Forscher warnen vor abstürzenden Satelliten
Immer mehr Satelliten werden in die Erdumlaufbahn gebracht. Bei Sonnenstürmen verlieren sie stark an Höhe. Forschende warnen vor den Folgen.

Das Wichtigste in Kürze
- Bei Sonnenstürmen «fallen» Satelliten schneller Richtung Erde.
- Ihren Kurs müssen sie dabei in einer unabgestimmten Massenbewegung korrigieren.
- Die möglichen Kollisionen und Abstürze könnten dramatische Folgen haben.
180 Meter pro Tag: So weit sanken in die Erdumlaufbahn geschossene Satelliten bei dem letzten grossen Sonnensturm im Mai. Tausende von Satelliten starteten infolge ihre Triebwerke, um den Höhenverlust auszugleichen – eine Massenbewegung.
Deshalb sinken Satelliten bei einem Sonnensturm
Trifft die energiereiche Strahlung bei einem Sonnensturm auf die Erde, verändert sich die Temperatur: Die Aussenschichten der Erdatmosphäre heizen sich auf, erklärt das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
Mit der steigenden Temperatur dehnt sich die Erdatmosphäre aus. Dabei erreicht sie die Umlaufbahn niedrig fliegender Satelliten. Diese werden durch die eintreffende Erdatmosphäre gebremst – und sinken infolge schneller Richtung Erde. Steuern sie nicht mit ihren Triebwerken dagegen, droht der Absturz der Satelliten.
Die Risiken der Massenkorrektur
Gleichen die Satelliten nun ihren Höhenverlust per Triebwerk aus, geschieht dies unkontrolliert: Die Flugkörper können nicht vorhersehen, wie sich die anderen Satelliten bei ihrer Korrektur bewegen. Dabei ist der Raum um unsere Erde nahezu «vollgemüllt»: Neben Tonnen an Weltraumschrott befanden sich laut der «Tagesschau» schon im Jahr 2019 mindestens 20'000 Satelliten im All.
Die zahlreichen Starlink-Satelliten verfügen zwar über automatisierte Ausweichsysteme zur Vermeidung von Kollisionen. Die Ausweichmanöver bei dem letzten Sonnensturm sorgten damit allerdings für eine gleichzeitige Bewegung rund der Hälfte aller erdnahen Satelliten.

Forschende des Massachusetts Institute of Technology warnen: «Die Kombination aus unvorhersehbarem Satellitenwiderstand und Massenmanövern machte es sehr schwierig oder unmöglich, potenzielle Konjunktionen während des Sturms und in den Tagen danach zu erkennen.»
Was passiert, wenn Satelliten abstürzen?
Die Forschenden weisen darauf hin, dass bei vergangenen Sonnenstürmen zu zahlreichen Satelliten der Kontakt über mehrere Tage abbrach. Gerade befinden wir uns in einem sogenannten Sonnenmaximum, welches 2024 und 2025 wahrscheinlich weitere Sonnenstürme hervorbringen wird. «Es wird wahrscheinlich zu fortgesetzten Betriebsunterbrechungen kommen», äussert das Team. Angesichts der stark gestiegenen Anzahl an Satelliten könne das «heute schlimme Folgen haben».
Vergangenen Monat berichtete der «Spiegel» bereits über die Auswirkungen von Satellitenschrott auf unsere Ozonschicht: Wenn ein kleiner Satellit in der Atmosphäre verglüht, produziert er dabei 30 Kilogramm Aluminiumoxid. Allein 2022 wurden 42 Tonnen Aluminiumoxid nur durch alte Satelliten erzeugt.
Die erst einmal freigesetzten Oxide können jahrzehntelang Schaden anrichten: Sie lösen chemische Reaktionen zwischen Chlor und Ozon aus. Diese Reaktionen wiederum zerstören das stratosphärische Ozon. Die Aluminiummoleküle bleiben bestehen und können so immer neue Reaktionen hervorrufen.
Der Weltraum – unendliche Müllhalden
Trotz der Risiken werden immer mehr Satelliten ins All entsendet. 6000 Flugkörper beförderte Elon Musks Unternehmen Starlink zuletzt in den Weltraum. Insgesamt sollen es 42'000 werden.
Auch Amazon und weitere Unternehmensriesen planen die Entsendung Tausender Satelliten. Diese haben meist eine Lebenszeit von fünf Jahren.

Bernd Sommer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt beschrieb jüngst das durch die Überfüllung entstehende Verkehrschaos. Eigentlich noch funktionierende Satelliten würden herumtreiben, weil ihnen der Sprit ausgegangen sei. Statt sie aufzubereiten, sei das Heraufschiessen eines neuen Satelliten aber günstiger.
Sommer kritisiert diese Handhabe deutlich: «Sie müssen sich vorstellen, sie würden doch auch nicht einen Lkw, nur weil der Trank leer ist, am Strassenrand stehen lassen und per Anhalter zum Händler fahren und einen neuen kaufen. Das machen wir in der Raumfahrt aber im Moment.»