Trauma durch Schock-Inhalte? Facebook droht Sammelklage in USA

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USA,

Bei Facebook werden massenhaft verstörende Inhalte veröffentlicht, die von Mitarbeitern unter hohem Stress beseitigt werden – kann das zu einem Trauma führen?

Mitarbeiter sitzen am 10.07.2017 bei einem Pressetermin im Löschzentrum von Facebook in einem Service-Center in Berlin an Computern.
Mitarbeiter sitzen am 10.07.2017 bei einem Pressetermin im Löschzentrum von Facebook in einem Service-Center in Berlin an Computern. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In den sogenannten Löschzentren müssen Angestellte die anstössigen Bilder löschen.
  • Die Arbeit als menschlicher Filter kann ziemlich anstrengend und fordernd sein.
  • Nun kommt die Frage auf, ob sich Facebook genug um die Arbeitenden kümmert.

Der Arbeitsalltag in Facebooks Löschzentren ist nichts für schwache Nerven: Tagtäglich werden die Mitarbeiter als eine Art menschlicher Filter mit verstörenden Bildern und Videos konfrontiert. Die Frage, ob sich der Konzern ausreichend um sie kümmert, wird nun zum Rechtsstreit. Eine ehemalige Mitarbeiterin hat Facebook verklagt, weil die ständige Belastung sie krank gemacht habe. Es könnte ein grösseres Verfahren werden: Denn die Anwälte der Frau aus San Francisco streben eine Sammelklage an, der sich auch andere Beschäftigte anschliessen könnten.

Die Vorwürfe klingen heftig: Die als Zeitarbeiter eingestellten sogenannten Facebook-Moderatoren würden «täglich mit Tausenden Videos, Bildern und Live-Übertragungen von sexuellem Missbrauch von Kindern, Vergewaltigungen, Folter, Tiersex, Enthauptungen, Suiziden und Morden bombardiert», erklärte Klägeranwalt Korey Nelson von der Kanzlei Burns Charest am Montag (Ortszeit). Hauptklägerin in dem Verfahren ist Selena Scola, die ab Juni 2017 neun Monate im Auftrag einer Zeitarbeitsfirma für Facebook gearbeitet und durch den Job ein posttraumatisches Belastungssyndrom erlitten haben soll.

«Wir prüfen die Behauptungen derzeit», teilte Facebook in einem Statement mit. Der Internetriese räumte ein, dass die Arbeit häufig schwierig sei. «Darum nehmen wir die Unterstützung unserer Moderatoren unglaublich ernst». Die Mitarbeiter erhielten spezielles Training, zudem biete man ihnen psychologische Hilfe an. Facebook-Angestellten stehe dies hausintern zur Verfügung, auch von Partnerfirmen würden entsprechende Ressourcen verlangt. Über die Arbeitsbedingungen in Facebooks sogenannten Löschzentren unter anderem in Asien gab es bereits wiederholt negative Medienberichte.

Die Arbeit macht krank

In den Löschzentren werden unter anderem anstössige Videos und Bilder, Hassrede oder Gewaltdarstellung gesichtet und entfernt. In der US-Klage, die bei einem Gericht im kalifornischen San Mateo eingereicht wurde, wird Facebook beschuldigt, seine Pflicht zu ignorieren, für die Sicherheit dieser Mitarbeiter zu sorgen. Der Konzern greife beim Ausmisten seiner Plattform auf Zeitarbeiter zurück, die angesichts der schockierenden Inhalte irreparable traumatische Schäden erlitten. Das bei der Hauptklägerin diagnostizierte Leiden PTSD ist etwa bei Soldaten nach Schreckenserlebnissen im Krieg ein bekanntes Phänomen.

Die Klage richtet sich neben Facebook auch gegen die Zeitarbeitsfirma Pro Unlimited aus Boca Raton im US-Bundesstaat Florida, für die Scola tätig war. Ihre Rechtsanwälte streben eine Sammelklage im Namen aller betroffenen Facebook-Mitarbeiter an und fordern unter anderem die Einrichtung eines Fonds für medizinische Tests und Versorgung der Moderatoren. Facebook beschäftigt derzeit insgesamt rund 7500 solcher Mitarbeiter. Ob das Verfahren als Sammelklage zugelassen wird, muss das zuständige Gericht allerdings erst noch entscheiden.

Die deutschen Löschzentren in Berlin und Essen betreibt Facebook nicht selbst, sondern greift auf die Dienstleistungsfirmen CCC und Arvato zurück, die unter anderem im Call-Center-Geschäft sind. Nach Kritik an den Arbeitsbedingungen gewährte Facebook im vergangenen Jahr einigen wenigen Journalisten Zugang zum Berliner Löschzentrum und betonte auch hier die Massnahmen zur psychologischen Unterstützung.

Abgestumpft

Gespräche mit Mitarbeitern - in Anwesenheit von Facebook-Vertretern - zeichneten damals ein Bild von Menschen, die mit der Härte des Jobs zu kämpfen haben und zum Teil abstumpfen. «Ich weiss noch, das erste Enthauptungsvideo - da hab' ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult», erinnerte sich damals eine 28-jährige Mitarbeiterin. «Jetzt hat man sich so daran gewöhnt, es ist nicht mehr so schlimm.»

Einer der Teamleiter sagte damals auch, Mitarbeiter müssten sich selbst melden, um psychologische Betreuung zu bekommen. «Ich als Teamleiter weiss ja nicht, ob jemand Betreuung braucht oder nicht.» Zugleich arbeiten die Menschen in den Löschzentren mit dem Gefühl, andere vor Schaden zu bewahren: «Wenn ich jemandem ersparen kann durch meine Arbeit, dass er das sehen muss, dann finde ich das sehr gut», sagte eine der Frauen. Laut Facebook können sich die Mitarbeiter jederzeit in andere Aufgabenbereiche versetzen lassen, wenn es ihnen zu hart wird.

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