Die Not ist gross, eine Waffenruhe nicht in Sicht. Im Ramadan droht nun auch in den besetzten Gebieten eine Eskalation der Gewalt. Die News im Überblick.
Internationale Flugzeuge, von Sderot aus betrachtet, werfen Hilfsgüter für die Palästinenser im nördlichen Gaza-Streifen ab.
Internationale Flugzeuge, von Sderot aus betrachtet, werfen Hilfsgüter für die Palästinenser im nördlichen Gaza-Streifen ab. - Ilia Yefimovich/dpa

Die von den USA geplante Einrichtung eines temporären Hafens zur Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen stösst international auf Zustimmung, braucht aber für ihre Umsetzung noch Zeit. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, sagte am Freitag, man rechne damit, dass es etwa 60 Tage dauern werde, bis der temporäre Hafen voll einsatzfähig sei. Ryder betonte, in der Zwischenzeit bemühten sich die USA um eine signifikante Ausweitung von Lieferungen auf dem Landweg, da dies die effektivste Weise sei, um Hilfen in das Krisengebiet zu bringen. Auch die Abwürfe von Hilfsgütern aus der Luft gingen weiter.

Nach mehr als fünf Monaten Krieg, den Israel gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen führt, hatte die US-Regierung am Donnerstag angekündigt, angesichts der humanitären Notlage in Gaza einen temporären Hafen einrichten zu wollen, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen. Die humanitäre Lage der Menschen in Gaza spitzt sich seit Wochen dramatisch zu. UN-Vertreter hatten zuletzt vor dem Hungertod Tausender Zivilisten im Gazastreifen gewarnt.

Unabhängig von der Vorbereitung einer provisorischen Hafenanlage an der Küste des Gazastreifens arbeitet die internationale Gemeinschaft an der Etablierung eines Seekorridors, über den Hilfsgüter von Zypern ausgehend Gaza-nahe Häfen in Ägypten oder Israel erreichen sollen. «Wir stehen jetzt kurz vor der Eröffnung des Korridors – hoffentlich diesen Samstag, diesen Sonntag», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag bei einem Treffen mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Christodoulidis.

Deutschland beteiligt sich an dem Seekorridor. «Es muss mehr Hilfe nach Gaza gelangen», schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Plattform X (vormals Twitter). Deshalb befürworte Deutschland einen maritimen humanitären Korridor von Zypern nach Gaza. «Diese Unterstützung wird dringend gebraucht», betonte er.

Tödliche Hilfspakete aus dem Himmel

Indes zeigte sich die Problematik der Abwürfe von Hilfsgütern aus der Luft. Eine vom Himmel stürzende Ladung erschlug am Freitag fünf Menschen, weil sich der Fallschirm nicht richtig geöffnet hatte. Das bestätigte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium auf Anfrage eines dpa-Mitarbeiters vor Ort. Auf Videos in sozialen Medien war zu sehen, wie das grosse Hilfspaket praktisch ungebremst zu Boden stürzte. Mehrere Menschen seien zudem verletzt worden. Hilfsorganisationen fordern eine wirksamere Versorgung auf dem Landweg und verweisen darauf, dass Israel die Einfahrt von Lastwagen in den Gazastreifen behindern würde. Israel bestreitet das und wirft den Hilfsorganisationen Ineffizienz bei der Verteilung der Güter vor.

Habeck ermahnt Israel

Hintergrund der Not im Gazastreifen sind massive Bombardierungen und eine Bodenoffensive Israels in dem Küstengebiet. Das Militär reagiert damit auf das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, bei dem Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel rund 1200 Menschen ermordet und 250 entführt hatten. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden bei Israels Militäroffensive bisher mehr als 30 000 Menschen getötet. Die Angaben machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und bewaffneten Kämpfern. Eine grosse Mehrheit der Opfer seien jedoch Frauen, Minderjährige und alte Männer.

Israel müsse sein Vorgehen im Gazastreifen ändern, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Freitag in New York nach einem Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres. «Das heisst nicht, dass sie die Hamas nicht bekämpfen müssen. Aber die Zahl der zivilen Opfer ist zu hoch und die Strategie muss geändert werden.» Auch die anderen Berliner Kabinettsmitglieder würden die Lage so sehen, fügte er hinzu.

Humanitäre Organisationen verlangen eine sofortige Waffenruhe, um der ausgebombten und Not leidenden Zivilbevölkerung Erleichterung zu verschaffen. Indirekt geführte Gespräche über eine Feuerpause und eine Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der Hamas waren am Donnerstag ohne Ergebnis unterbrochen worden. Sie sollen zu Wochenbeginn weitergehen. Die USA, die bei den Verhandlungen zusammen mit Ägypten und Katar vermitteln, machen die unnachgiebige Haltung der Hamas für das Ausbleiben einer Einigung verantwortlich.

Hamas-Sprecher Abu Obaida bekräftigte indes die Position der Islamisten. «Unsere höchste Priorität bei der Herbeiführung eines Gefangenenaustausches ist die verbindliche Zusage, dass die Aggression gegen unser Volk beendet wird und sich der Feind zurückzieht», sagte er in einer Video-Botschaft, die die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, am Freitagabend auf ihrem Telegram-Kanal veröffentlichten. Der von Israel akzeptierte Vermittlervorschlag sieht hingegen eine sechswöchige Waffenruhe sowie den Beginn des Austausches von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen vor. Erst während dieser Waffenruhe soll über Schritte verhandelt werden, die zu einer dauerhaften Einstellung der Kämpfe führen. Israel zeigt bislang keine Bereitschaft, von diesem Stufenplan abzurücken.

Vor dem Ramadan giesst Hamas-Sprecher Öl ins Feuer

Voraussichtlich am Sonntag beginnt der Fastenmonat Ramadan, eine den Muslimen in aller Welt besonders heilige Periode. Islamistische und militante Bewegungen wie die Hamas schreiben dem Ramadan eine besondere Bedeutung im Dschihad, dem sogenannten heiligen Krieg, zu. Vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs lässt dies eine Zunahme gewalttätiger Konflikte in Jerusalem und im israelisch besetzten Westjordanland befürchten.

Hamas-Sprecher Abu Obaida spielte in seiner Video-Botschaft darauf an, als er die palästinensische Bevölkerung dazu aufrief, im Fastenmonat zur Al-Aksa-Moschee auf dem Jerusalemer Tempelberg zu marschieren. «Möge der gesegnete Monat Ramadan (...) sich zur maximalen Flutwelle auf den Strassen und Fronten innerhalb und ausserhalb Palästinas auswachsen», sagte er. Den Überfall auf Israel am 7. Oktober nennt die Hamas «Al-Aksa-Flutwelle».

Einen Vorgeschmack gaben militante Palästinenser, als sie am Freitag in der Nähe der Stadt Nablus im Westjordanland einen illegalen Siedler-Aussenposten angriffen. Sie feuerten rund 30 Schüsse auf einen Posten der israelischen Armee ab, der die Siedlung Homesch bewachte, berichtete der Sender Kan. Als die Soldaten die Angreifer verfolgten, hätten die Militanten einen Sprengkörper detoniert. Drei Soldaten erlitten mittelschwere, vier weitere leichte Verletzungen, teilte die Armee am Abend mit. Homesch gilt selbst nach israelischem Recht als illegal, auch wenn sich die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf Betreiben der rechtsextremen Koalitionspartner intensiv um eine Legalisierung dieses und anderer Aussenposten bemüht.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Ursula von der LeyenBenjamin NetanjahuWestjordanlandLebensmittelOlaf ScholzRegierungDschihadMoscheeRamadanGewaltWasserFeuerHamasKriegSchweizer ArmeeEU