Pro-chinesischer Kurs der Regierung in Hongkong polarisiert die Bevölkerung
Der Peking-treue Kurs der Führung in Hongkong spaltet weiter die Bevölkerung.
Das Wichtigste in Kürze
- Zehntausende Demonstranten gehen für oder gegen Regierung auf die Strasse.
Das siebte Wochenende in Folge demonstrierten am Sonntag zehntausende Menschen gegen die pro-chinesische Regierungschefin Carrie Lam. Zuvor waren am Samstag mehr als 100.000 Menschen aus Solidarität mit der umstrittenen Regierung und der Polizei auf die Strasse gegangen.
Die Proteste am Sonntag richteten sich gegen Lam und ein auf Eis gelegtes Auslieferungsgesetz, das erstmals Überstellungen an Festland-China ermöglicht hätte. Die Regierungsgegner fordern unter anderem demokratische Reformen, ein allgemeines Stimmrecht und Lams Rücktritt.
«Wir sind hier, um zu verkünden, dass Peking unsere Regierungswerte und rechtlichen Prozesse missachtet», sagte ein 19-Jähriger Demonstrant der Nachrichtenagentur AFP.
Zum 22. Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie an China am 1. Juli hatten überwiegend junge und maskierte Demonstranten in einer beispiellosen Aktion das Parlamentsgebäude gestürmt. Die meisten der anderen Kundgebungen verliefen jedoch friedlich, auch wenn es am Rande der Proteste immer wieder zu Zusammenstössen mit der Polizei kam.
Die Regierungen in Hongkong und Peking bezeichnen die Demonstranten als «Randalierer». Über die Kundgebungen für die Regierung und die Polizei am Samstag wurde hingegen in China sowie in pro-chinesischen Zeitungen in Hongkong ausgiebig berichtet.
Demonstranten und Menschenrechtsgruppen werfen den Einsatzkräften einen unverhältnismässigen Einsatz von Gewalt vor, beispielsweise durch das Abfeuern von Gummigeschossen und Tränengas. Vergangenen Sonntag waren bei Zusammenstössen 28 Menschen verletzt worden.
Als an diesem Sonntag maskierte Demonstranten das Gebäude der chinesischen Vertretung mit Eiern bewarfen, schritten die Sicherheitskräfte zunächst nicht ein. Später stürmte die Polizei den Platz vor dem Gebäude und drängte die Demonstranten zurück. Vereinzelt kam es zu Ausschreitungen.
«Es gibt keine gewaltsamen Demonstranten und Randalierer, es gibt nur Tyrannei», sagte ein maskierter Mann auf einer Kundgebung. «Wir fordern, dass die Regierung damit aufhört, Hongkong an den Rand der Zerstörung zu bringen.»
Regierungschefin Lam weigert sich bislang, den Forderungen der Demonstranten nachzukommen. Auch aus Peking kamen keinerlei Anzeichen für ein Einlenken. Eine politische Lösung scheint nicht in Sicht. Die Peking-treue Regierung geniesst zudem weiterhin besonders bei älteren Einwohnern der Finanzmetropole breite Unterstützung.
China hatte London bei der Übergabe Hongkongs im Jahr 1997 zugesichert, dass in der ehemals britischen Kolonie Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit für mindestens 50 Jahre gewahrt blieben. Hongkongs wiedererstarkte Oppositionsbewegung wirft der Regierung vor, die als «Ein Land, zwei Systeme» bekannte Regelung zunehmend zu unterlaufen.