Hamas übergibt Leichen von toten Geiseln an Israel
In Süd-Gaza wurden die Leichen von vier toten Hamas-Geiseln ans Rote Kreuz übergeben. Unter ihnen sollen auch die Überreste zweier Kleinkinder sein.
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Das Wichtigste in Kürze
- In Süd-Gaza wurden vier tote israelische Geiseln an das Rote Kreuz übergeben.
- Unter den Toten soll auch die Familie Bibas mit Baby Kfir sein.
- Die Hamas nutzt die Übergabe zu Propaganda-Zwecken.
Das Rote Kreuz hat der israelischen Armee die sterblichen Überreste von vier Leichen übergeben, bei denen es sich nach Hamas-Angaben um tote Geiseln handeln soll.
Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu teilte mit, die Übergabe habe im Gazastreifen stattgefunden.
Die Zeremonie in Chan Junis war in einer Live-Übertragung im Fernsehen zu sehen. Israel will nun die Identität der Leichen prüfen, bei denen es sich laut Hamas um tote Geiseln handeln soll.
Die Hamas hatte am Übergabeort eine Bühne errichtet, zahlreiche jubelnde Schaulustige versammelten sich neben Dutzenden vermummten und maskierten Islamisten in Uniformen zu lauter Musik.
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Auf der Bühne wurden vier schwarze Särge aufgebahrt, im Hintergrund war der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Vampir abgebildet, mit den Bildern der getöteten Geiseln. «Der Kriegsverbrecher Netanjahu und seine Armee haben sie mit Raketen zionistischer Kampfjets getötet», stand daneben. Eine israelische Moderatorin sprach von einem «Theater des Terrors».
Bei der Übergabe an die israelische Armee im Beisein eines Militärrabbiners sollten die Särge in blau-weisse israelische Flaggen gehüllt werden.
In einem forensischen Institut nahe Tel Aviv soll anschliessend ihre Identität festgestellt werden. Zuerst werden die Angehörigen über das Ergebnis informiert. Am Rande des Gazastreifens warteten Dutzende Israelis im strömenden Regen auf den Transport mit den Särgen.
Israels Staatspräsident Herzog bittet Geiseln um Verzeihung
Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog hat sich nach der Übergabe von vier Leichen durch die islamistische Hamas zutiefst betrübt geäussert.
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«Qual. Schmerz. Es fehlen die Worte», hiess es in einer Mitteilung Herzogs. «Unsere Herzen – die Herzen einer ganzen Nation – sind gebrochen.»
Er neige im Namen des Staates Israel das Haupt und bitte um Vergebung. «Vergebung dafür, dass wir euch an dem schrecklichen Tag nicht beschützt haben. Vergebung dafür, dass wir euch nicht sicher nach Hause gebracht haben.»
Unter den Toten sollen zwei Kleinkinder sein
Der Hamas und israelischen Medien zufolge sollen unter den Toten eine Mutter und zwei Kleinkinder sein. Alle drei haben auch die deutsche Staatsbürgerschaft.
Das Schicksal von Schiri, Ariel und Kfir Bibas ist noch immer nicht zweifelsfrei geklärt. Videoaufnahmen der verängstigen Mutter und ihrer beiden rothaarigen Söhne, die bei der Entführung nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 entstanden, gingen um die Welt.
Die forensische Untersuchung könnte israelischen Berichten zufolge einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Dauer des Identifizierungsprozesses hänge auch vom Zustand der Leichen ab, meldeten mehrere Medien unter Berufung auf Gesundheitsminister Uriel Busso am Mittwoch. Busso betonte demnach, dass Israel auch die Todesursachen ermitteln wolle.
Die Hamas hatte noch während des Krieges im Herbst 2023 mitgeteilt, die drei seien bei israelischen Bombardements getötet worden. Aus israelischer Sicht gibt es bislang jedoch für ihren Tod keine abschliessende Bestätigung. Es gebe aber grosse Sorge um das Schicksal der drei, hiess es von offizieller Seite.
Der Vater der Kinder, Jarden Bibas, wurde kürzlich freigelassen. «Unglücklicherweise ist meine Familie nicht zu mir zurückgekehrt», teilte er nach seiner Rückkehr nach Israel mit. «Mein Licht ist immer noch dort (im Gazastreifen), und solange sie dort sind, ist hier alles düster.»
Der Jüngste war bei seiner Entführung noch ein Baby. Er habe zum Zeitpunkt seiner Entführung noch nicht laufen und «Mama» sagen können, sagte der Cousin seiner Mutter kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Sein älterer Bruder habe damals noch an Superhelden geglaubt, so Jimmy Miller.
Vier weitere Leichen sollen kommende Woche übergeben werden
Die Hamas hatte am Dienstag mitgeteilt, die vier toten Geiseln an Israel übergeben zu wollen. Netanjahus Büro bestätigte die Vereinbarung mit der Islamistenorganisation. Im Gegenzug wird Israel Berichten zufolge alle Frauen und Minderjährigen freilassen, die seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 festgenommen wurden und die nicht am bewaffneten Kampf gegen Israel beteiligt gewesen sein sollen.
Auslöser des Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen fast als 48'300 Menschen getötet, darunter auch viele Frauen und Minderjährige.
Vier weitere Leichen sollen laut Hamas kommende Woche übergeben werden. Zudem sollen am Samstag sechs weitere Geiseln im Rahmen des Abkommens zwischen Israel und der Islamistenorganisation freikommen.
Fortsetzung der Waffenruhe bleibt ungewiss
Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar hatten Islamisten im Gazastreifen in mehreren Runden bislang 19 Geiseln freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.
Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln, darunter acht Tote, im Austausch gegen 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen.
Die erste Phase des Deals soll in eineinhalb Wochen enden. Berichten zufolge haben beide Kriegsparteien bislang – entgegen der Vereinbarung – noch keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase des Deals geführt. Sie soll zu einem endgültigen Ende des Krieges sowie zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln führen. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Aussenminister Gideon Saar, dass die Gespräche noch «in dieser Woche» beginnen sollen.