Auswärtiges Amt: Deutsche sollen Ukraine verlassen

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Während die westlichen Staaten weiter auf Diplomatie setzen, treffen sie gleichzeitig Vorbereitungen für den Ernstfall. Der ukrainische Präsident Selenskyj sagt, Panik schüren helfe seinem Land nicht.

«Reisen Sie kurzfristig aus»: Die deutsche Botschaft in Kiew. Foto: Anna Marchenko/epa/Tass/dpa
«Reisen Sie kurzfristig aus»: Die deutsche Botschaft in Kiew. Foto: Anna Marchenko/epa/Tass/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach Warnungen der US-Regierung vor einem möglicherweise bevorstehenden russischen Angriff hat nun auch die Bundesregierung ihre Staatsbürger aufgefordert, die Ukraine zu verlassen.

«Wenn Sie sich derzeit in der Ukraine aufhalten, prüfen Sie ob Ihre Anwesenheit zwingend erforderlich ist. Falls nicht, reisen Sie kurzfristig aus», schrieb das Auswärtige Amt am Samstag in einer neuen Reisewarnung. Andere EU-Staaten wie Belgien und die Niederland veröffentlichten ähnliche Mitteilungen. Zuvor hatten bereits unter anderem die USA, Grossbritannien, Dänemark, Australien, Lettland und Estland ihre Staatsbürger zur Ausreise aufgefordert.

 

Das Auswärtige Amt warnte: «Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben angesichts massiver Präsenz und Bewegungen russischer Militärverbände nahe der ukrainischen Grenzen in den letzten Tagen weiter zugenommen. Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschliessen.»

Militäraktion Russland am 16. Februar?

US-Aussenminister Antony Blinken hatte am Freitag gewarnt, eine russische Invasion könne jederzeit beginnen. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan machte deutlich, dass die USA einen russischen Einmarsch in die Ukraine noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich halten. Die «New York Times» schrieb am Samstag, die USA hätten Geheimdienstinformationen erhalten, wonach Russland den kommenden Mittwoch (16.2.) als Zieldatum für eine Militäraktion diskutiere. Es könne aber auch sein, dass dieses Datum Teil einer Desinformationskampagne Russlands sei. Einen Tag zuvor, am Dienstag, wird Bundeskanzler Olaf Scholz in Moskau zu Gesprächen über die Ukraine-Krise erwartet.

Russlands Botschaft in den USA wies die amerikanischen Warnungen vor einem Überfall auf die Ukraine als haltlos zurück. Es werde «Alarmismus» verbreitet in den USA, ohne dass Beweise für die Behauptungen vorgelegt würden, teilte der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, am mit. Die Aussagen in Washington zeugten lediglich davon, dass die USA ihre «Propaganda-Kampagne gegen unser Land» verstärkt hätten, sagte Antonow.

«Geben Sie uns bitte diese Information»

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte verwundert auf Berichte über eine bevorstehende russische Invasion. «Falls Sie oder jemand anderes zusätzliche Informationen über einen 100-prozentigen Einmarsch am 16. (Februar) haben, dann geben Sie uns bitte diese Information», sagte er am Samstag Journalisten. Sein Land sei zwar auf alles vorbereitet. Doch: «Der beste Freund für die Feinde ist Panik in unserem Land», richtete Selenskyj sich auf Englisch an westliche Journalisten. All diese Informationen würden nur Panik schüren und der Ukraine nicht helfen.

US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin wollten noch am Samstag telefonieren. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron wollte mit dem Kremlchef sprechen.

Aussenministerin Annalena Baerbock betonte bei einem Besuch in Ägypten: «Wir werden unsere Botschaft in Kiew offen halten.» Das Personal werde aber reduziert. Dies betreffe auch deutsche Institutionen wie die KfW, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und deutsche Lehrer. Die Familienangehörigen des Botschaftspersonals sollen ihren Worten zufolge ebenfalls das Land verlassen. In Berlin berieten laut Baerbock Regierungsbeamte der massgeblichen Ressorts und der Sicherheitsbehörden über die Umsetzung dieser Beschlüsse.

«Müssen auf alle Szenarien vorbereitet sein»

«Wir arbeiten mit aller Kraft daran, auf diplomatischem Weg eine Lösung zu finden», sagte Baerbock. Sie ergänzte: «Unsere Botschaft ist überall dieselbe: Wir sind bereit zum Dialog, aber eine erneute Aggression gegen die Ukraine hätte einen drastischen Preis. Denn wir sehen auf militärischer Ebene keine Zeichen von Deeskalation, im Gegenteil.»

Der russische Truppenaufbau gehe weiter, in Belarus führten seit Freitag bis zu 30.000 Soldaten Militärübungen durch, teils in grosser Nähe zur ukrainischen Grenze. Am Mittwoch habe Russland ein weiteres Grossmanöver mit Raketen und Artillerie im Schwarzen Meer angekündigt. «Wir müssen daher auf alle Szenarien vorbereitet sein», sagte Baerbock. Dazu gebe es intensive Beratungen mit Partnern und Freunden.

Die EU-Delegation in der Ukraine habe keine Evakuierung eingeleitet, sagte ein Sprecher in Brüssel auf Anfrage. Nicht dringend benötigtes Personal habe jedoch die Möglichkeit erhalten, die Arbeit online aus dem Ausland fortzusetzen.

Das deutsche Generalkonsulat in Dnipro wird nach Angaben des Auswärtigen Amtes vorübergehend nach Lwiw (Lemberg) verlegt. Damit sollen die Mitarbeiter künftig weiter entfernt von der sogenannten Kontaktlinie zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine arbeiten.

Kanzler Scholz am Dienstag bei Putin

Für Montag ist ein Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Ukraine geplant. Am Dienstag will Scholz erstmals als Kanzler in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen.

Bislang galt für die Ukraine eine Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie sowie eine Teilreisewarnung für die von den Separatisten kontrollierten Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk und die Gebiete entlang der Kontaktlinie.

Nach der militärischen Evakuierung aus Afghanistan wurde in Berlin darüber diskutiert, ob das Auswärtige Amt die Botschaft in Kabul zum richtigen Zeitpunkt geräumt habe oder nicht. Wie damals in Afghanistan bemüht sich die Bundesregierung auch in der Ukraine darum, die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen zu gewährleisten ohne durch voreilige Massnahmen zu einer Destabilisierung der Lage beizutragen.

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