Putsch in Myanmar: Comeback einer Militärdiktatur

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Myanmar,

Langsam hatte sich Myanmar seit 2011 demokratischen Reformen geöffnet. Das «Land der Pagoden» wurde auch bei Touristen immer beliebter. Alles vorbei, nachdem das Militär wieder die Macht an sich gerissen hat? Und was geschieht mit Freiheitsikone Aung San Suu Kyi?

burma
Soldaten sperren eine Strasse in der Hauptstadt Naypyitaw. - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Myanmar erlebt ein dunkles Déjà-vu.

Gerade erst begannen die Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert eisenharter Militärdiktatur zu verblassen, da hat sich die Armee im früheren Birma zurück an die Macht geputscht.

Bei den Anhängern von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi herrscht Entsetzen. Denn auch die Festnahmen der früheren Freiheitsikone und vieler Parteikollegen zeigen, dass die Armee die Uhren zurückdrehen will.

Die 75-Jährige stand schon einmal insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest, damals wegen ihres Widerstandskampfes. Wiederholt sich die Geschichte oder kann die im eigenen Land extrem beliebte Suu Kyi das unvermeidlich Scheinende noch abwenden?

Ihre Kämpfernatur hat die so zierlich wirkende Politikerin offenbar in all den Höhen und Tiefen ihrer langen Karriere nicht verloren. Widerstand, den will sie auch jetzt leisten. «Die Öffentlichkeit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärputsch voll und ganz zu widersetzen und sich entschieden dagegen zu wehren», schrieb die bisherige De-Facto-Regierungschefin Stunden nach ihrer Festsetzung und der Verhängung eines einjährigen Ausnahmezustands in einer Erklärung.

Und ein grosser Teil des Volkes stellt sich hinter sie: In sozialen Netzwerken hagelt es nicht nur Unterstützungsbekundungen sondern geradezu Liebeserklärungen für die «Lady», wie die Frau mit dem aufrechten Gang und dem Oxford-Englisch auch genannt wird. Auf Twitter posteten unzählige Anhänger Fotos von ihr, unter dem Motto «Wir stehen hinter Aung San Suu Kyi». Hashtags wie «Rettet Myanmar», «Wir brauchen Demokratie» und «Helft uns» verbreiteten sich rasant.

Ein Putsch im Jahr 2021 ist sicht- und kommentierbar - ein krasser Unterschied zum Jahr 1989, als Suu Kyi zum ersten Mal in Hausarrest kam. Wie die neue Führung auf mögliche Proteste reagieren würde - zurückhaltend oder brutal niederprügelnd - bleibt abzuwarten.

Hintergrund des Putsches sind Vorwürfe des Wahlbetrugs bei der Parlamentswahl im November nach dem klaren Sieg Suu Kyis - Beweise dafür gibt es bislang nicht. Der Vize-Direktor von Human Rights Watch in Asien, Phil Robertson, verglich gegenüber der BBC die Situation mit der Weigerung von Ex-Präsident Donald Trump, das Wahlergebnis in den USA anzuerkennen. «Ganz offensichtlich hat Aung San Suu Kyi einen massiven Wahlsieg errungen», sagte er. Der Putsch sei jedoch «unerklärlich». Am Montag hätte das Parlament in seiner neugewählten Zusammensetzung zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen sollen.

Einst stand Suu Kyis Name auf einer Stufe mit Mahatma Gandhi, mit Nelson Mandela, mit Martin Luther King. Suu Kyi galt als Idol einer ganzen Generation. Aber auch wenn am Montag Regierungen in aller Welt ihre unverzügliche Freilassung forderten - darunter auch die USA und die Bundesregierung - hat sie aber doch ihr Image als Freiheitsikone eingebüsst. Grund ist vor allem ihre Handhabung der Rohingya-Krise.

Die muslimische Minderheit wird in Myanmar staatlich auf das Brutalste diskriminiert, mehr als eine Million Rohingya sind vor den Übergriffen des Militärs nach Bangladesch geflohen. Suu Kyi hat lange dazu geschwiegen. In einem Völkermord-Verfahren in Den Haag sagte Suu Kyi 2019 schliesslich, von Genozid könne keine Rede sein, die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffneter Rebellen. Kein Wort des Mitgefühls. International steht sie deshalb am Pranger.

Für den Vielvölkerstaat sei die Rückkehr des Militärs eine Katastrophe, denn dies bedeute, dass der Völkermord an den Rohingya anhalten werde, kommentierte die «Gesellschaft für bedrohte Völker» (GfbV). Doch es sei eine Katastrophe mit Ansage: «Die frühere Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi hatte vergeblich versucht, sich den Militärs anzubiedern.» Die Politikerin sei «ein willfähriges Werkzeug der Militärs und ihrer Genozidstrategie» gewesen.

Dieser Meinung sind viele enttäuschte Demokraten, die grosse Hoffnungen auf sie gesetzt hatten. Kritiker monieren, ihr eigener Regierungsstil sei immer autoritärer geworden. Die Meinungs- und Pressefreiheit wurden in den vergangenen Jahren massiv eingeschränkt.

Die Enttäuschung in der Welt war so gross, dass vor ein paar Jahren ihre alte englische Universität in Oxford ihr Porträt von der Wand nahm. Das Washingtoner Holocaust-Museum entzog Suu Kyi den Elie-Wiesel-Menschenrechtspreis. Den Nobelpreis durfte sie behalten - eine Aberkennung ist laut Statut unmöglich. Aber andere Nobel-Laureaten wie Malala Yousafzai oder Desmond Tutu distanzierten sich von ihr. Eine Heldin, die zum Paria wurde. Wie kam es dazu?

Erst im November 2010, als sich das isolierte «Land der Pagoden» langsam wieder öffnete, wurde Suu Kyi aus dem Hausarrest entlassen. Seither war ihre Partei NLD bei allen Wahlen klare Siegerin. Eigens für Suu Kyi wurde der Titel der «Staatsrätin» geschaffen, denn das höchste Staatsamt ist ihr verwehrt, weil ihr Mann Ausländer war.

Aber der politische Aufstieg kam mit einem Preis - denn die Militärs haben laut Verfassung weiter einige der wichtigsten Regierungsposten inne. Ein Viertel der Sitze im Parlament ist für die Armee reserviert. Die so weich wirkende Suu Kyi musste mit knallharten Generälen zusammenarbeiten, um sich überhaupt an der Macht zu halten.

Allen voran ist Oberbefehlshaber General Min Aung Hlaing zu nennen, mit dem Suu Kyi jahrelang in einer seltsamen Symbiose kollaborierte. Der hat nun in der Zeit des Notstands die oberste Befehlsgewalt inne. «In aller Welt vertrat und rechtfertigte sie die grausame Strategie der Militärführung, die sie nun wieder einsperrt», meinte die GfbV. Myanmar droht die Rückkehr in eine dunkle Ära - ob das Volk, Suu Kyis prominenter Name oder die Androhung von Sanktionen dem etwas entgegensetzen können, werden die nächsten Wochen zeigen.

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