Wie Trumps Republikaner die Demokratie untergraben
US-Senator Marco Rubio greift für seine Kritik an US-Präsident Joe Biden auf seine Familiengeschichte zurück.
Als Sohn kubanischer Einwanderer komme ihm «die Razzia von Joe Bidens FBI» im Anwesen von dessen Vorgänger Donald Trump allzu bekannt vor, hiess es in einer Werbemail Rubios. «Sobald diese radikalen Diktatoren die Macht übernommen haben, verfolgen sie erst ihre politischen Gegner. Als nächstes nehmen sie jeden ins Visier, der sich auf die Seite ihrer politischen Gegner stellt - bis sie jeden einsperren, der nicht mit ihnen übereinstimmt.» Ein Klick auf den Button «Stoppt die Linke» führt zur Spendenseite, die von einem Trump-Foto dominiert wird.
Fragile Demokratie in den USA
Trumps Anhänger versuchen, die FBI-Durchsuchung seines Anwesens Mar-a-Lago als Beleg für eine drohende linke Diktatur heranzuziehen. Dabei sind vor allem sie es, die die sozialen Spannungen immer weiter verschärfen. Spannungen, die längst zur Belastungsprobe für die Demokratie geworden sind. Spätestens seit dem Sturm auf das Kapitol durch Trump-Anhänger am 6. Januar vergangenen Jahres ist deutlich, wie fragil diese Demokratie in den USA ist. Das Trump-Lager versucht nun, finanziellen und politischen Nutzen aus der FBI-Durchsuchung zu ziehen, auch wenn das die Gesellschaft weiter spaltet. Die Rhetorik der stramm rechten Anhänger des Ex-Präsidenten hat dabei eine neue Schärfe erreicht. Und womöglich bleibt es nicht bei Worten.
«Gestapo der Vereinigten Staaten»
«Wir leben in einer Zeit, in der das FBI die Gestapo der Vereinigten Staaten geworden ist», sagte der frühere Trump-Berater Sebastian Gorka in einem Interview. Auf Twitter schrieb Gorka zum FBI-Einsatz in Florida: «Sie haben 74 Millionen Amerikanern den Krieg erklärt.» 74 Millionen Stimmen hatte Trump bei der Wahl 2020 bekommen, darunter dürfte auch die des Twitter-Nutzers sein, der meinte: «Der amerikanische Bürgerkrieg 2.0 hat gerade begonnen.» Der republikanische Kongressabgeordnete Paul Gosar verbreitete diesen Aufruf: «Wir müssen das FBI zerstören. Wir müssen Amerika retten.»
Trump und die Geheimdokumente
Zwar ist die Durchsuchung des Anwesens eines früheren US-Präsidenten beispiellos in der US-Geschichte. Der FBI-Einsatz folgte dabei aber den Buchstaben des Gesetzes, das auch für Ex-Präsidenten gilt. US-Justizminister Merrick Garland billigte die Entscheidung, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen, den ein Gericht in Florida genehmigte. Grundlage ist nach dem veröffentlichten Beschluss unter anderem der Verdacht auf Verstoss gegen das Spionagegesetz. Laut der auch veröffentlichten Quittung beschlagnahmter Gegenstände fanden die FBI-Agenten in Mar-a-Lago mehrere Sätze streng geheimer Dokumente.
Drohungen gegen das FBI
Der Sender CNN berichtete am Samstag, seit dem Einsatz untersuche das FBI eine «nie dagewesene» Anzahl an Drohungen gegen Mitarbeiter und Eigentum der Bundespolizei. Gemeinsam mit dem Heimatschutzministerium warne das FBI vor «gewaltsamen Bedrohungen» gegen Bundespolizisten, Gerichte sowie Mitarbeiter und Einrichtungen der Bundesregierung. Am Donnerstag griff ein bewaffneter Mann das FBI-Büro in Cincinnati an, nach einer Verfolgungsjagd wurde er erschossen. Zum Motiv gab es zunächst keine Angaben. CNN berichtete aber, der Mann sei dem FBI im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und wegen Kontakten zu rechtsextremen Gruppen bekannt gewesen.
Rechte Verschwörungstheorien
Wie stark rechte Propaganda und Verschwörungstheorien verfangen, verdeutlicht eine Umfrage des Instituts PRRI vom Mai 2021: Unter den Anhängern der Republikaner stimmten 28 Prozent der Aussage zu, dass wahre amerikanische Patrioten womöglich zur Gewalt greifen müssten, um das Land zu retten, weil die Dinge so weit aus dem Ruder gelaufen seien. 23 Prozent glauben demnach, dass die Regierung, die Medien und die Finanzwelt in den USA von einer Gruppe satanistischer Pädophiler kontrolliert werden, die einen globalen Kindersexhandel betreiben.
Die grosse Lüge
Trump selber ist Urheber der Verschwörungstheorie, die für die US-Demokratie die gefährlichste sein dürfte: Dass er die Wahl im November 2020 gegen Biden gar nicht verloren hätte. Trump-Kritiker nennen diese längst widerlegte Behauptung «The Big Lie», die grosse Lüge. Tatsächlich ist Trump ein dokumentierter Serienlügner: Die Faktenchecker der «Washington Post» haben ihm in seiner vierjährigen Amtszeit mehr als 30 000 falsche und irreführende Aussagen nachgewiesen. Das hält seine Anhänger nicht davon ab, ihm zu glauben. In einer Umfrage der University of Massachusetts vor dem Jahrestag des Angriffs auf US-Kapitol im Januar gingen nur 21 Prozent der Republikaner davon aus, dass Biden legitim gewählt wurde.
Trump-Anhänger könnten Schlüsselstellen bei Wahlen besetzen
Anhänger von Trumps kruder Wahlsieg-These werden in den USA «Election Denier» genannt, Wahlleugner. Bei den Republikanern gewinnt diese Gruppe immer mehr Einfluss. Besonders alarmierend: Bei den Vorwahlen haben die Republikaner bislang in vier sogenannten Swing States - also in womöglich wahlentscheidenden Bundesstaaten, die weder Republikanern noch Demokraten klar zuzuordnen sind - Wahlleugner als Kandidaten für das Amt des Secretary of State nominiert. Diese sind in den Bundesstaaten die obersten Wahlaufseher.
Spiel mit dem Feuer
Bizarr mutet an, dass die Demokraten für manche Trump-Kandidaten sogar Werbung machen - es ist ein Spiel mit dem Feuer. Die wahltaktische Überlegung hinter dem parteiintern umstrittenen Schritt: In moderaten Wahlbezirken dürften die Chancen demokratischer Kandidaten steigen, wenn der republikanische Gegner extreme Meinungen vertritt. In Michigan haben die Demokraten Medienberichten zufolge mehr als 400 000 Dollar in Werbung für den Wahlleugner John Gibbs gesteckt. Gibbs setzte sich daraufhin in den Vorwahlen gegen den Kongressabgeordneten Peter Meijer durch. Meijer hatte als einer von nur zehn Republikanern im Repräsentantenhaus mit den Demokraten für das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gestimmt.
«Der Gegner als Feind»
Der «Washington Post»-Kolumnist und Autor Dana Milbank verortet den Beginn der Radikalisierung der Republikaner schon lange vor Trump. Bereits Newt Gingrich, der 1994 Vorsitzender des Repräsentantenhauses wurde, habe seinen Kollegen empfohlen, «über Demokraten als Verräter, Lügner und Betrüger zu sprechen», sagte Milbank dem Radiosender NPR. «Das war also eine ganz andere Art, über den Gegner zu sprechen, der Gegner als Feind und nicht nur als Gegner.»
Gingrich berät laut «Washington Post» heute den Minderheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy. Der Trump-Verbündete hat gute Chancen, der nächste Vorsitzende der Parlamentskammer zu werden, sollten die Republikaner bei den Kongresswahlen im November wie erwartet die Mehrheit erobern. Für diesen Fall drohte Gingrich Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das US-Kapitol. Im Sender Fox News sagte er im Januar, sie würden «Gefahr laufen, ins Gefängnis zu kommen».
«Eine gefährliche Zeit»
Milbank sieht in der Radikalisierung der Republikaner den Versuch, sich gegen den fortschreitenden Machtverlust der weissen Noch-Mehrheit in den USA zu stemmen. «Leider zerstören die Republikaner, um sich an der Macht zu halten, im Grunde die Grundlagen der Demokratie.» Er warnt davor, dass die USA zu «einer nordamerikanischen Version Ungarns» werden könnten. Milbank sagte: «Das ist eine gefährliche Zeit, und ich habe im Moment Angst um das Land.» Ob er glaubt, dass Trump 2024 wieder antritt? «Ich bin sicher, dass er das will.»