Trumps Mauer und der Notstand

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USA,

US-Präsident Trump hat angekündigt, seine umstrittene Grenzmauer zur Not auch ohne Zustimmung durch den Kongress zu bauen. Nun macht er ernst: Er will einen Notstand an der Grenze zu Mexiko ausrufen, um seine «heilige Pflicht» zu erfüllen.

Donald Trump will mit dem Ausrufen des Nationalen Notstandes eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen finanzieren. Foto: Susan Walsh/AP
Donald Trump will mit dem Ausrufen des Nationalen Notstandes eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen finanzieren. Foto: Susan Walsh/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn der US-Senat zusammenkommt, geht der Sitzung traditionell das Gebet eines Geistlichen voraus.

Am Donnerstag fügt der vorsitzende Senator, der Republikaner Chuck Grassley, noch ein eigenes Stossgebet hinzu: «Lasst uns alle beten, dass der Präsident die Weisheit haben wird, das Gesetz zu unterzeichnen, damit die Regierung nicht schliesst.» Der 85-Jährige meint das Haushaltsgesetz, es ist ein Kompromiss zwischen Republikanern und Demokraten, um einen erneuten «Shutdown» zu verhindern. Grassleys Gebet wird zwar erhört. Zugleich kündigt US-Präsident Donald Trump aber eine Massnahme an, die den Streit über die von ihm geforderte Grenzmauer eskalieren lässt.

Mehr als die Hälfte von Trumps Amtszeit ist inzwischen vorbei, und bei seinem wichtigsten Wahlkampfversprechen hat er nichts vorzuweisen. Ursprünglich hatte Trump gesagt, dass Mexiko die Mauer zahlt, mit der der US-Präsident Migranten stoppen will. Der südliche Nachbar denkt aber gar nicht daran. Also braucht Trump Geld für den Mauerbau, und das muss der Kongress bewilligen. Ohne die Stimmen der Demokraten läuft da nichts, und die lehnen die Mauer ab.

DER «SHUTDOWN» UND DIE MAUER

Zuletzt wollte Trump den Widerstand der Demokraten mit einem «Shutdown» brechen, doch das ging nach hinten los. Fünf Wochen lang standen Teile der Regierung still, weil ihre Finanzierung auslief - Trump wollte keinem Haushaltsgesetz zustimmen, das keine Gelder für die Mauer vorsah. 800 000 Bundesbedienstete bekamen kein Gehalt mehr. Bilder machten die Runde, wie sich Regierungsmitarbeiter mit Gratis-Lebensmitteln bei Tafeln eindeckten, um über die Runden zu kommen. In Umfragen machte eine Mehrheit nicht die Demokraten, sondern Trump für den «Shutdown» verantwortlich. Seine ohnehin schlechten Zustimmungswerte gingen weiter in den Keller.

EINE SCHLAPPE FÜR TRUMP

Unter wachsendem Druck unterzeichnete Trump schliesslich einen Übergangshaushalt, der die Regierung für nur drei Wochen öffnete. In dieser Zeit - die in der Nacht zu Samstag ausgelaufen wäre - sollten Republikaner und Demokraten einen Kompromiss zur Mauerfinanzierung ausarbeiten. Das gelang in letzter Minute. Allerdings sieht diese Einigung nur 1,375 Milliarden Dollar für den Bau einer «physischen Barriere» vor. Trump hatte 5,7 Milliarden Dollar gefordert.

DER DRITTE WEG

Trump stand vor der Wahl, das Gesetz zu unterzeichnen und damit eine Niederlage hinzunehmen - oder ein Veto einzulegen und einen erneuten «Shutdown» zu verantworten. Der Präsident wählte nun einen dritten, einen hoch umstrittenen Weg: Das Weisse Haus kündigte an, Trump werde das Gesetz unterzeichnen, zugleich aber einen Nationalen Notstand an der Grenze ausrufen. Nach Trumps Überzeugung kann er damit den Kongress umgehen und sich ohne dessen Zustimmung aus anderen Töpfen bedienen, um die Mauer zu bauen. Er könnte beispielsweise versuchen, auf Mittel des Pentagons für militärische Bauvorhaben zuzugreifen, die aus Sicht von Kritikern damit zweckentfremdet würden.

DER NOTSTAND

Ein Ausnahmezustand, wie er etwa in der Türkei nach dem Putschversuch im Juli 2016 verhängt wurde und bei dem landesweit Grundrechte eingeschränkt wurden, ist dieser Notstand nicht. Allerdings verleiht eine Notstandserklärung dem US-Präsidenten bestimmte Vollmachten. Trump ist längst nicht der erste Präsident, der davon Gebrauch macht. 31 frühere Notstandserklärungen sind derzeit noch in Kraft, die älteste datiert aus dem Jahr 1979: Mit ihr fror Präsident Jimmy Carter iranisches Regierungseigentum im Einflussbereich der USA ein.

Bei den meisten Notstandserklärungen ging es um Massnahmen, die ein US-Präsident bei Konflikten mit anderen Staaten oder bei Krisen und Katastrophen ergriff. Worum es nicht ging: Um die Finanzierung von Wahlkampfversprechen, weil der Kongress die Mittel verweigert. Der Kongress hat die Budgethoheit, das heisst: Das Parlament bestimmt, wofür Geld ausgegeben wird. Trump argumentiert freilich nicht damit, dass er Geld braucht, um seine vollmundigen Versprechen einzulösen. Er spricht seit Monaten von einer «Krise» an der Grenze zu Mexiko.

KRISE? WELCHE KRISE?

Ob es diese Krise wirklich gibt, ist umstritten - die Daten, mit denen der zu Übertreibungen neigende Präsident das belegen möchte, halten genauerer Überprüfung oft nicht stand. Trumps Gegenspielerin Nancy Pelosi, die demokratische Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, sagte am Donnerstag: «Es ist kein Notstand, was an der Grenze passiert.» Pelosi und der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannten die angekündigte Notstandserklärung nicht nur gesetzeswidrig, sondern «einen schwerwiegenden Machtmissbrauch».

Auch aus den Reihen von Trumps Republikanern regt sich Widerstand, mehrere Senatoren wandten sich gegen eine Notstandserklärung. Die republikanische Senatorin Susan Collins sprach von einem «schlechten Präzedenzfall für künftige Präsidenten - sowohl demokratische als republikanische -, die versuchen könnten, mit demselben Manöver den Kongress zu umgehen, um ihre politischen Ziele voranzubringen».

DARF DER DAS?

Collins stellte auch infrage, ob die Massnahme vor diesem Hintergrund überhaupt in Einklang mit der Verfassung steht - und sie warnte, dass der Schritt so gut wie sicher vor Gericht angefochten werden würde. Tatsächlich teilte die liberale Nichtregierungsorganisation Public Citizen umgehend mit, gegen eine solche Notstandserklärung des «zunehmend autokratischen Präsidenten Trump» zu klagen.

Public Citizen will ausserdem den Kongress zu einer Resolution gegen die Notstandserklärung zu bewegen. Mit ihrer Mehrheit im Abgeordnetenhaus könnten die Demokraten die Massnahme zwar anfechten. Ob das aber reicht, ist fraglich: Nicht nur müsste der republikanisch kontrollierte Senat einer solchen Resolution zustimmen, sondern auch Trump selbst. Würde er sein Veto einlegen, könnten ihn beide Kammern nur mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen.

EINE MAUER WIE DER MOUNT EVEREST?

Wie es mit dem Mauerbau nun weitergeht, ist zunächst ebenso offen wie die Frage, woher genau Trump das Geld nehmen möchte. Der Präsident hat jedenfalls signalisiert, dass er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen will. Bei seiner Basis steht Trump im Wort: Er werde seine «heilige Pflicht» erfüllen und die Nation verteidigen, sagte er erst am Mittwoch. Die Mauer werde ein Bollwerk, «das die Menschen nicht sehr leicht überwinden können». Und Trump fügte hinzu: «Ich denke, sie könnten viel leichter den Mount Everest besteigen.»

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