Coronavirus in Afrika wird zum Problem für den Rest der Welt

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Simbabwe,

Afrika schien lange vom Coronavirus verschont zu bleiben – das hat sich inzwischen geändert. Damit könnte Afrika bald zum Problem für den Rest der Welt werden.

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Der Gesundheitsminister von Simbabwe erhält am 18. Februar die erste Dosis, die in Simbabwe verimpft wird. In Afrika beginnt die Impfkampagne nur schleppend. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit Jahresbeginn ist die Corona-Pandemie in grossen Teilen Afrikas ausgebrochen.
  • In den ärmsten Ländern lassen sich Massnahmen nur mit grosser Mühe umsetzen.
  • Um die Impfkampagne steht es schlecht – das hat Konsequenzen für den Rest der Welt.

«Warum Afrika so lange verschont blieb, ist nach wie vor weitgehend unklar.» Auch Stefan Zimmerli kann den Verlauf der Corona-Epidemie in Afrika nicht ganz nachvollziehen. Dabei dürfte es wenige Schweizer geben, die die Situation auf dem afrikanischen Kontinent so genau beobachten wie Zimmerli.

Als Oberarzt in der Infektiologie am Berner Inselspital behandelt Zimmerli neun Monate im Jahr Patienten mit Infektionskrankheiten. Die weiteren drei Monate des Jahres verbringt er üblicherweise in Harare, der Hauptstadt Simbabwes. Als medizinischer Verantwortlicher betreut er dort eine Klinik für rund 7000 HIV-Patienten. Seit dem Ausbruch der Pandemie beschäftigt Zimmerli sich zwangsläufig auch mit der Corona-Situation in Afrika.

Ausnahmezustand trotz glimpflicher Corona-Situation

Mit Ausnahme der Mittelmeerländer und Südafrika verlief die Pandemie 2020 in Afrika im Vergleich zum Rest der Welt glimpflich. Eine abschliessende Erklärung hat die Wissenschaft dafür nicht. Klar ist, dass auch Länder wie Simbabwe harte Massnahmen ergriffen haben. Möglicherweise griff die Regierung früh genug ein, um die erste Welle zu verhindern.

Doch die Massnahmen trafen die Menschen vielerorts dennoch hart. «In Simbabwe arbeiten rund 90 Prozent im informellen Sektor», erklärt Zimmerli. Die Menschen leben von der Hand in den Mund, ohne die Chance auf Homeoffice oder Kurzarbeitsentschädigung.

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Ein Gemüsemarkt in Harare Simbabwe Anfang Februar. Auch in Zeiten des Coronavirus sind die hygienischen Bedingungen oft schlecht. - Keystone

Die Regierung Simbabwes wusste sich nicht anders zu helfen, als den Personenverkehr mittels Strassensperren einzuschränken. «Der Klinikbetrieb musste eingeschränkt werden», berichtet Zimmerli. «HIV-Patienten konnten nur noch in dringenden Fällen vor Ort betreut werden, in der Apotheke gab es Lieferungsschwierigkeiten.» Als die Welle bis im Herbst ausgeblieben war, lockerte die Regierung die Massnahmen.

Rasanter Zunahme des Coronavirus seit Jahresbeginn

«Nach Weihnachten gab es in Simabwe einen plötzlichen Anstieg der Corona-Fälle», berichtet Zimmerli. Auch wenn die Datenlage es oft nicht zulässt, die Dimension der Epidemie zu beurteilen: Viele Länder in Afrika haben seit Jahresbeginn neue Höchstwerte verzeichnet.

Warum die Epidemie ausgerechnet jetzt entflammte, bleibt unklar. Möglicherweise liegt es an der ansteckenderen Variante aus Südafrika – doch es fehlen verlässliche Daten, um die Hypothese zu belegen.

Coronavirus Township
Blick ins Langa Township (Archivbild). In den Slums von Kapstadt war die Übersterblichkeit 2020 ähnlich hoch wie im schwer getroffenen Belgien. - Keystone

Dass das Virus inzwischen auch in Afrika grosse Schäden anrichtet, ist nicht von der Hand zu weisen. In Simbabwe starben gleich vier Minister an einer Covid-19-Infektion. Zimmerli hörte von seinen Kollegen aus Harare von zahlreichen Todesfällen – Fälle, die in keiner Statistik auftauchen. «Wer auf das öffentliche Gesundheitssystem angewiesen ist, hat keine Chance.»

Covid-19 ist keine Wohlstandskrankheit

Das lange Ausbleiben der Corona-Welle hat vor allem eine Theorie befeuert: In den Erste-Welt-Ländern starben insbesondere die Älteren an Covid-19. Kann das Coronavirus aufgrund der niedrigen Lebenserwartung in Afrika also weniger Schäden anrichten?

«Ich bin überzeugt, dass das Coronavirus auch in Afrika hohes Schadenspotenzial hat», urteilt Zimmerli und verweist auf Daten aus Kapstadt. Dort grassierte das Coronavirus bereits früher. «Die Übersterblichkeit war 2020 in den Slums von Kapstadt ähnlich hoch wie in Belgien, dem am schwersten getroffenen Land Europas. Nur aufgrund anderer grassierender Epidemien zu sagen, dass Corona nicht so schlimm ist, ist nicht haltbar.»

Düstere Prognosen in der Impfkampagne

Wie findet Afrika also aus der Corona-Krise? «Es wird wohl wie in Europa sein», so Zimmerli. «Erst, wenn die grosse Mehrheit der Bevölkerung geimpft ist, ist es vorbei.» Wenig überraschend stehen die Länder Afrikas dabei hinten an.

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Die ersten Impfdosen des chinesischen Herstellers Sinovac erreichen Harare. China hat 200'000 Impfdosen nach Simbabwe geliefert. - Keystone

In vielen Ländern Afrikas hat die Impfkampagne noch nicht einmal begonnen. Gemäss «ourworldindata» wurden in Afrika erst 0,16 Impfdosen pro 100 Einwohner verabreicht, in Europa sind es 6,1. Die Beschaffung und Verteilung des Impfstoffs stellt die afrikanischen Länder vor grosse Herausforderungen. «Man rechnet damit, dass es bis 2024 dauern könnte, bis Afrika durchimpft ist», so Zimmerli.

Afrika wird zum Problem für den Rest der Welt

Die Aussicht auf einen langsamen Impf-Fortschritt in Afrika hat nicht nur Auswirkungen auf die jeweiligen Länder: Kann das Coronavirus nicht eingedämmt werden, bleibt Afrika ein Reservoir für das Virus. Wo das Virus verbreitet bleibt, kann es sich weiter entwickeln und dabei mutieren.

Entstehen in Afrika weiterhin Mutationen, können diese sich wiederum im Rest der Welt verbreiten. «Dann müssen wir mit neuen Varianten rechnen, die unter Umständen gegen Medikamente und Impfstoffe resistent sein können», so Zimmerli.

Angesichts dessen hält es Zimmerli für ratsam, die Impfkampagne in Afrika zu unterstützen. «Man kann versuchen, die internationalen Initiativen zu unterstützen, die Impfstoff für Afrika zur Verfügung stellen. Es ist wichtig, dass wir auch an Afrika denken.»

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