Gaza-Gespräche vertagt – weiteres Treffen in Kairo geplant
Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Konflikt wurden konstruktiv fortgesetzt, jedoch ohne Durchbruch.
Es ist weder ein Erfolg, noch ein Scheitern: Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sollen kommende Woche fortgesetzt worden. Einen Durchbruch erzielten die Vermittler Ägypten, Katar und USA mit Israel und der Hamas nicht, laut gemeinsamer Mitteilung waren die zweitägigen Gespräche in der katarischen Hauptstadt Doha aber ernsthaft und konstruktiv bei «positiver Atmosphäre». Ein weiteres Spitzentreffen soll es vor Ende kommender Woche in Kairo geben. Bis dahin sollen Unterhändler weiterverhandeln, um die noch «verbleibenden Lücken» zu schliessen.
An den Gesprächen in Doha waren Spitzenvertreter der USA, Katars und Ägyptens beteiligt sowie der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes, David Barnea. Die Hamas nahm nicht teil. Wie in vorigen Runden verhandelt sie nicht direkt mit Israel oder den USA. In Doha befindet sich aber das politische Büro der Hamas und damit deren wichtigste Vertretung im Ausland, wo ägyptische und katarische Vermittler direkten Zugang haben. Die Verhandlungen kommen seit Monaten nicht voran.
Zurückhaltende Reaktionen aus Israel und von der Hamas
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzt auf den Druck der Vermittler, um die Gespräche zu einem Abschluss zu bringen. In einer Mitteilung dankte er Ägypten, Katar und den USA für ihre Bemühungen. Israel hoffe, dass ihr Druck die Hamas dazu bewegen werde, die Vorschläge von Ende Mai anzunehmen, sodass die Details der Vereinbarung umgesetzt werden könnten.
Ein Vertreter der Hamas zeigte sich zurückhaltend. Die Führung der Hamas habe die Ergebnisse der Verhandlungen erhalten, und sie basierten nicht auf allen Vorschlägen von US-Präsident Joe Biden, die der Gruppe am 2. Juli übermittelt worden seien, sagte der ranghohe Hamas-Funktionär Mahmud Mardaui der Deutschen Presse-Agentur.
Die USA gaben sich dagegen optimistisch. «Wir glauben, dass wir das Ziel erreichen können», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, dem Sender CNN. «Aber es wird zusätzliche Führung und Kompromisse erfordern, und die Bereitschaft der Teams auf beiden Seiten, zusammenzukommen.» Nach Auffassung von Ägyptens Aussenminister Badr Abdelatty könnte eine Waffenruhe eine weitere Eskalation in der Region verhindern.
Hisbollah droht Israel in neuem Propagandavideo
Nach der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran sowie eines Hisbollah-Militärkommandeurs vor gut zwei Wochen hatten die Islamische Republik und die Miliz im Libanon Rache geschworen. Beide sind mit der Hamas verbündet und könnten im Fall einer Waffenruhe in Gaza von einer grösseren, womöglich koordinierten Attacke gegen Israel absehen.
Der Hisbollah-nahe TV-Sender Al-Manar verbreitete unterdessen ein Propagandavideo der Miliz, das offenbar einen unterirdischen Tunnelkomplex zeigen soll, durch den Lastwagen fahren, die Raketen transportieren. Die Hisbollah sei heute auch wegen ihrer Waffen stärker als je zuvor, sagt eine Stimme in dem Video, die Beobachter dem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah zuordnen. Die Stimme droht Israel zudem, das Land werde einer Realität gegenüberstehen, mit der es nicht gerechnet habe, sollte es einen Krieg gegen den Libanon beginnen. Die Hisbollah und Israel beschiessen sich seit Monaten. Dutzende Zivilisten wurden dabei auf beiden Seite der Grenze getötet.
Neuer Vorschlag soll «Lücken verringern»
Die Erwartungen auf einen Durchbruch waren vor Beginn des Treffens in Doha gering, weil die Positionen Israels und der islamistischen Hamas weit auseinander liegen. Jetzt gebe es einen Vorschlag, der die noch bestehende «Lücke verringern» soll, hiess es in der Vermittler-Mitteilung. Er entspreche auch den Grundsätzen des Friedensplans, den Biden vorgestellt hatte und dessen Details die Hamas nicht neu verhandeln will. «Technische Teams» sollen in den nächsten Tagen daran arbeiten, wie die aktuellen Vorschläge umgesetzt werden können.
Biden hatte im Mai einen Vorschlag zur Beendigung des Gaza-Kriegs in drei Phasen vorgestellt. In einer ersten Phase würde demnach während einer Waffenruhe von sechs Wochen eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In zwei weiteren Phasen sollen die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen werden sowie der Wiederaufbau des in weiten Teilen zerstörten Gazastreifens beginnen.
Hintergrund des Konflikts und die laufenden Geiselnahmen
Die islamistische Hamas und andere Gruppen aus dem Gazastreifen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres den Süden Israels überfallen, mehr als 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive in Gaza. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei fast 40'000 Menschen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern und lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Die Zahl der Toten entspricht knapp zwei Prozent der 2,2 Millionen Menschen, die vor Kriegsbeginn in Gaza lebten.
Es werden noch 115 Menschen in der Gewalt der Hamas vermutet. Viele davon dürften bereits tot sein. In Israel protestieren immer wieder Tausende für ein Abkommen, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Viele Demonstranten werfen Netanjahu vor, einen Deal zu sabotieren und sich den Forderungen seiner ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner, auf die Netanjahu für sein politisches Überleben angewiesen ist, zu beugen. Diese sind gegen Zugeständnisse an die Hamas.