, die sich über mehrere Bundesstaaten erstreckt.

Festnahmen in Maryland

Die Polizei nimmt Ziz fest, ebenso den Mann, mit dem sie einst in einem Hotelzimmer gefunden wurde. Und schliesslich die Frau, deren Eltern in Pennsylvania erschossen wurden. Laut Ermittlern spielte sie eine Rolle beim Kauf der Waffen, die nahe der Grenze zum Einsatz kamen.

Wie tief die Verstrickung der drei in die Verbrechen reicht, ob es übergeordnete ideologische Ziele gab oder es sich um eine Eskalation ohne klare Richtung handelte, ist zu diesem Zeitpunkt unklar. All diese Fragen dürften nun Gegenstand intensiver Ermittlungen sein.

Kommentare

Weiterlesen

Wallis
82 Interaktionen
Überlastung
Donald Trump Xi Jinping
37 Interaktionen
Expertin

MEHR IN NEWS

Kanton Basel-Stadt
5 Interaktionen
Kanton
Kate und Gerry McCann
Fall «Maddie»
Selbstunfall
Fahrer verletzt
Israel Benjamin Netanjahu
Waffenruhe in Gefahr?

MEHR AUS USA

Trump Air Force One
6 Interaktionen
«Air Force One»
Donald Trump
2 Interaktionen
Sparkurs
Elon Musk
39 Interaktionen
Ex behauptet
fbi trump
13 Interaktionen
FBI-Kritiker